Minguet Quartett überzeugte mit farbiger Ausdrucksvielfalt
Im 18. Jahrhundert erlangte die Gattung des Streichquartetts große Popularität. Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791) setzte die Tradition Joseph Haydns nicht nur fort, sondern führte sie u. a. mit seinem Quartett d-Moll KV 421/417b auf exemplarische Weise zu einem bis dahin nicht dagewesenen Höhepunkt. In seiner formalen Anlage ist das Quartett viersätzig. Den ersten Satz (Allegro moderato) zeichnete das Minguet Quartett mit transparenter Führung der Stimmen und gegenseitigem Zuspielen des melodischen Materials.
Den vier Musikern gelang eine hochgradig plastische Ausformung der musikalischen Struktur. Interpretatorisches Hauptmerkmal waren einfühlsame Akzentuierung und eine große artikulatorische Spannbreite. Der zweite Satz (Andante), dem ein gesanglich leichter, kantabler Charakter zugrunde liegt, wurde dynamisch-differenziert gestaltet. In starkem Kontrast dazu stand der dritte Satz (Menuetto. Allegretto): Ein schroffer, auffahrender Charakter steht heiter-tänzerischen Elementen im Trio entgegen. Satte Celli-Pizzicati untermalen den melodischen Verlauf. Das Ensemble überzeugte auch hier mit seinem hingebungsvollen Spiel. Der vierte Satz (Allegretto ma non troppo) entfaltet sich als eine Folge von Variationen. Auch er wurde meisterhaft vorgetragen.
Im Anschluss daran folgte das 11. Streichquartett von Wolfgang Rihm (*1952). In einem Zeitraum von neun Jahren beschäftigte sich der Komponist mit der finalen Ausformulierung dieses Werkes. Rihm knüpft darin nicht nur an bestehende Traditionen an, sondern führt die Gattung des Streichquartetts konsequent ins 21. Jahrhundert. In seiner formalen Anlage ist dieses Quartett einsätzig, besteht jedoch aus mehreren Abschnitten. Durch freie, unkonventionelle Verschachtelung von collageartig aneinander gefügten Elementen werden weite Spannungsbögen geschaffen, die zu neuartigen Ausdrucksformen führen. Zu Beginn eher verhalten, introvertiert wie im Zustand von Befangenheit, führt die Musik im weiteren Verlauf durch extreme Gefühlswelten. Absteigende Motivik, dazu denkbar größter Kontrast durch gesteigerte Akkorde und das plötzliche Hervortreten einzelner Instrumente verleihen der Komposition durch den überraschenden Mut zur Melodie beinahe spätromantisch geprägte Züge. Das Minguet Quartett überzeugte auch hier, die solistische Eigenständigkeit bewahrend, durch ein homogenes Klangbild und eine exemplarische Interpretation.
Im zweiten Teil des Konzerts erklang das Streichquartett in f-Moll op. 80 von Felix Mendelssohn Bartholdy (1833–1897). Mit seinem letzten Quartett gelang es Mendelssohn sich von starren Strukturen zu lösen und vorsichtig neue Möglichkeiten erahnen zu lassen. Der erste Satz (Allegro vivace assai) atmet klassizistischen Geist und ist von einer düster nervösen Stimmung geprägt, die wie ein roter Faden alle folgenden Sätze durchwebt. Formvollendet wurde der zweite Satz (Allegro assai) durch differenziertes Spiel klanglich ausgelotet und ließ einmal mehr die große Gestaltungspalette des Ensembles erkennen. Das Adagio des dritten Satzes überzeugte durch schlichte Vortragsweise. Im Finale (Allegro molto) konnte man sich erneut an der satten und farbigen Ausdrucksvielfalt erfreuen.
Als Zugabe spielte das Minguet Quartett ein weiteres Stück von Wolfgang Rihm, das Grave – in memoriam Thomas Kakuska, und bedankte sich damit für den enthusiastischen, lang anhaltenden Beifall des Publikums.