Mehr als eine Auszeichnung: Wie ein Lehrpreis zum Lernabenteuer wurde

02.12.2025 von Susann Trapp in Campus, Studium und Lehre
Dass ein Lehrpreis mehr sein kann als eine Urkunde an der Wand, zeigen Mediävist Dr. Kai Tino Lorenz und Literaturwissenschaftlerin Dr. Astrid Henning-Mohr. Für ihre gemeinsame Idee, mittelalterliche Literatur mit moderner Kinder- und Jugendliteratur zu verbinden, wurden sie 2024 mit dem Profillinien-Lehrpreis der MLU ausgezeichnet – und haben damit ein Projekt angestoßen, das bis heute wirkt.
Johanna Luise Giest spricht mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule Nienburg über mittelalterliche Abenteuer- und Heldenmotive.
Johanna Luise Giest spricht mit Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule Nienburg über mittelalterliche Abenteuer- und Heldenmotive. (Foto: Sara Marie Brink)

„Das war keine Auszeichnung für die Schublade“, betont Lorenz. „Wir wollten das, was wir da entwickelt haben, lebendig halten und in neue Kontexte bringen.“ Mit dem Preisgeld in Höhe von insgesamt 4.000 Euro stellten Lorenz und Henning-Mohr je eine studentische Hilfskraft ein – und es entstand ein Lehrprojekt, das den Weg gleichermaßen in Seminarräume wie in Klassenzimmer fand.

Johanna Luise Giest, eine der eingestellten Hilfskräfte, stellte sich die Frage „Wie lässt sich mittelalterliche Literatur in den Schulunterricht übertragen?“. Gemeinsam mit Lorenz und der Sekundarschule Nienburg im Salzlandkreis entwickelte sie Unterrichtskonzepte, bei denen Fünft- bis Zehntklässler Abenteuer- und Heldenmotive untersuchten. In aktuellen Jugendfilmen wie „Dragon – Love is a Scary Tale“ oder „Prinz Kaspian von Narnia“ fanden sie Parallelen zu mittelalterlichen Erzählmustern. „Wir konnten zeigen, dass diese Strukturen bis heute lebendig sind“, so Giest. Lorenz ergänzt: „So entsteht genau das Bewusstsein, das wir fördern wollen: Wie funktioniert Erzählen? Warum ist etwas spannend?“ Das Mittelalter sei eben mehr als Ritter und Burgen.

Kai Lorenz (2. von rechts) bei der Preisübergabe im Jahr 2024
Kai Lorenz (2. von rechts) bei der Preisübergabe im Jahr 2024 (Foto: Markus Scholz)

Die Kooperation mit der Sekundarschule Nienburg war Teil eines Lehrprojekts, das direkt aus dem Lehrpreis hervorging. Die Frage, wo und wie mittelalterliche Erzählstrukturen in heutigen Geschichten weiterleben, ließ Lorenz nicht los. Daher führte er das Thema des abenteuerhaften Erzählens im Sommersemester 2025 unter dem Titel „Âventiure – Abenteuer – Adventure“ in drei Projektseminaren fort. Der Begriff „Âventiure“ steht im Mittelhochdeutschen für ein gewagtes Unternehmen oder eine Begegnung, bei der sich der Ritter bewähren muss. 

So entstanden zwei eng verbundene Stränge: In den Seminaren erforschten Studierende ausgehend von Hartmanns von Aue Artusroman „Erec“, wie sich mittelalterliche Strukturen wie der „Doppelweg“ – ein Kreislauf von Bewährung, Scheitern und Neubeginn – in heutigen Erzählformen wiederfinden. Sie entwickelten theoretische Modelle, die auch in der Sekundarschule Nienburg praktisch erprobt wurden. Die Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Schulprojekt flossen wiederum in die Seminare zurück, an denen unter anderem Lehramtsstudierende teilnahmen. So schloss sich der Kreis: Aus der Theorie wurde Praxis, aus der Praxis neue Lehrimpulse. 

Entstanden sind Unterrichtsmaterialien, digitale Konzepte und kreative Arbeiten wie der Kurzfilm „Enite – Wenn Ritter reden lernen“, in dem Hartmanns Figuren Erec und Enite in einer Therapiesitzung von ihren Abenteuern erzählen. Die Arbeiten aus den Seminaren und dem Schulprojekt sind noch bis Weihnachten in einer Ausstellung in der Steintor-Bibliothek zu sehen; eine Online-Plattform mit Lehrmaterialien ist in Vorbereitung. Gemeinsam mit der MLU-Lernwerkstatt in den Franckeschen Stiftungen werden seit dem 1. Dezember bis zum Jahresende zudem die Schülerarbeiten in einer Ausstellung in der Lernwerkstatt gezeigt. Die Vernissage dazu findet am Donnerstag, 4. Dezember, um 19.30 Uhr statt.

In einem Workshop stellten Lorenz und Henning-Mohr die Projektergebnisse an der Uni Halle vor – als Auftakt für ein neues Modul an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, denn dorthin ist Henning-Mohr mittlerweile gewechselt. Für das Jahr 2026 ist eine gemeinsame digitale Ringvorlesung beider Universitäten geplant, die Forschung, Lehre und Praxis erneut verknüpfen soll.

„Das Schöne an dem Lehrpreis ist, dass über mehrere Semester hinweg immer Neues entsteht“, sagt Lorenz. Er empfiehlt seinen Kolleginnen und Kollegen, mehr kooperative Formate auszuprobieren. 

Lunch-Lecture mit @ward-Preisträger Steffen Schiele

Ein weiteres Beispiel für innovative Lehre an der Universität Halle stellt Diplom-Informatiker Steffen Schiele in diesem Monat vor. Sein Lehrveranstaltungskonzept „Programmierung für Hörer aller Fakultäten“ wurde im vergangenen Jahr mit dem „@ward 2023“, dem Preis für multimediales Lehren und Lernen, in der Kategorie „Projekte in der Konzeptionsphase“ ausgezeichnet. 

Im Rahmen einer Lunch Lecture am Mittwoch, 17. Dezember 2025, von 13.30 bis 14 Uhr erläutert Schiele, wie typische Herausforderungen in seinem Kurs „Einführung in die Programmierung“ durch einen Blended-Learning- und Flipped-Classroom-Ansatz bewältigt werden. Die Lunch Lecture ist Teil des Angebots der „eService Agentur Sachsen-Anhalt“, die sich seit 2021 der Digitalisierung der Hochschullehre gewidmet hat.

Mehr Informationen und Anmeldung unter: https://esalsa.de/lunch-lectures/ 
Ein Video zum Konzept: https://www.youtube.com/watch?v=YcGukGMvFyg

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