Das Bewusstsein für die eigene Rolle schärfen
Konkret ging es unter der Moderation von Guntram Schmidt, Promovierender im Fachgebiet Anorganische Chemie, um den Vorschlag der Promovierenden-Initiative Halle, Betreuungsvereinbarungen obligatorisch an der Universität einzuführen. Die Initiative und die Internationale Graduiertenakademie InGrA in Verbindung mit dem PhD Network hatten zur Diskussionsrunde eingeladen.
„Mit Promotionsvereinbarungen können Betreuer oder Betreutem mögliche Enttäuschungen durch unerfüllte wechselseitige Erwartungen erspart bleiben“, meint Frank Ursin, Sprecher der Initiative. „Sie leisten einen entscheidenden Beitrag, die Erwartungen aufeinander abzustimmen und somit Konflikte zu vermeiden. Wir haben dafür eine Mustervorlage entworfen und stellen sie zur Diskussion.“
Letztlich helfe eine solche Betreuungsvereinbarung aber nicht, wenn es zwischen dem Betreuer und dem Promovenden menschlich nicht funktioniere, meinte Professor Dr. Joachim Ulrich vom Zentrum für Ingenieurwissenschaften. An ein solches Papier dürften nicht zu hohe Hoffnungen geknüpft sein. Entscheidend sei letztlich, dass eine gute Forschungsarbeit entstehe. Ulrich erklärte: „Und der Betreuer fragt sich, warum soll ich eine Vereinbarung unterschreiben? Hat der Promovend schon vor Beginn der Arbeit Grund zum Misstrauen?“
„Es ist ein wechselseitiges Verhältnis“, betonte Foljanty-Jost. „Beide gehen Verpflichtungen ein und kein Hochschullehrer kann es sich leisten, lauter abgebrochene Verfahren zu haben. Für die Universität ist es außerdem lebensnotwendig, guten Nachwuchs hervorzubringen.“
Auf „die Unterschiede der Fachkulturen", die man einfach zur Kenntnis nehmen müsse, machte der Jurist Prof. Dr. Winfried Kluth aufmerksam. Als Mitglied der Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer Musterpromotionsordnung an der MLU halte er eine einheitliche Regelung, die jedoch gewisse Gestaltungsspielräume zulasse, für sinnvoll. Kluth: „Es geht nicht um Bürokratie sondern um Formalisierung, die mehr Bewusstsein schaffen solle, wer welche Rolle hat.“ So gesehen könne eine Betreuungsvereinbarung nicht schädlich, sondern eher förderlich sein.
Dr. Gunda Huskobla, wissenschaftliche Referentin an der Graduiertenakademie der Universität Jena, beschrieb: „In Jena wurden bereits Promotionsvereinbarungen obligatorisch eingeführt. Damit gibt es auf beiden Seiten einen anderen Anspruch. Ein neues Bewusstsein ist tatsächlich entstanden.“
Auf gute Erfahrungen konnte auch Prof. Dr. Rüdiger Horstkorte, Vorsitzender des Promotionsausschusses in der Medizinischen Fakultät der MLU, verweisen: „Die eingegangenen Betreuungsanträge – derzeit 34 – werden noch einmal gesichtet, ob für die entsprechenden Themen auch die richtigen Betreuer gewählt wurden.“ Es laufe für beide Seiten völlig unproblematisch.
Resümee: Betreuungsvereinbarungen sollten obligatorisch werden, aber ihr Inhalt frei gestaltbar sein. Es geht weniger um den bürokratischen Akt der Unterzeichnung einer Vereinbarung, sondern mehr um das Bewusstsein für das gemeinsame Vorhaben – die Partnerschaft, die Betreuer und Promovend miteinander eingehen. „Bis Mitte des nächsten Jahres könnten die entsprechenden Vorlagen den Weg durch die Gremien und in die Promotionsordnungen genommen haben“, sagte Foljanty-Jost.