Auf der Erfolgswelle

02.05.2022 von Katrin Löwe in Campus, Personalia
Die wissenschaftliche Karriere von Dr. Alexander Gabel hat mit einem Paukenschlag begonnen: einer Titelstory im Fachmagazin „Nature“, die auf den Bachelorarbeiten von ihm und Dr. Hajk-Georg Drost basierte. Dieser Erfolg hat den Bioinformatiker auch in seinen späteren Forschungsarbeiten beeinflusst. Jetzt war er einer der Absolventen, die für ihre mit der Bestnote „summa cum laude“ abgeschlossene Doktorarbeit am Freitag die Lutherurkunde der Universität erhalten haben.
Alexander Gabel gehört zu den Geehrten, die ihre Promition mit "summa cum laude" abgeschlossen haben.
Alexander Gabel gehört zu den Geehrten, die ihre Promition mit "summa cum laude" abgeschlossen haben. (Foto: Marian Sorge)

Als Bachelor-Student sei die Tragweite kaum zu begreifen gewesen. „Es ist immer noch nicht wirklich zu fassen“, sagt Dr. Alexander Gabel, wenn er an die Zeit vor rund zehn Jahren denkt. Am 4. Oktober 2012 kam das Fachmagazin „Nature“ mit einem besonderen Cover heraus: Es zeigt eine Sanduhr – und steht für Erkenntnisse, die weitgehend auf den Bachelorarbeiten von ihm und Hajk-Georg Drost zum so genannten Sanduhr-Modell bei der Embryogenese von Pflanzen basierten. Bis dahin war das Modell ausschließlich bei Tieren nachgewiesen. Sie durchlaufen in ihrer Entwicklung von der befruchteten Eizelle bis zur Geburt ein Embryonalstadium, in dem sie rein äußerlich kaum voneinander abweichen, obwohl sie sich zuvor und auch danach morphologisch deutlich voneinander unterscheiden. Diese Phase versinnbildlicht das Sanduhr-Modell mit der Engstelle. Das Gleiche gilt auch für ihre Genaktivität. Die halleschen Bioinformatiker hatten in ihrer Arbeit nun demonstriert, dass es das Muster auch bei Pflanzen gibt. Das brachte ihnen nicht nur die Titelgeschichte in „Nature“ ein, sondern im Jahr darauf auch einen mit 30.000 Euro dotierten Forschungspreis der Stickstoffwerke Piesteritz.

Zehn Jahre später hat Gabel nicht nur seinen Masterabschluss, sondern auch den Doktortitel in der Tasche – und seit Freitag die Luther-Urkunde der MLU für seinen Abschluss mit der Bestnote „summa cum laude“. „Wir sind auf der Welle mitgeritten, die sich aus der Publikation ergeben hat“, sagt er rückblickend. Der 33-Jährige meint damit nicht nur weitere Forschungen, sondern auch den Kontakt zu zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, zu anderen Disziplinen. Und dank des Preises die Möglichkeit, 2015 für ein Forschungsprojekt gemeinsam mit Drost nach Cambridge (England) zu gehen und dort mit Prof. Dr. Elliot Meyerowitz einen der Pioniere der Entwicklungsbiologie zu treffen. „Daraus ergaben sich auch weitere Projekte“, sagt er. Und immer wieder neue Aufenthalte in Cambridge und sogar gemeinsame Publikationen.

Ein Schwerpunkt in Gabels Dissertation waren so genannte lange nicht-kodierende RNA-Moleküle. Diese enthalten keine Bauanleitungen für Proteine, sondern beeinflussen die Aktivität von Genen. Im vergangenen Jahrzehnt konnten im Zuge von RNA-Sequenzierungstechniken besonders im Menschen und in Tieren eine Vielzahl dieser RNAs identifiziert werden, „in Pflanzen waren sie noch nicht so gut erforscht“, sagt der Wissenschaftler. Um ihre funktionale Bedeutung zu untersuchen, hat Gabel zusammen mit Dr. Christoph Schuster vom Sainsbury Laboratory in Cambridge die RNAs von Organen von sieben verschiedenen Blütenpflanzen analysiert, die einen gewissen evolutionären Abstand aufweisen - angefangen von evolutionär sehr nah verwandten Pflanzen wie Arabidopsis thaliana (Gänserauke) und Arabidopsis lyrata (Felsen-Schaumkresse) bis hin zu evolutionär sehr weit entfernten Gräsern wie Brachypodium distachyon (Zwenke). Deren Organe wurden sequenziert und mit bioinformatischen Methoden analysiert. Aus den enormen Datenmengen, so Gabel, lasse sich ablesen, wie stark ein Gen in einem bestimmten Organ aktiv ist. Zudem konnten mehrere tausend RNA-Moleküle rekonstruiert werden, die bis dahin noch nicht bekannt waren. Angesichts von Klimawandel und Fragen der weltweiten Ernährungssicherheit können Erkenntnisse zu den RNA von Bedeutung sein, wenn es darum geht, zum Beispiel das Blühverhalten von Pflanzen, die Größe ihrer Früchte oder das Verhalten bei Trockenstress zu untersuchen. „Wir bilden mit unseren Analysen die Grundlage für weiterreichende Studien“, so Gabel.

Halle sei für ihn als Student und Doktorand eine hervorragende Universitätsstadt gewesen, sagt Gabel. Das Umfeld und die Zusammenarbeit am Institut für Informatik haben ihn sogar davon abgehalten, ein Angebot zum gänzlichen Wechsel nach Cambridge anzunehmen. Erst nach seiner Promotion hat der Bioinformatiker Halle nun doch verlassen. Aus privaten Gründen und um seinen wissenschaftlichen Horizont zu erweitern ist er nach Würzburg gegangen. Schon vor und während seiner Promotionszeit hat der gebürtige Schönebecker nicht nur Pflanzengenome erforscht, sondern war auch an Projekten in der Medizin, der Pharmazie und den Ernährungswissenschaften beteiligt.

In Würzburg war er bereits in ein Projekt involviert, das den Einfluss der Corona-Lockdowns auf herzkranke Menschen untersucht. Ab Juni wird er als Post-Doc am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung forschen, wieder an nicht-kodierenden RNA. „Ihr Agieren bei einer Infektion zu modellieren, ist für mich eine spannende Herausforderung.“ Ein Grund dafür: Es gibt eine Vielzahl von neuen Technologien, die bei der Erforschung von langen nicht-kodierenden RNAs Informationen über die Interaktionen der RNAs untereinander und deren Einfluss auf andere Molekülgruppen auf der Ebene von einzelnen Zellen wiedergeben können.

Eines Tages nach Halle zurückzukehren ist für Gabel dennoch keineswegs ausgeschlossen.

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