12. Lange Nacht der Wissenschaften: Tausende Hallenser auf Entdeckungstour
Reges Treiben herrschte am Weinberg Campus und am Campus Heide-Süd: Zu den Publikumsmagneten gehörte zweifellos wieder die große Experimentalvorlesung von Prof. Dr. René Csuk unter dem Titel „Chemie für (nahezu) alle Sinne“, die zahlreiche Interessenten in das Hörsaalgebäude in der Theodor-Lieser-Straße zog. In der Gründerwerkstatt Nanostrukturierte Werkstoffe des TGZ III staunten die Besucher nicht schlecht, als sie am Bildschirm kleinste Strukturen betrachten konnten. Dr. Frank Heyroth führte vor, wie Rasterkraftmikroskopie funktioniert. Komplett dreidimensionale Bilder der atomaren Struktur von Werkstoffen wie Silizium machte er am Monitor sichtbar.
Die kleinsten Besucher der Langen Nacht erfreuten sich derweil ganz besonders an einem kleinen Streichelzoo mit Kaninchen, Hühnern und Tauben am Institut für Agrarentwicklung in Mittel- und Osteuropa (IAMO). Wer an diesem Abend selbst in der Landwirtschaft tätig werden wollte, konnte am gleichen Ort eine lebensgroße Kunststoffkuh versuchen zu melken - auf Geschwindigkeit! Dass das schwieriger ist, als gedacht, war einer der Erkenntnisse. Dass der Ertrag auch weitaus geringer ausfällt, als angenommen – auch das war eine Lerneffekt.
Eher kurios mutete zunächst der erste Wettbewerb im Gummistiefelweitwurf an, der ebenfalls am IAMO durchgeführt wurde. Allerdings: In Finnland ist die spezielle Form des Weitwurfs eine ganz normale Sportart. Die einzig deutschen Profisportler von der Insel Sylt erklärten auch warum: Diese Tradition entwickelte sich im 19. Jahrhunderte, als sich finnische Seeleute Stiefel von Schiff zu Schiff warfen. Wer nicht weit genug warf und das Ziel verfehlte, hatte das Nachsehen und einen Stiefel weniger.
Auch in der Medizin gab es zahlreiche Angebote und unzählige Besucher. Wie immer sehr gut besucht: Die Meckelschen Sammlungen. Kuriose, witzige und nachdenkliche Anekdoten erzählend, zeigte Sammlungsleiter Prof. Dr. Rüdiger Schultka im weißen Kittel Skelette, Präparate verschiedener Organe und anatomische Anomalien.
Im Uniklinikum in der Ernst-Grube-Straße ging es dagegen um Lebensrettendes: Transfusionsmediziner erklärten einmal ausführlich, was mit Spenderblut nach einer Spende geschieht; Besucher konnten - mit blauen Überziehschuhen bekleidet – direkt hinter die Kulissen schauen. Modernste Apparaturen zur Blutbestimmung und Aufbereitung, hermetisch abgeriegelte Reinräume und große Stickstofftanks konnten dort bestaunt werden. Wem das noch nicht reichte, der konnte im Uniklinikum auch vieles weitere unternehmen - sein biologisches Alter bestimmen lassen, Lebensrettungsmaßnahmen proben, sein Gehör in der HNO-Klinik testen lassen oder eine Endoskopie am so genannten Phantom ausprobieren.
Trubel herrschte auch auf dem Campus der Franckeschen Stiftungen. Dort konnten sich etwa die kleinen Gäste im so genannten Denklabor unter anderem daran versuchen, ein „Fröhlichkeitselexier“ zu brauen. Für die großen Besucher wurden Führungen durch die aktuellen Ausstellungen der Stiftungen angeboten. Außerdem präsentierten Studenten und Absolventen ein interaktives Francke-Denkmal 2.0. an der Fassade der Historischen Bibliothek. Das Prinzip ist aus dem Internet vertraut: Besucher konnten die Begriffe aufschreiben, die ihnen zu Francke einfielen. Je häufiger ein Wort genannt wurde, desto größer wurde dieses in der Grafik dargestellt. Ein besonderer Einfall zum 350. Geburtstags des Gründers der Stiftungen in diesem Jahr.
Einen regelrechten Ansturm erlebten die Franckeschen Stiftungen jedoch zum Beginn des Science Slams. Bei diesem Wettstreit müssen Wissenschaftler versuchen, ihr Fachgebiet in wenigen Minuten auf möglichst unterhaltsame Art darzustellen. Für diesen Wettbewerb war der Andrang so groß, dass nicht alle Besucher Platz vor Ort fanden. Gut dass auf dem Uniplatz der Slam via Livestream übertragen wurde. Zuvor hatte es bereits einen Science Slam an der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina auf dem Jägerberg gegeben – ein Zeichen, dass das Format und diese Art der Wissensvermittlung bei den Besuchern mehr als gut ankommt.
Auf dem am Jägerberg angrenzenden Friedmann-Bach-Platz hatte das Stadtmarketing erneut ein spannendes Rätselspiel aufgelegt: Schauspieler in Verkleidung erzählten aus dem Leben der Personen, die sie darstellten. Die Zuhörer sollten herausfinden, welche halleschen Wissenschaftler hier vor ihnen standen. Francke und Reil waren noch leicht; Forster und Robert, nach dem das Robertinum am Uniplatz benannt ist, kannten viele schon nicht mehr. Andrang herrschte aber auch im ehemaligen Physik-Institut und nicht nur, weil der Turm, der einen wunderschönen Blick über Halle bietet, erstmals wieder geöffnet war. Die Mitarbeiter des Zentralmagazins naturwissenschaftlicher Sammlungen der Uni zeigten dort ihr vielfältiges Programm. Dr. Frank Steinheimer zeigte zum Beispiel in einer Vorlesung, was alles in einer Vogelfeder steckt. Dass die Feder letztlich die Weiterentwicklung einer Reptilienschuppe ist, erstaunte viele Besucher. Dr. Peter Fritzsche stellte die Forschung an Hamstern vor. Ganz besonders interessant: Die halleschen Forscher sind dabei, zu wiederlegen, dass Zwerghamstermännchen sich an der Aufzucht der Jungen beteiligen. Mit welcher Versuchsanordnung das geht, wozu man Chips und Kameras braucht, konnte sich jeder Besucher erklären lassen – ebenso wie Tests der Gedächtnisleistung der Hamster.
Abgesehen vom sehr gut besuchten und bunten Programm auf dem Uniplatz war einer der Höhepunkte schließlich das Großfeuerwerk am Von-Seckendorff-Platz. Ungewöhnliche Farben wie Pink, Purpur, Violett, Orange und Türkis erleuchteten ab 22:30 Uhr den Nachthimmel, als das von Wissenschaftlern geplante Feuerwerk mit Klängen der Tritsch-Tratsch-Polka von Johann Strauss begann. Um musiksynchrone Effekte zu erzielen, hatte der Informatiker Prof. Dr. Stefan Braß eine computergesteuerte Zündanlage entworfen. Nicht zuletzt gab es dazu im Internet einen 22 Seiten umfassenden „Abbrennplan“ nachzulesen. Hunderte Menschen hatten sich auf dem großen Platz versammelt, um sich an der Pracht zu erfreuen. Rote blinkende und glitzernde Lichter begleitet von Händels Concerto grosso No.2 Op.6 HWV 320 folgten und ein temperamentvolles Finale mit Beethovens Egmont-Overtüre entlockten dem begeisterten Publikum Jubel und einen lang anhaltenden Applaus.