Zum Tod von Wolfgang Wohlrab: Geschätzter Mittler zwischen Disziplinen
Prof. Dr. rer nat Wolfgang Wohlrab hat von 1961 bis 2001 als Biologe an der Hautklinik der Universitätsmedizin Halle gewirkt. Dort war er Leiter der „Experimentellen Dermatologie“ und hernach auch Mitbegründer des An-Institutes für angewandte Dermatopharmazie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg e.V.
Dieses von ihm angeregte und wesentlich mitgeschaffene Institut, welches bis heute neue pharmazeutisch-dermatologische Erkenntnisse in klinische Anwendung überführt, sowie die lange und geschichtsträchtige Zeitspanne seines akademischen Wirkens, in welche viele für Wolfgang Wohlrab und andere Kolleginnen und Kollegen schwierige Jahre in der DDR fallen, sind schon jeweils ein Grund, noch einmal einen Blick auf sein Leben an der MLU zu werfen. Dazu kommen seine (natur)wissenschaftlichen Entdeckungen, die unmittelbar in das Verständnis und die Therapie von Hautkrankheiten eingegangen sind.
Wolfgang Alfred Wohlrab wurde am 16.11.1936 in Schwaderbach im heutigen Tschechien geboren und kam als Flüchtling nach Sachsen. Er studierte Biologie an der MLU und begann 1961 seine Tätigkeit in der Universitätshautklinik. Seinem Eintritt als Biologe in eine Klinik liegt das bis heute erfolgreiche Konzept zugrunde, Naturwissenschaftler in die medizinische Forschung einzubinden, um ihr über moderne methodische Ansätze Antrieb und neue Ziele zu geben; es wurde in der DDR früh und durchgängig verwirklicht.
Er promovierte 1961 zum Dr. rer. nat. und habilitierte sich 1973 mit Arbeiten zum malignen Melanom. Unter insgesamt einer Klinikdirektorin und vier Klinikdirektoren, darunter meinem Vorgänger Prof. Dr. Wolfgang Marsch, dessen Berichten und dessen Artikel zum 65. Geburtstag von Wolfgang Wohlrab ich viele der hier geschilderten Details verdanke, entwickelte er unter anderem die Forschungsrichtung Dermatopharmazie. Er gilt, und ich überlasse hier Herrn Marsch das Wort „gleichsam als Vater der Harnstoffanwendung in der topischen Dermatotherapie […]“. Durch „Arbeiten zur Galenik, der differenzierten Wirkung des Harnstoffs auf die Barriere- und Reservoirfunktion der epidermalen Hornschicht und durch die vielfältigen Möglichkeiten des Harnstoffs als Penetrationsenhancer ist Herr Wohlrab auch zu einem […] international hochgeschätzten Dermatologen und Mittler geworden: zwischen unserer klinischen Disziplin, der Pharmazie und letztlich den Patienten, insbesondere mit chronisch-entzündlichen Hautkrankheiten“ (W. Marsch in seiner Denkschrift in der Zeitschrift „Hautarzt“ 2001).
Als einer der ersten in der DDR warb Wolfgang Wohlrab Finanzmittel über Industrieforschungsaufträge ein. Es verwundert nicht, dass er vermöge solcher originellen Ansätze und vorausschauenden Einbindung von Industriefirmen bedeutsame Drittmittelsummen einzuwerben wusste und dadurch nicht nur diesen Weg der akademisch-verorteten, Industrie-unterstützten Forschung bahnte, sondern wahrscheinlich auch für sich selbst in der DDR eine zumindest gewisse Unabhängigkeit für seine persönliche Forschungstätigkeit erreichte. Als bekennender Christ und Katholik war er sicher kein von den damaligen Führungskadern hofierter Wissenschaftler, sondern vielmehr ein dem Staate verdächtiger Mann, den es wegen seiner nicht streng sozialistisch ausgerichteten Lebensauffassung eher zu bespitzeln als zu fördern galt. Die Tatsache, dass er trotzdem seine wissenschaftliche Laufbahn an der Universitätsmedizin fortgesetzt hat, mag Beleg dafür sein, dass er aufgrund seiner Fähigkeiten und seines menschlich untadeligen Verhaltens von vielen hochgeschätzt und damit weniger angreifbar wurde.
Bis heute trifft man an der Universitätsmedizin Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (darunter ehemalige Diplomanden und Doktoranden), die von seiner Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der die verschiedenen Disziplinen verbindenden Forschung, seiner Rechtschaffenheit und Verlässlichkeit, seiner Organisationskraft und seinem Sinn für pragmatische Lösungen zu berichten wissen.
Außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit und lange danach hat er sich in hohem Maße in seiner Kirchengemeinde eingesetzt, sei es für die Telefonseelsorge oder als Beirat zur Gründung kirchlicher Schulen.
Er und seine Frau Renate Wohlrab waren 50 Jahre glücklich verheiratet. Sie haben drei Söhne, die Ärzte geworden sind und von denen Prof. Dr. Johannes Wohlrab das An-Institut weiterführt.
Auch wenn beide sicher dankbar für ein solch langes gemeinsames Leben waren, mischt sich in unsere Anteilnahme die Vorstellung, wie schwer dann auch der Verlust des vertrauten Menschen wiegt.
Die Universitätsmedizin, die Universität Halle und insbesondere die jetzigen und ehemaligen Kolleginnen und Kollegen der Hautklinik werden Herrn Wolfgang Wohlrab in ehrendem Gedenken bewahren.
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Der Autor Prof. Dr. Cord Sunderkötter ist nach langjähriger Tätigkeit in Münster und Ulm im Jahr 2017 zum Professor für Dermatologie an der Universität Halle berufen worden. Seitdem leitet er auch die Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie.