„Wir können nicht anordnen, dass eine Auslandsdienstreise nicht stattfinden darf“

02.05.2019 von Manuela Bank-Zillmann in Varia, Wissenschaft
„Anzeigepflicht für Dienstreisen ins Ausland“ – diese ZUV-Info vom 3. April sorgt für Unruhe in der Universität. Der Hinweis mit der Nummer 473/2019 aber ist wichtig, denn alle Beschäftigten, die zeitweilig im Ausland dienstlich tätig sind, müssen die sogenannte A1-Bescheinigung mit sich führen. Das gilt nicht nur für Beschäftigte der MLU. Was es damit auf sich hat und warum das Ganze auch die Verwaltung in die Zwickmühle bringt, erklärt Kanzler Markus Leber im Interview.
Bei Dienstreisen ins Ausland - ob mit Flugzeug oder anderweitig - sind einige rechtliche Regelungen zu beachten.
Bei Dienstreisen ins Ausland - ob mit Flugzeug oder anderweitig - sind einige rechtliche Regelungen zu beachten. (Foto: pixabay)

Die A1-Bescheinigung ist doch nicht neu. Worum geht es also?
Markus Leber: Das ist richtig, das gibt es alles schon seit Jahren. Es geht jetzt darum, dass es ein neues Verfahren zur Beantragung gibt, das wir in den vergangenen Monaten auch intern etablieren mussten. Durch diese technische Neuerung ist die bestehende Regelung vielerorts erstmals ins Bewusstsein gerückt. Hinzu kommt, dass in der letzten Zeit in zahlreichen Zielländern die Überprüfung der Bescheinigung intensiviert worden ist. Das heißt: Die Gefahr, bei Auslandsdienstreisen überprüft und dann mit den entsprechenden juristischen Konsequenzen konfrontiert zu werden, wenn man den Schein nicht dabei hat, hat zugenommen. Das war für uns Anlass, über die bestehenden Regelungen zu informieren.

Haben Sie ein Beispiel? Das betrifft ja Unternehmen und öffentliche Einrichtungen gleichermaßen.
Richtig, und in der Wirtschaft ist der Unmut mindestens genauso groß wie an den Hochschulen. Welche Folgen bei einem Verstoß im Ausland drohen, lässt sich pauschal nicht sagen. Das ist natürlich auch stark vom Zielland abhängig. Ich kenne Berichte von Wissenschaftlern anderer Universitäten, die bei der Einreise in ein Land aufgehalten worden sind, weil sie die Bescheinigung nicht hatten. In einem Fall wurde nicht nur ein Bußgeld verhängt, sondern auch eine lebenslange Einreisesperre. Das ist sicher ein Ausnahmefall, der nicht auf alle Länder übertragbar ist. Man muss aber in jedem Fall mit erheblichen Konsequenzen rechnen, wenn man im Ausland ohne A1-Bescheinigung dienstlich unterwegs ist.

Die Bescheinigung, die besagt, dass man in Deutschland sozialversichert ist, stellt aber nicht die ZUV aus. Sondern?
Zuständig sind die Krankenkasse bei Angestellten und die Deutsche Rentenversicherung bei Beamten. Die Universität als Arbeitgeber reicht lediglich den Antrag des Reisenden an die zuständige Stelle weiter. Durch das neue Verfahren der Online-Übermittlung kann diese Antragstellung auf unserer Seite innerhalb weniger Stunden erfolgen. Auf die Bearbeitungsdauer bei der zuständigen Stelle haben wir keinen Einfluss, und so kann es vorkommen, dass die Bescheinigung nicht rechtzeitig zum Reisetermin vorliegt.

Kanzler Markus Leber
Kanzler Markus Leber (Foto: Michael Deutsch)

Ich fasse zusammen: Jeder, der dienstlich ins Ausland reist, braucht die A1-Bescheinigung, sonst verstößt er gegen geltendes Recht. Und es gibt keine Möglichkeit, das zu umgehen.
Ja, das ist richtig. Ich bin mehrfach angesprochen worden, ob die Universität bei „kleineren“ Dienstreisen, also z.B. ohne Übernachtung, nicht eine Ausnahme machen könnte oder ob man diese Bescheinigungen nicht auch pauschal ausstellen könnte. Beides funktioniert leider nicht. Wann die Bescheinigung benötigt wird, wird nicht von uns entschieden, sondern es ist gesetzlich geregelt. Dass es keine gesetzliche Ausnahme für „Bagatellfälle“ gibt, ist ein Kritikpunkt, der derzeit auch die Politik beschäftigt. Eine Nachbesserung ist angekündigt, aber wann die kommen kann, ist unbekannt. Bis dahin gilt die Regelung wie beschrieben. Außerdem muss die Bescheinigung anlassbezogen beantragt werden, das heißt, bei Antragstellung ist anzugeben, in welchem Zeitraum und in welches Land die Dienstreise erfolgt.


Und was mache ich, wenn ich die Bescheinigung nicht habe?
Das ist die Gretchenfrage und letzten Endes das nicht auflösbare Dilemma für die Universität. Wir müssen unsere Beschäftigten auf die Rechtslage hinweisen. Wir können ihnen aber nicht generell sagen, wie sie sich verhalten sollen, wenn die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden können. Es wäre keine sinnvolle Lösung, für solche Fälle anzuordnen, dass eine Auslandsdienstreise ohne A1-Bescheinigung gar nicht stattfinden darf. Wir können aber auch nicht sagen, dass eine Dienstreise in jedem Fall auch ohne die Bescheinigung stattfinden soll. Die Universität darf ihre Beschäftigten nicht zum Rechtsbruch auffordern. Es bleibt also nur eine Risikoabwägung in jedem Einzelfall, die der oder die Reisende selbst vornehmen muss. Leider haben wir momentan noch keine Erfahrungswerte – z.B. konkrete Konsequenzen in einzelnen Staaten –, die man hierbei berücksichtigen könnte.

Die rechtliche Regelung

Eine Dienstreise ins Ausland, egal ob sie wenige Stunden dauert oder einen längeren Zeitraum umfasst, ist immer eine sogenannte Entsendung. Das ist bereits seit 2010 sozialversicherungsrechtlich wichtig, denn es gilt: Sobald eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer außerhalb Deutschlands tätig ist, muss sie oder er in dem jeweiligen Staat auch nachweisen, dass weiterhin deutsches Recht gilt und sie oder er hier sozialversichert ist. Der Nachweis erfolgt mit der A1-Bescheinigung. Innerhalb der EU ist das Verfahren zwischen allen Staaten standardisiert geregelt, auch die Antragstellung erfolgt seit Januar 2019 nur noch elektronisch. Mit allen anderen Staaten hat Deutschland in der Regel bilaterale Abkommen getroffen, die sich aber nicht immer über alle Sozialversicherungsarten erstrecken. Das bedeutet auch, dass in einigen Staaten Beiträge zu zahlen sind. Wer die Entsendebescheinigung nicht mitführt, muss zudem mit Sanktionen und Bußgeldern rechnen.

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