„Wir haben einen Schatz gefunden“

13.07.2011 von Silvio Kison in Studium und Lehre, Campus
Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU - Im Sommersemester wuselten wieder mehr als 1000 Grundschüler im Rahmen der Kinderuni durch die Martin-Luther-Universität. Die meisten von ihnen waren gekommen, um Vorlesungen zu lauschen und auf Expeditionen die Universität kennen zu lernen. Zudem hatten sich die Organisatoren etwas Neues ausgedacht: 57 Schüler aus zwei halleschen Schulen nahmen am ersten „Science Camp“ der MLU teil – und wurden zu Archäologen.
Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU
Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU (Foto: Michael Gebauer)

Ausgraben, präparieren und eine Ausstellung planen. Dinge, die Wissenschaftler normalerweise innerhalb vieler Jahre in mühevoller Kleinarbeit schaffen, mussten die Nachwuchsarchäologen innerhalb einer Woche bewältigen. Das ging natürlich nicht ohne gründliche Vorbereitung und gute Kooperationspartner.

Bereits ein Jahr zuvor begann Prof. Dr. Michael Gebauer vom Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik zusammen mit seiner Mitarbeiterin Karin Jarausch-Schilling mit der Planung. In der Woche des „Science Camps“ waren allein 25 Erwachsene mit der Betreuung der Grundschüler beschäftigt. „Wir haben hierzu auch das erste Mal gleich mit zwei unterschiedlichen Institutionen zusammengearbeitet – dem Landesmuseum für Vorgeschichte und dem Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas“, sagt Michael Gebauer, Leiter des Kinderuni-Teams.

Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU
Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU (Foto: Michael Gebauer)

Das sei auch wichtig gewesen, da neben dem pädagogischen Ansatz vor allem wissenschaftliche Inhalte kindgerecht vermittelt werden sollten. „Es ging uns darum, den Kindern die Grundzüge einer Ausgrabung am praktischen Beispiel zu vermitteln.“ Die Anmeldung zum Camp war prinzipiell für alle Schulen in Halle offen. Am Ende kamen drei Klassen aus zwei Schulen – die 4a und 4b der Grundschule Diesterweg und eine Klasse der Astrid-Lindgren-Schule für geistig behinderte Kinder. „Unser Anspruch war es, eine Inklusion zwischen den Schülern der beiden Schulen zu erreichen“, erklärt Gebauer.

Beile, Gefäße, Tonscherben

Bevor es mit der Arbeit losging wurden die Schüler in drei Abteilungen aufgeteilt – die Ausgrabungs-, Restaurations- und Präsentationsgruppe. Die Grabungsgruppe arbeitete in den Franckeschen Stiftungen. „Dafür wurde uns eine Fläche zur Verfügung gestellt, die wir als Ausgrabungsstätte umbauen konnten“, erklärt Johannes Litzel, der als Organisator von Seiten des Instituts für Kunstgeschichte und Archäologien Europas für die Ausgrabung zuständig war.

Insgesamt hatte der Ausgrabungsbereich eine Fläche von 16 Quadratmetern, und die Fundstücke lagen in einer Tiefe von 30 bis 35 Zentimetern. „Wir haben mit Hilfe eines Baggers samt Fahrer, den wir von der in den Stiftungen derzeit arbeitenden Baufirma geliehen bekamen, die Fläche vorbereitet“, so Litzel.

Danach vergruben er und seine vier Studierenden die Fundstücke. „Wir mussten vor allem darauf achten, dass die Kinder über die gesamte Woche verteilt etwas finden und nicht gleich am ersten Tag alles ausgraben. Einerseits, um sie am Ball zu halten, andererseits, um die Kinder in den anderen Gruppen regelmäßig mit neuen Funden beliefern zu können.“ Aus diesem Grund war es auch sehr wichtig, dass die Jungen und Mädchen bei der Ausgrabung nach wissenschaftlichen Kriterien vorgehen. Jeden Tag lieferte die Ausgrabungsgruppe Fundstücke, zum Beispiel ein Beil, altertümliche Gefäße oder auch einfache Tonscherben, im Landesmuseum ab, denn dort befanden sich die anderen beiden Gruppen.

Waschen, fotografieren, rekonstruieren

Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU
Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU (Foto: Michael Gebauer)

Im Landesmuseum für Vorgeschichte angekommen ging die Ausbeute direkt an die Restaurationsgruppe. Diese war mit der Dokumentation der Ausgrabung, der Aufbereitung beziehungsweise Säuberung und Datierung der Fundstücke beschäftigt. Bei der Arbeit standen den Kindern Museumspädagogen des Landesmuseums und Lehramtsstudierende als Betreuer zur Seite. „Wir sind vor allem als Mentoren und Ratgeber für die Studierenden aufgetreten, da wir durch unsere museumspädagogische Arbeit ja sehr viel Erfahrung mit Schulklassen haben“, erklärt Piak Schöne, einer der zuständigen Museumsangestellten.

In unterschiedliche Arbeitsbereiche eingeteilt herrschte bereits am Anfang der Woche reges Treiben. Während die einen gerade mehr über das Dokumentieren einer Ausstellung lernten – und jedes der Kinder am Tisch hoffte, dass es eine der begehrten Kameras ergattert, um die restliche Woche alles fotografieren zu können, was ihm vor die Linse kommt – hatten andere bereits die Ärmel hoch gekrempelt und stecken bis zu den Ellbogen in braunem Wasser. Ab und zu förderten die Schüler ein gereinigtes Fundstück zu Tage und legten es zum Trocknen auf ein Handtuch.

Andere saßen vor großen Tischen und rekonstruierten die Fundstücke, töpferten oder bastelten bronzezeitlichen beziehungsweise steinzeitlichen Schmuck. Dazwischen liefen immer wieder die Studierenden auf und ab, kontrollierten, erklärten und halfen den Schülern weiter.

Recherche, Plakate, Vitrinen

Nach der Restaurierung gingen die Stücke eine Etage tiefer. Ebenfalls im Landesmuseum befanden sich die restlichen Kinder – die Präsentationsgruppe. Hier ging es vor allem um die Vorbereitung der Ausstellung für die Fundstücke. Am Anfang der Woche saßen die Kinder noch still in einem Kreis und besprachen zusammen mit Studierenden und den Museumspädagogen, wie sie vorgehen wollen. Sie mussten sich entscheiden: Wie wollen wir ausstellen? Wie präsentieren wir die einzelnen Stücke?

Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU
Grundschüler als Archäologen im „Science Camp“ der MLU (Foto: Michael Gebauer)

An diesem Punkt war eine gute Arbeitsteilung gefragt. Viele Dinge mussten recherchiert, Plakate und Kärtchen geschrieben und die Präsentation der Ausstellung vorbereitet werden. Selbst die hierfür notwendigen Vitrinen fertigten die Kinder selbst an. „Ganz wie bei einer richtigen Ausstellungen eben“, merkte ein Mädchen während der Vorbereitung stolz an.

Kinder begeistert, Lehrer auch

Am Freitag war es dann auch endlich so weit. Die Ausstellung stand. Einige der Schüler legten noch einmal letzte Hand an und dann ging es ab in den großen Saal des Landesmuseums. Vor der Ausstellungseröffnung gab es eine kleine Präsentation der einzelnen Gruppen. Jede hatte einen Vortrag vorbereitet und präsentierte ihn bildreich mit selbst aufgenommenen Fotos.

„Unsere Gruppe hat ein Schwert gefunden“, erzählte zum Beispiel die zehnjährige Marie Pietzonka und verriet auch gleich im Anschluss: „Hätten wir aber nicht gefunden, wenn Herr Litzel uns nicht geholfen hätte.“ Für andere standen dagegen die neu geknüpften Freundschaften im Vordergrund. „Mir hat besonders die Zusammenarbeit mit den Kindern der anderen Schule gut gefallen“, meinte ein Mädchen der Astrid Lindgren Schule bei ihrer Präsentation.

Für andere war dagegen der leider etwas verregnete Donnerstag ziemlich aufregend. „Ich fand es mal gut zu sehen, wie es ist, so richtig im Matsch zu arbeiten“, erzählt Alec Matysiok. Gerade an diesem Tag haben sich trotz Regen einige Kinder an die Ausgrabung getraut und wurden belohnt. „Wir haben einen Schatz gefunden“, erzählten sie stolz am Tag der Ausstellung. Der Schatz war eine Keramikschale, eine Goldmedaille und eine Elfenbeinfigur.

Viele Helfer hinter den Kulissen

Nach der Präsentation der einzelnen Gruppen ging es dann dicht gedrängt in die Ausstellung. Jeder wollte der Erste sein und sich die Ergebnisse der einwöchigen Arbeit anschauen. Und am Ende waren sich die Kinder beider Schulen einig: „Das war eine sehr schöne Woche.“

Da stimmten auch die beiden Klassenlehrerinnen der Grundschule Diesterweg zu. „Wir waren beeindruckt, wie viel die Kinder in dieser Woche gelernt haben und wie gut und bereitwillig sich die Schüler gegenseitig geholfen haben“, sagte Annett Boose.

Das „Science Camp“ war mit enormen Vorbereitungen verbunden. Hinter den Kulissen haben neben den Mitarbeitern des Museums und der beiden Institute viele Menschen mitgeholfen, diesen Erfolg möglich zu machen. „Die Baufirma, die das Grabungsfeld vorbereitet hat, aber auch die Mitarbeiter des Instituts für Geologie, welche Busse für den Transport zur Verfügung gestellt haben, waren wichtige Unterstützer bei der Realisierung des Projekts“, bekräftigt Professor Gebauer. Das Projekt „Archäologie für Kinder“ des Seminars für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, seit einigen Jahren gefördert durch die Robert-Bosch-Stiftung Stuttgart, trug zusätzlich zum Gelingen bei.

Nach dem positiven Start des „Science Camps“ soll es auch im nächsten Jahr wieder als Teil der Kinderuniversität angeboten werden. Allerdings mit anderer Themenstellung. Zurzeit denken die Organisatoren über eine Zusammenarbeit mit dem Bergzoo Halle nach.

Die Kinderuni 2011 inkl. „Science Camp“ ist Thema eines Films, den Caroline Narr von der Filmhochschule Berlin im Auftrag des Kinderuni-Teams gedreht hat. Einen Trailer wird es demnächst auf dieser Seite geben, den gesamten Film später auf der Internetseite der Kinderuni.

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Kinderuni

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