Summen kranke Bienen anders?
Bienen sind ziemlich gesprächig. Will eine Arbeiterin von einer anderen gepflegt werden, gibt sie ein kurzes Summen von sich, Königinnen hingegen piepen. Bienen, die beinahe aneinanderstoßen, machen eine Art Hup-Geräusch. Und auch der bekannte Bienentanz, mit dem sich Arbeiterinnen verraten, wo es Futterquellen gibt, ist eigentlich ein Gesang. „Wenn wir in den Bienenstock hineinschauen, sehen wir das als Tanz, aber normalerweise ist es dort dunkel“, sagt Prof. Dr. Robert Paxton vom Institut für Biologie. Die Bienen schauen ihrer tanzenden Schwester nicht zu, sondern lauschen den Geräuschen, die sie dabei produziert. „Ein unterschätzter Teil der Kommunikation im Bienenstock läuft über Geräusche“, sagt Paxton.
Die Vermutung liegt daher nahe, dass die Geräusche auch etwas über den Zustand eines Bienenvolkes aussagen könnten. „Es ist gut möglich, dass manche davon Hinweise auf Krankheiten oder andere aufkommende Probleme sind“, sagt Paxton. Im Rahmen des europaweiten Forschungsprojekts „B-GOOD“, an dem insgesamt 17 Partner aus Biologie, Management und Soziologie beteiligt sind, testet seine Arbeitsgruppe den Prototypen eines digitalen Bienenstocks. Dabei handelt es sich um ein Metallkreuz mit verschiedenen Sensoren, das unter dem normalen Bienenstock angebracht wird und die erhobenen Daten direkt an eine App auf dem Smartphone verschickt. Die Sensoren messen permanent Temperatur sowie Gewicht des Bienenstocks und zeichnen die Geräusche aus dem Inneren auf. Der digitale Bienenstock wurde von der niederländischen Firma BEEP entwickelt und soll Imkern ermöglichen, aus der Ferne jederzeit den Zustand ihrer Bienenvölker zu überwachen.
Volle Gesundheitsüberwachung
Bisher ist allerdings noch zu wenig darüber bekannt, wann Bienen gesund sind und wann nicht. „Wir sprechen vom Bienenvolk als einer Art Superorganismus“, so Paxton. Es funktioniert nur im Kollektiv und lasse sich entsprechend schwierig untersuchen. Dass etwas nicht stimmt, sehen Imker oft erst, wenn ganze Völker sterben. Die neue Technik muss daher zunächst mit sehr vielen Daten gefüttert werden, um neue Muster zu erkennen. „Es geht darum, Definitionen für gesunde oder problematische Parameter herauszufinden“, sagt Paxton. „Dafür müssen wir sehr genau bestimmen, wie es den Völkern geht.“ Neben der Uni Halle haben noch sieben weitere über Europa verteilte Partner die neuen digitalen Bienenstöcke. Sie alle sammeln nun über ein Jahr lang neben den automatisiert aufgezeichneten Daten penibel per Hand Gesundheitsdaten der Bienen. Tabea Streicher, Doktorandin bei Paxton, schaut dafür wöchentlich nach ihnen. Sie sieht nach, ob die Königin da ist, ob sich die Bienen optisch normal verhalten und untersucht den Befall mit Varroamilben, dem gefährlichsten Bienenparasiten. Dafür zieht sie eine Schublade unter dem Bienenstock heraus und sieht nach, was sich dort angesammelt hat. „Die Milben kann man mit dem bloßen Auge erkennen“, erklärt Streicher.
Außerdem macht sie einmal im Monat eine sogenannte Top-Foto-Analyse. Das bedeutet, der Bienenstock wird geöffnet und von oben fotografiert. Mithilfe der Fotos wird die Anzahl der Bienen bestimmt. Drei Mal im Jahr kommt eine weit umfangreichere Analyse hinzu. Dann werden alle Rahmen, in denen die Bienen ihre Nester bauen, herausgenommen und vermessen. So lässt sich genau bestimmen, wie viele Bienen ein Volk hat, wie groß die Brut ist und wie viel Nahrung gesammelt wurde. Außerdem werden Proben aus dem Bienenstock an das Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald geschickt und auf diverse virale und bakterielle Krankheitserreger getestet. „Alle diese Daten, die wir aufnehmen, speisen wir in die App ein“, erklärt Streicher.
Bisher nehmen Imker Daten meist per Hand auf und nicht in einem derartigen Umfang. Doch je genauer das Wissen über den Gesundheitszustand, desto eher können die Forscher herausfinden, ob Temperatur, Gewicht oder Geräusche Aufschluss darüber geben, dass mit einem Bienenvolk etwas nicht in Ordnung ist. Es wäre zum Beispiel möglich, dass Bienen bestimmte Töne von sich geben, wenn sie krank sind. Wahrscheinlich werden sie außerdem lauter, bevor sie schwärmen, also bevor ein Teil des Volkes den Bienenstock verlässt – auch das ist eine wichtige Information für Imker. „Das Ziel ist, dass die App einen Alarm auslöst, sobald etwas nicht stimmt“, so Paxton. Sind die Forschungsinstitute fertig mit der Datenaufnahme und Entwicklung von Parametern, sollen Imker testen, ob die digitale Bienenstock-Überwachung in der Praxis funktioniert.
Hilfe für Imker
Die Echtzeit-Überwachung zeigt jedoch auch ohne den Alarm bereits Vorteile. Streicher hat beispielsweise das Thermometer in ein Brutnest gesteckt, also den Ort, an dem die Bienenlarven schlüpfen. Dort wird die Temperatur bei konstanten 35 Grad Celsius gehalten – egal wie warm oder kalt es außerhalb des Bienenstocks ist. „Das Schöne ist, dass ich jetzt in meine App gehen kann und sehe, in Kolonie 8 misst das Thermometer 35,6 Grad Celsius, dort ist also alles in Ordnung“, sagt Streicher. Sinkt die Temperatur, wurde das Brutnest verlassen – das kann ein Hinweis darauf sein, dass dort etwas nicht stimmt.
Das Projekt „B-GOOD“ geht jedoch noch weit über die digitale Überwachung der Bienenvölker hinaus. In einem weiteren Teilprojekt werden in Halle die genetischen Besonderheiten verschiedener Unterarten der Honigbiene Apis mellifera, die von den beteiligten Einrichtungen gehalten werden, untersucht. Das soll Auskunft darüber geben, welche genetischen Merkmale mit einer höheren Resistenz gegenüber Krankheitserregern, aber auch mit einer besonders guten Nahrungsausbeute zusammenhängen könnten.
Insgesamt soll „B-GOOD“ so ein Gesamtbild über die Gesundheit der Honigbiene in Europa geben. In weiteren Projekten geben aufwändige Vegetationsanalysen Aufschluss darüber, wo die Umwelt für Bienen besonders vorteilhaft ist. Es werden zudem Managementpraktiken und sozioökonomische Voraussetzungen für das Imkern untersucht. Am Ende soll nicht nur der digitale Bienenstock bereit für die Anwendung sein, sondern auch neue, schnelle Tests für Bienenviren und Pestizidbelastungen von Pflanzen. Das Projekt will die Voraussetzungen für gesunde Bienenpopulationen in Europa langfristig verbessern. „Es geht darum, Imker bei ihrer Arbeit zu unterstützen“, sagt Paxton. Besonders in Europa ist die Imkerei für viele Menschen nicht die Haupteinnahmequelle und die Zeit, die sie für ihre Bienen haben, entsprechend begrenzt. Die neuen Tools könnten sie dabei unterstützen, sich trotzdem bestmöglich um ihre Völker zu kümmern.