Studenten stellen aus: "Die Causa Christian Wolff"
In Halle ist Geschichte zum Greifen nah – so etwa die von Christian Wolff, dessen gelb verputztes Wohnhaus unweit vom Marktplatz heute das Stadtmuseum beherbergt. Wolff war Professor für Mathematik und Philosophie. Ein Universalgelehrter und Freidenker, der zur Strömung der Aufklärung gehörte. Den konservativen Kräften innerhalb der Friedrichs-Universität Halle war er deshalb ein Dorn im Auge. 1723 spitzte sich die Lage für Wolff zu und er wurde vom preußischen König Friedrich Wilhelm I. persönlich aus Preußen vertrieben. Ein prominenter Rauswurf, der innerhalb der akademischen Welt für Aufsehen sorgte. Was aber hatte Wolff getan?
„Mein Kollege Andreas Pečar und ich hatten daher die Idee, dieses wissenschaftliche Thema in einem Praxisprojekt mit den Studenten differenzierter darzustellen. Für die Studenten ist es eine gute Gelegenheit, die Berufspraxis anhand einer Ausstellung selbst zu gestalten“, ergänzt Zaunstöck. Susanne Stiller war eine der Teilnehmerinnen des Seminars. „Ein Jahr lang an dieser Ausstellung zu arbeiten, sie von A bis Z zu organisieren, war für mich eine neue und spannende Herausforderung“, sagt Stiller, die Kulturen der Aufklärung im Master studiert.
Viele Quellen und Objekte, die unmittelbar mit dem Konflikt in Zusammenhang stehen, haben die Seminarteilnehmer unter Leitung von Pečar und Zaunstöck zusammengetragen: Grafiken und Originaldrucke aus dem frühen 18. Jahrhundert, die Wolff und seine Kontrahenten zeigen, Studentenstammbücher, eine Gerichtsakte sowie Briefe von Wolff an August Hermann Francke und den König. „Die Ausstellung selbst konnten wir so gestalten, wie wir wollten, und auch die Inhalte selbst festlegen“, erzählt Susanne Stiller. „Von der Verlagsabteilung, den Lektoren, Archivaren und von den Dozenten haben wir sehr viel gelernt. Es war ein sehr kollegiales Zusammenarbeiten auf Augenhöhe.“
Die Hintergründe für Wolffs Rauswurf seien lange unvollständig oder verkürzt dargestellt worden, sagt Holger Zaunstöck: „Der Fall Wolff steht in der Wahrnehmung als Beispiel für den Konflikt zwischen Pietismus und Aufklärung. Also verkürzt gesagt: Rückschritt gegen Fortschritt. Die historischen Gegebenheiten aber waren komplexer.“, so der Historiker, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Franckeschen Stiftungen arbeitet und an der Uni lehrt. „Die Causa Christian Wolff“ ist ein Kooperationsprojekt der beiden Einrichtungen, das von Zaunstöck und Andreas Pečar geleitet wurde.
Die Kabinettausstellung ist vom 20. November 2015 bis 3. April 2016 in der Historischen Bibliothek der Franckeschen Stiftungen (Franckeplatz 1) im Haus 22 jeweils von Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Parallel zur Ausstellung erscheint das gleichnamige Begleitheft mit den Essays der Studenten. Es wird im Rahmen der Kleinen Schriften der Franckeschen Stiftungen herausgegeben und ist vor Ort erhältlich.