Es ist geschafft! Und nach der letzten Prüfung im Referendariat ist nun auch freie Zeit für den 2.000 Seiten langen Science-Fiction-Roman, den er sich gekauft hat. „Ich bin jetzt ein ehemaliger Seiteneinsteiger“, sagt Nils Kettmann. Oder anders formuliert: ein „ganz normaler Lehrer“. Bis 2018 hat er nach einem abgeschlossenen Studium der Anglistik, Amerikanistik und interkulturellen Wissenskommunikation noch bei einer Versicherung gearbeitet. Der Bürojob habe ihn aber nicht erfüllt, sagt Kettmann. Die Bewerbung als Seiteneinsteiger sei deshalb „genau das Richtige“ gewesen. Als Englisch-Lehrer wechselte er in den Schuldienst.

Kettmann gehörte auch zu den ersten, die an der MLU berufsbegleitend einen Zertifikatskurs als Seiteneinsteiger begonnen haben. 2020 hat die Universität das Qualifizierungsangebot gestartet. Die Lehrkräfte, die bereits an den Schulen im Einsatz waren, erwartete ein maßgeschneidertes Programm mit fachwissenschaftlichen, didaktischen und bildungswissenschaftlichen Modulen. Den Auftakt bildete ein Zertifikatskurs in den Fächern Deutsch und Englisch für die Sekundar- und Berufsschulen sowie Gymnasien. Zwei Jahre später baute die MLU das Programm aus und bot es auch für Grundschulen in den Fächern Deutsch und Mathematik an. Sie reagierte damit auf den anhaltend hohen Bedarf an Lehrkräften und die hohe Zahl an Seiteneinsteigern in Grundschulen. Ab dem Wintersemester 2024/25 wird das bestehende Angebot zudem um Förderschulen erweitert. Koordiniert wird es von Beginn an vom Zentrum für Lehrer*innenbildung (ZLB) der MLU im Auftrag des Bildungsministeriums und unter Berücksichtigung der Vorgaben der Kultusministerkonferenz.

Aktuell studieren mehr als 100 Lehrkräfte im Seiteneinstieg an der Universität Halle. Die ersten Zertifikate, gleichzeitig Lehrbefähigung für die jeweiligen Fächer in Sachsen-Anhalt, konnten im März 2023 von Rektorin Prof. Dr. Claudia Becker ausgereicht werden. „Darauf, dass Sie diese Mehrbelastung erfolgreich gemeistert haben, können Sie mit Recht stolz sein. Und wir sind es mit Ihnen“, sagte sie damals zu den Absolventen. Zu ihnen gehörte auch Nils Kettmann. Vier Semester lang hieß es für ihn zuvor: vormittags Unterricht in seiner Schule in Mücheln im Saalekreis, nachmittags Unterrichtsvor- und Nachbereitung, abends Vorbereitung für den nächsten Studientag. Einen Tag pro Woche ging es an die Uni. Die MLU, insbesondere das ZLB, habe das Bestmachbare ermöglicht, sagt Kettmann. Der akademische Anspruch war ihm wichtig. Trotzdem sei es, zumal in der Corona-Pandemie, eine große Belastung gewesen. Die nur mit Unterstützung seiner Familie – Kettmanns Kinder waren zum Start des Programms ein und drei Jahre alt – zu meistern war. Im Vorbereitungsdienst, den er direkt anschloss, habe er viel von der Ausbildung an der Uni zehren können, sich im Fach Deutsch sicher gefühlt. Sein Urteil: „Ein straffes Programm, aber es bringt wirklich etwas.“