"Nur so lässt sich die Pietismus-Nuss knacken"

08.10.2012 von Corinna Bertz in Im Fokus
Forschungsfragen halten sich nicht an Fächergrenzen. Für die interdisziplinäre Zusammenarbeit sind Fakultäts- und Institutsstrukturen oft eher hinderlich. Um fächerübergreifenden Themen Raum zu geben, sind an der MLU 1993 die ersten Interdisziplinären Wissenschaftlichen Zentren gegründet worden. Mittlerweile gibt es davon zwölf. Seit 2007 sind vier Interdisziplinäre Wissenschaftliche Einrichtungen (IWE) hinzugekommen.

Wie und wozu wird dort interdisziplinär zusammengearbeitet? scientia halensis hat nachgefragt, interdisziplinäre Praktiker aus verschiedenen Zentren und Einrichtungen haben geantwortet. Den Auftakt macht Dr. Christian Soboth, Geschäftsführender Assistent am Zentrum für Pietismusforschung mit Sitz in den Franckeschen Stiftungen.

Wie wird am Zentrum für Pietismusforschung interdisziplinär geforscht?

Dr. Christian Soboth: Bei uns schlägt sich die Interdisziplinarität in den Strukturen und Formaten des Zentrums nieder. In Forschungskolloquien, Arbeitskreisen, Tagungen und internationalen Kongressen treffen Wissenschaftler verschiedener Disziplinen aufeinander. Im Zentrum arbeiten zum Beispiel historische Musikwissenschaftler, Sprach- und Literaturwissenschaftler, Kunst- und Kirchenhistoriker zusammen. Auch der wissenschaftliche Beirat ist interdisziplinär zusammengesetzt und unsere Publikationen sind entsprechend angelegt. Interdisziplinarität kann hier natürlich nur auf gesicherten disziplinären Grundlagen stattfinden.

Der Pietismus (vom lateinischen 'pius' = fromm) ist die bedeutendste Reformbewegung des Protestantismus seit der Reformation.
Der Pietismus (vom lateinischen 'pius' = fromm) ist die bedeutendste Reformbewegung des Protestantismus seit der Reformation. (Foto: Tatiana Belova / lia)

Warum ist diese Interdisziplinarität überhaupt notwendig?

Nur wenn wir mit Kollegen anderer Fächer ins Gespräch kommen und ihre Expertise anfordern, können wir unserem historischen Forschungsgegenstand gerecht werden. Zurzeit beschäftigen wir uns mit dem Phänomen der Medien sowie mit bestimmten Formen der Kommunikation im Pietismus. Auch die Genderproblematik spielt eine Rolle. Diese Themen verlangen Fächervielfalt. Dem Pietismus in all seinen Nuancen und seiner Vielfalt zu begegnen – das ist nur interdisziplinär zu schaffen.

Der Pietismus ist auch in sich interdisziplinär gestaffelt. Er ist lange Zeit als ein theologisches Phänomen behandelt worden. In jüngerer Zeit wurden die Einflüsse, die er auf die Pädagogik hatte, näher betrachtet. Der Pietismus wirkte ebenso auf die Literatur, auf die Medizin oder auf Musik, zum Beispiel in Form der Bet- und Singestunden in Halle. Am Zentrum versuchen wir, jeweils das Verhältnis dieser Bereiche zum Pietismus auszuloten. Nur so kann man die Pietismus-Nuss knacken.

Wie finden die Forscher am Zentrum eine gemeinsame, fächerübergreifende Sprache?

Zunächst gibt es ein gemeinsames Interesse am Forschungsgegenstand Pietismus. In den hermeneutisch-geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächern gibt es außerdem keine sehr großen Sprachdifferenzen. Eine gemeinsame Sprache finden wir vor allem dadurch, dass sich alle beteiligten Wissenschaftler dem Phänomen Pietismus von seinen Kulturpraktiken sowie von seiner Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte her nähern. Das verbindet die Forscher verschiedener Disziplinen.

Interdisziplinäre Zentren im Fokus

Teil 2: Zentrum für Innovationskompetenz "SiLi-nano"

Teil 3: Zentrum Medizin-Ethik-Recht

Teil 4: Zentrum für Schul- und Bildungsforschung

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