Kleine Organismen, große Wirkung?

30.09.2025 von Carolin Kremer in Wissenschaft, Forschung
Seine Forschung führt ihn manchmal in schwindelerregende Höhen: Der Biologe Dr. Peter Dietrich erforscht Mikroorganismen in und auf Bäumen, von der Krone bis hinunter zur Wurzel. Mit Hilfe modernster Sequenzierungstechnik will er verstehen, wie sich zum Beispiel der Klimawandel auf die Gemeinschaft dieser Organismen auswirkt und welche Folgen das wiederum für die Bäume hat.
Das Team um Peter Dietrich bei der Probenentnahme in Italien.
Das Team um Peter Dietrich bei der Probenentnahme in Italien. (Foto: Michael Köhler)

Wie der menschliche Körper bieten Pflanzen eine Heimat für unzählige Mikroorganismen: Bakterien, Pilze und zum Beispiel Viren bilden das sogenannte Mikrobiom, eine mikrobielle Gemeinschaft. Je nach deren Zusammensetzung können die Mikroorganismen die Gesundheit ihres Wirts und dessen Entwicklung fördern, ihn zum Beispiel vor Krankheitserregern schützen, oder aber ihn krank machen. Bei Pflanzen nennt man diese Gemeinschaft das Phytomikrobiom. Es umfasst sämtliche Mikroorganismen, die auf und in Pflanzen leben; von den Wurzeln über Blätter und Blüten bis hin zu den Samen. „Die Beziehung zwischen Pflanzen und einzelnen Mikroorganismen ist zum Teil gut erforscht. Wir wissen zum Beispiel, welche Pilze Pflanzen krank machen oder sogar töten können. Bislang kaum erforscht ist aber, wie sich Umweltstress, also zum Beispiel Trockenheit, Nährstoffmangel oder invasive Arten, auf die Zusammensetzung dieses mikrobiellen Netzwerks auswirkt“, sagt Dr. Peter Dietrich, der sich am Lehrstuhl für Geobotanik habilitiert.

Peter Dietrich (links) und Doktorand Michael Köhler im Labor - mit dem mobilen Gerät vor ihnen können die Proben sequenziert werden.
Peter Dietrich (links) und Doktorand Michael Köhler im Labor - mit dem mobilen Gerät vor ihnen können die Proben sequenziert werden. (Foto: Pia Helene Dubyk)

Mit einer Förderung der Bauer-Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Forschung über 180.000 Euro geht er dieser Frage nun im Detail nach. Durch das Geld konnte er seine eigene kleine Arbeitsgruppe aufbauen. Zum Kern-Team zählen neben ihm Michael Köhler, wissenschaftlicher Mitarbeiter, sowie Doktorand Alexander Sternberg. Als Untersuchungsort hat sich das Team Wälder ausgesucht, weil hier Klimawandel und Biodiversitätsverlust besonders deutlich zutage treten. „Das Besondere an unserer Herangehensweise ist, dass wir nicht nur einzelne Pflanzenteile betrachten, sondern das gesamte pflanzliche Mikrobiom von den Wurzeln bis zur Baumkrone analysieren“, sagt Peter Dietrich. „Mit diesem sogenannten holobiontischen Ansatz wollen wir die komplexen Wechselwirkungen zwischen Pflanze und Mikroorganismen besser verstehen.“

Untersucht werden dafür Standorte in Kanada, Italien und Deutschland, die Teil des internationalen Netzwerks IDENT (International Diversity Experiment Network with Trees) sind. Die dort betriebenen Versuchsflächen wurden gezielt verändert, etwa in ihrer Baumartenvielfalt, Wasserversorgung oder Nährstoffverfügbarkeit. 

Bevor im Labor die DNA analysiert wird, steht aber die Feldarbeit an. Ausgerüstet mit Leitern, Astscheren, Zip-Beuteln und Kühltaschen entnimmt das Team Proben von zufällig ausgewählten Bäumen. Dabei werden Wurzeln freigelegt, Stammstücke entnommen und Blätter in verschiedenen Höhen gesammelt. Um das mikrobielle Profil möglichst unverfälscht zu erhalten, werden die Proben sofort gekühlt. In einem provisorischen Feldlabor wird das gesammelte Material steril verarbeitet, zerkleinert und verpackt. Rund 900 Proben verschiedener Baumteile von neun Arten hat das Team bereits gesammelt. Jede muss Alexander Sternberg einzeln behandeln, um das Erbgut der Mikroorganismen zu gewinnen.

Zur Analyse setzen die Wissenschaftler auf eine in Deutschland noch recht neue Methode: die Nanopore-Sequenzierung. Im Gegensatz zu gängigen Technologien zur DNA-Analyse ist sie mobil, vergleichsweise kostengünstig und erlaubt die parallele Sequenzierung von bis zu 380 Proben direkt vor Ort – ohne Versandwege oder Wartezeiten. Gerade in internationalen Projekten ist das ein entscheidender Vorteil. „Pflanzliches Material darf häufig nicht über Ländergrenzen hinweg transportiert werden, weil so zum Beispiel auch Schädlinge oder invasive Arten eingeführt werden könnten“, erklärt Michael Köhler. 

Die eigentliche Herausforderung beginnt allerdings nach der Sequenzierung der Proben. Es fallen riesengroße, komplexe Datensätze an, für die es noch keine etablierten Analyseverfahren gibt. Das Team um Peter Dietrich arbeitet daran, diese Lücke zu schließen, um die Daten systematisch auszuwerten und aussagekräftige Erkenntnisse zu gewinnen. Ziel sei es, so Dietrich, „eine Antwort auf die Frage zu finden, ob und wie ein diverseres Umfeld – also eine Mischung verschiedener Nachbar-Baumarten – gegenüber eintönigen Monokulturen Vorteile bringt.“ Diese Vorteile könnten nicht nur die Baumarten selbst betreffen, sondern sich auch auf die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaften auswirken: eine vielfältigere Gemeinschaft mit mehr hilfreichen und weniger schädlichen Arten.  „Solche mikrobiellen Gemeinschaften fördern das Wachstum der Bäume und könnten auch dazu beitragen, dass sie Umweltstress wie Trockenheit besser verkraften. Das wäre ein weiterer Beleg dafür, dass mehr Vielfalt in unseren Wäldern nicht nur wünschenswert, sondern ökologisch notwendig ist – gerade auch im Hinblick auf den Klimawandel.“

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Biologie

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