Online-Lehre: Videos, viel Textarbeit und mehr Server
Johanna Kippe hat ihr sechstes Semester begonnen. Seit 2017 studiert sie auf das Lehramt an Förderschulen in den Fachrichtungen Körperbehindertenpädagogik und Geistigbehindertenpädagogik – nun allerdings wegen der Einschränkungen durch die Pandemie unter ganz anderen Bedingungen als geplant. Dass das Semester mit digitaler Lehre dennoch begonnen hat, findet sie richtig. „Man möchte ja weiterkommen im Studium“, sagt die künftige Pädagogin, die von „campus halensis“ seit Beginn ihres Studiums begleitet wird. Man spüre, dass sich die Lehrenden Gedanken machen, berichtet sie nach den ersten Tagen im Sommersemester 2020. Für ein Seminar in Allgemeiner Rehabilitations- und Integrationspädagogik stünden etwa begleitend Videos bereit.
Ansonsten sei viel Arbeit mit Texten angesagt, so die Studentin: Vorlesungsfolien werden mitsamt Literatur hochgeladen und man erarbeite sich das Thema selbst. Eine der Herausforderungen sei, in Stud.IP den Überblick über Chats und Arbeitsaufträge zu behalten. „Ich hoffe, dass da alle nach und nach reinwachsen.“ Ihr für die Semesterferien geplantes Praktikum habe sie nicht angetreten, vielleicht klappe es im August oder September.
Heinrich Reimer, der gerade an seiner Bachelorarbeit in der Informatik arbeitet und parallel bereits einige Master-Module belegt, sieht in der technischen Infrastruktur für die Online-Lehre die größte Herausforderung. Ihm sei es schon passiert, dass er auf Stud.IP nicht auf Vorlesungen zugreifen konnte. „Ich mache mir auch Gedanken über Studierende, die keinen guten Computer oder langsame Internetverbindungen haben“, sagt er. Und darüber, dass die Server der Universität an ihre Grenzen kommen.
Ulrich Klaus, Leiter des IT-Servicezentrums (ITZ) der Uni, sagt jedoch deutlich: „Wir haben vorgesorgt.“ So ist das System Opencast, mit dem die aufgezeichneten Videos von Vorlesungen verarbeitet und auf die einzelnen Veranstaltungen auf der Lernplattform ILIAS verteilt werden, von vier auf acht virtuelle Server aufgestockt worden. „Wenn das nicht reicht, gibt es weitere Handlungsmöglichkeiten, das System zu erweitern.“ Aktuell stehen dort 32 Terabyte als Speicherplatz zur Verfügung, verdoppelt wurde auch der Platz für Daten bei Stud.IP und ILIAS. Insgesamt sind nach einer Statistik des ITZ per Opencast seit Mitte März bereits 847 Aufzeichnungen verarbeitet worden. Zum Vergleich: Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 56. Mehr als verdoppelt hat sich die Zahl der in Stud.IP aktivierten Foren: von 238 im Wintersemester auf derzeit 584. Und: In den Logfiles von ILIAS ist bereits ein deutlicher Sprung der Besucherzahlen sichtbar.
Sehr viele Anfragen gebe es derzeit zu Passwort-Resets und zu technischen Fragen wie der Einrichtung des VPN, die übrigens auf den Seiten des ITZ erklärt sei, so Klaus. Neu aufgesetzt werde mit einer entsprechend großen Zahl an Servern derzeit ein Videokonferenzsystem BigBlueButton. Wenn alles gut läuft, könnte es bereits Ende der kommenden Woche, ansonsten in der 18. Kalenderwoche an den Start gehen. Zudem soll ein neues Chatsystem auch Studierenden offenstehen, die Absprachen dazu laufen aktuell.
„Ich bin gespannt, wie gut die geplanten Videokonferenzen zur Besprechung der Vorlesungen und Übungen funktionieren werden“, sagt Informatik-Student Heinrich Reimer. Interessant werde zudem, wie das Projektpraktikum oder Forschungsgruppenmodule umgesetzt werden, die eher schwer zu digitalisieren seien. Die größten Änderungen sieht auch Biologie-Student Leon Stüwe in den Praktika. „Zu diesen wissen wir bis jetzt nicht sehr viel“, sagt der Bachelor-Student. Allerdings seien die Theorieteile der Praktika schon zur Verfügung gestellt worden. Es gebe auch schon einige Online-Vorlesungen als sprachlich unterlegte PowerPoint-Folien oder Videos mit Lehrenden. Für ein geplantes Modul habe er sich jedoch nicht anmelden können, da ihm dafür eine Prüfung fehle, die er im April geschrieben hätte. „Ich hoffe, dass sich da noch Lösungen finden und ich das Modul trotzdem anmelden kann“, so Stüwe.
Wird dieses ungewöhnliche Semester die Lehre auch langfristig verändern? Sowohl Studierende als auch Lehrende würden sicher neue Lernkonzepte kennenlernen, die auch später die Präsenzlehre unterstützen können, findet Heinrich Reimer. „Trotzdem halte ich die persönliche und unmittelbare Kommunikation mit Dozenten für unersetzbar.“