Ein Leben für die Wissenschaft: Zum Tod von Karl Strehmel

29.05.2024 von Prof. Dr. Rüdiger Weiner in Personalia
Er war langjähriger Forscher an der Universität und Begründer einer der weltweit wichtigsten Tagungen auf dem Gebiet der Numerik von Differentialgleichungen: Im Dezember 2023 ist der Mathematiker Prof. Dr. Karl Strehmel im Alter von 89 Jahren verstorben. Prof. Dr. Rüdiger Weiner hat im Namen von Schülern und Kollegen einen Nachruf verfasst.
Karl Strehmel
Karl Strehmel (Foto: privat)

Mit großer Bestürzung haben wir im Dezember 2023 vom Tod unseres akademischen Lehrers und Kollegen Karl Strehmel erfahren. Karl Strehmel wurde 1934 in Bad Tennstedt geboren. Nach dem Abitur in Gotha nahm er ein Mathematikstudium an der Universität Jena auf, das er 1961 mit dem Diplom abschloss. Danach arbeitete er zwei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Carl Zeiss Jena. Hier hatte er erstmals intensiven Kontakt mit numerischen Methoden für gewöhnliche Differentialgleichungen, das Thema, dem er sich dann in seiner weiteren wissenschaftlichen Tätigkeit erfolgreich widmen sollte. Von 1962 bis 1968 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rechenzentrum der Martin-Luther-Universität. 1968 verteidigte er seine Dissertation zum Thema „Ermittlung symmetrischer Profilströmungen nach der Hodographenmethode bei kritischer Anströmung”, 1977 folgte die Promotion B (Habilitation) mit der Arbeit „Näherungsmethoden zur Ermittlung von ebenen stationären transsonischen Profilströmungen mit Verdichtungsstößen nach der Hodographenmethode“. Die weiteren Stationen seiner akademischen Laufbahn waren: wissenschaftlicher Assistent an der Sektion Mathematik der MLU 1968–1970, Hochschuldozent 1970, Außerordentlicher Professor 1989 und Berufung zum C4-Professor für „Numerik von Differentialgleichungen“ 1992.

Seine Lehrveranstaltungen hatten stets großen Zulauf, es gelang ihm, seine Studenten für die Numerik zu begeistern. Das resultierte in der erfolgreichen Betreuung von mehr als 60 Diplomarbeiten. Mit großem Engagement baute er seine Forschungsgruppe zur Numerik von Differentialgleichungen an der MLU auf. In den Forschungsseminaren und in persönlichen Gesprächen fand ein reger Meinungsaustausch statt, neue Ideen wurden diskutiert. Karl Strehmel hatte immer ein offenes Ohr für Vorschläge, aber auch Probleme seiner Doktoranden. Aus der Forschungsgruppe gingen zahlreiche Promotionen und Habilitationen hervor. Die wissenschaftlichen Ergebnisse fanden ihren Niederschlag in drei Monographien mit Koautoren aus der Arbeitsgruppe und in zahlreichen Publikationen in renommierten internationalen Zeitschriften. 1982 wurde die Arbeitsgruppe mit dem Forschungspreis der MLU für Leistungen auf dem Gebiet der numerischen Behandlung steifer Differentialgleichungen ausgezeichnet.

Eine herausragende Leistung von Karl Strehmel ist die Begründung der internationalen Tagungsreihe „NUMDIFF“. Die erste Veranstaltung fand 1981 statt, zu einer Zeit, da es sehr kompliziert war, mit Wissenschaftlern aus dem westlichen Ausland in fachlichen Austausch zu kommen. Er stellte sich damals das Ziel, eine Plattform zu schaffen, wo Wissenschaftler auf dem Gebiet der Numerik von Differentialgleichungen aus Ost und West gegenseitig ihre Forschungsergebnisse präsentieren, Erfahrungen und Ideen austauschen konnten. Diese Idee wurde zu einer Erfolgsgeschichte, in diesem Jahr findet bereits NUMDIFF-17 statt. Die NUMDIFF-Konferenzen gehören heute zu den wichtigsten Tagungen auf dem Gebiet der Numerik von Differentialgleichungen weltweit. Eine Tradition, die ohne das unermüdliche Wirken von Karl Strehmel nicht möglich gewesen wäre und die inzwischen von seinen Schülern erfolgreich fortgesetzt wird. Regelmäßig kommen über 100 Teilnehmer aus der ganzen Welt zu NUMDIFF. Die vorgestellten Ergebnisse werden in international anerkannten, referierten Zeitschriften publiziert.

Neben der Forschung wirkte Karl Strehmel auch aktiv in verschiedenen Gremien der Universität mit. In der turbulenten Nach-Wendezeit war er wesentlich an der Neuformierung der Mathematik in Halle beteiligt. Von 1990 bis 1995 war er Sprecher des Fachbereiches. 1999 wurde er emeritiert, ohne aber tatsächlich in den Ruhestand zu gehen. Er war weiter wissenschaftlich tätig, so stellte er mit seinen Koautoren 2012 das Lehrbuch „Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen“ fertig. Auch wirkte er weiter tatkräftig im Forschungsseminar „Numerik“ mit. In der ganzen Zeit behielt er stets Kontakt mit seinen ehemaligen Schülern und Kollegen.

Wir, seine Schüler und Kollegen, vermissen Karl Strehmel, die anregenden Diskussionen mit ihm. Wir sind dankbar für die gemeinsame Zeit.

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Prof. Dr. Rüdiger Weiner war von 1993 bis 2019 Professor für Wissenschaftliches Rechnen am Fachbereich Mathematik und Informatik und am Institut für Mathematik.

 

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