„Leuchtturm in die Welt“: 150 Jahre Germanistik an der Uni Halle

Zu Beginn der Festveranstaltung begrüßte Prof. Dr. Stephan Pabst, stellvertretender geschäftsführender Direktor des Germanistischen Instituts, die Gäste in der Aula, unter denen auch viele Alumni waren. „Wir feiern 150 Jahre Germanistik an der Uni Halle“, sagte er und erinnerte an die Gründung des damaligen „Deutschen Seminars“ im Jahr 1875. Dass am Nachmittag bereits eine Ringvorlesung die wechselvolle Institutsgeschichte beleuchtet habe, sei ein schöner Auftakt des Festtags gewesen – Studierende hatten die Geschichte unter der Leitung von Altgermanistin Dr. Andrea Seidel erforscht und auf einer Website dokumentiert.
„Die Germanisten, diese furchtbaren Menschen, die nie einen Vers gemacht haben, aber wissen, wie er gemacht sein muß“, zitierte der Prorektor für Studium und Lehre Prof. Dr. Pablo Pirnay-Dummer den Dichter Gottfried Benn in seinem Grußwort. Und widersprach ihm entschieden: „Heute präsentiert sich die Philologie, insbesondere die Germanistik unserer Universität, als lebendiges, innovatives Fach mit gegenwartsbezogenen und gesellschaftlich relevanten Forschungs- und Lehrfeldern.“ Die Geschichte des Instituts sei nicht nur akademisches Beiwerk, sondern Grundlage seiner Identität – eine Verbindung von Sprachwissenschaft, Literaturforschung und Kulturgeschichte, die bis heute Maßstäbe setze.
Prof. Dr. Susanne Voigt-Zimmermann sprach anschließend in doppelter Rolle: als Dekanin der Philosophischen Fakultät II und als ehemalige Studentin des Instituts. Sie erinnerte sich an „sensationelle Vorlesungen, die immer wieder ein Genuss waren.“ Heute, so Voigt-Zimmermann, sei das Institut nicht nur die größte, sondern auch eine der profiliertesten Einheiten der Fakultät – und ein „Leuchtturm in die Welt“, insbesondere in der Aufklärungsforschung. Mit einer Frage schloss sie: „Was haben Thomas Mann, Rainer Maria Rilke und Edgar Wallace mit dem Germanistischen Institut gemeinsam? Und sie beantwortete sie auch gleich selbst: „Sie sind alle 1875 geboren. Ein gutes Omen!“
Nach den Grußworten wurde die Aula zum literarischen Raum: Nun kamen Daniela Danz und Lutz Seiler zu Wort, die einst selbst in Halle Germanistik studiert haben – und deren literarische Wege hier entscheidende Impulse erhielten. Im Gespräch mit Pabst und Seidel blickten sie zurück auf ihre Studienzeit und auf die Menschen und Momente, die sie währenddessen geprägt haben. Beide lasen jeweils aus Texten, die aus diesen prägenden Momenten entstanden sind: Danz aus ihren Gedichten und Seiler aus seinem mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „Kruso“.
Für Danz war Halle ein Ort des Übergangs: „Hier ging mein Schreiben in die Praxis über.“ Durch die Mediävistik, besonders in den Seminaren von Prof. Dr. Hans-Joachim Solms, habe sie einen Zugang zur Geschichte und zum „Leben dieses Landes“ gefunden. In ihren Gedichten – etwa „Sprengung der Schornsteine des Kraftwerks Vockerode“ oder „Kaskade der Arbeit“ – verdichten sich diese Erfahrungen zu poetischen Landschaften aus Arbeit, Erinnerung und Sprache, so beschreibt es Danz. „Ich liebe es, über das Lesen zu lesen, mehr als übers Schreiben“, sagt sie. Die Literaturwissenschaft nehme immer noch eine Rolle in ihrem Schreiben ein.
Lutz Seiler erinnerte sich an das Halle der späten 1980er Jahre, an eine Zeit der Umbrüche. Und an Lehrende, „die ihre eigenen Leidenschaften zum Thema gemacht haben – die waren magisch.“ Besonders eindrücklich sei ein Nietzsche-Seminar bei Dr. Rüdiger Ziemann gewesen: „Er ging nicht davon aus, dass wir Studenten dumm seien, sondern dass wir da gemeinsam an etwas Wichtigem arbeiten – an Literaturgeschichte.“ Diese Haltung habe ihn tief geprägt. In seinem Roman „Kruso“ ehrte Seiler Ziemann mit der Figur des „Dr. Z.“, der für den Germanistikstudenten Edgar Bendler im Buch ein Mentor ist. Passend dazu las Seiler an diesem Abend jene Szenen – und versetzte das Publikum für einen Moment zurück in die Hörsäle und die Atmosphäre vor fast 40 Jahren.
Und so stellte Stephan Pabst am Ende fest: „Wir haben heute die Verbindung von Literatur und Literaturwissenschaft gefeiert.“