Halbzeit in Sibirien

14.05.2014 von Ines Godazgar in Forschung, Wissenschaft
Wie schafft man es, die durch Klimaschwankungen und von falscher Bearbeitung ausgemergelten Böden in der russischen Kulunda-Steppe nachhaltiger zu nutzen? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines Verbundprojekts, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über fünf Jahre gefördert wird. Inzwischen ist Halbzeit und die ersten Ergebnisse liegen vor.
Die erste Lysimeter-Station in Sibirien: Das Lysimeter wird in den Boden eingelassen, um Daten zum Bodenwasserhaushalt erfassen zu können.
Die erste Lysimeter-Station in Sibirien: Das Lysimeter wird in den Boden eingelassen, um Daten zum Bodenwasserhaushalt erfassen zu können. (Foto: Stephan Eckart)

Die Ergebnisse stimmen optimistisch und sie zeigen: Russland kann beim Weizenanbau zu einem Global Player werden. „Dieses Ziel bis 2025 zu erreichen, hat sich die russische Regierung auf ihre Fahnen geschrieben“, sagt Prof. Dr. Manfred Frühauf. Der Geoökologe von der Martin-Luther-Universität ist Sprecher des Projekts, an dem 16 Partner aus Deutschland und Russland in 11 Teilprojekten zusammenarbeiten. Doch es geht um mehr.

Nachhaltige Landnutzung und die Reduzierung von Treibhausgasen sind wichtige Aspekte. Denn Böden sind der bedeutendste Kohlenstoffspeicher der festen Erdoberfläche. Werden sie exzessiv bearbeitet, wird Kohlenstoff freigesetzt, der sich mit Sauerstoff zum Treibhausgas Kohlendioxid verbindet. Schafft man es also, mehr Kohlenstoff im Boden zu speichern, dann ist das zugleich ein Beitrag zum Klimaschutz. Um das zu erreichen, laufen derzeit in der entlegenen westsibirischen Kulunda-Steppe in drei riesigen regionalen Betrieben diverse Versuchsanordnungen.

Wobei das Wort „Versuch“ nur ungenau die Dimension abbildet, um die es sich dabei handelt: Auf einem Testbetrieb mit rund 80.000 Hektar Anbaufläche stehen 50 Hektar zur Verfügung. 250 Bearbeitungsvarianten mit vier Kulturen werden dort getestet. Bei laufendem Anbaubetrieb experimentieren Wissenschaftler, Landwirte und ein deutsches Agrartechnik-Unternehmen vor Ort mit unterschiedlichen Bearbeitungs- und Fruchtfolgen. Dabei wird auf das bisher in der Region übliche Pflügen fast vollständig verzichtet.

Um nichts dem Zufall zu überlassen, wurde zudem moderne Technik nach Russland gebracht, mit deren Hilfe sich etwa nach einem Regenguss per Sonde der Wasserhaushalt in den unterschiedlich bearbeiteten Böden exakt nachvollziehen lässt. Diese Praxis hat enorme Vorteile. So können Wissenschaftler und Landwirte die optimale Variante der Landnutzung für die Boden- und Klimaverhältnisse ermitteln und damit den Erfordernissen des sich wandelnden Klimas gerecht werden. Erste Ergebnisse zeigen: Durch die Optimierung der verschiedenen Parameter erholen sich die Böden. Durch verbesserte Eigenschaften können letztlich auch die Erosion gesenkt und der Ertrag gesteigert werden. Derzeit, so Frühauf, liegt die Steigerung bei etwa 15 Prozent.

Ein Wert, der Wissenschaftler und Landwirte vor Ort gleichermaßen erstaunt hat. „Gerechnet auf die Fläche ist das ein Riesengewinn, den die Landwirte auch finanziell spüren“, sagt Frühauf. Weil im Boden auch wieder Kohlenstoff gespeichert wird, gibt es zugleich einen messbaren Effekt für das Klima. Manfred Frühauf kennt die Kulunda-Steppe wie kaum jemand sonst. Seit mehr als 20 Jahren unterhält er wissenschaftliche Kontakte zur dortigen Universität in Barnaul. Er weiß, wie schwer es manchmal ist, örtliche Akteure von einem Projekt wie dem seinen zu überzeugen und Verständnis dafür zu erreichen, dass alle Beteiligten profitieren.

Nur dann wird das Projekt über den Förderzeitraum hinaus von Erfolg gekrönt sein. „Russland tickt anders“, sagt Frühauf. Inzwischen habe man sich auf regionaler Ebene großes Ansehen erworben. Jetzt komme es darauf an, auch die Zentralregierung in Moskau auf den nachhaltigen Effekt und die Leuchtturmwirkung dieser Zusammenarbeit aufmerksam zu machen. Das ist ungleich schwerer, aber, so Frühauf: „Wir sind auf einem guten Weg.“

Das Projekt im Internet: www.kulunda.eu

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