Gute Arbeit in der Wissenschaft: „Betroffen sind alle“

08.06.2023 von Katrin Löwe in Campus, Hochschulpolitik
Die Uni Halle beteiligt sich ab dem 12. Juni an der bundesweiten Aktionswoche des „Netzwerks für Gute Arbeit in der Wissenschaft“, einem Zusammenschluss von Initiativen und Einzelpersonen aus dem akademischen Mittelbau, der sich für bessere Arbeitsbedingungen an Hochschulen einsetzt. Der Historiker Dr. Sven Jaros, seit August 2022 an der MLU, gehört zum Organisatonsteam in Halle. Im Interview erklärt er die Hintergründe und die Planungen.
Sven Jaros gehört zum Organisationsteam der Aktionswoche in Halle.
Sven Jaros gehört zum Organisationsteam der Aktionswoche in Halle. (Foto: Katrin Moeller)

Das Netzwerk setzt sich unter anderem für ein Ende der Kettenbefristungen in der Qualifikationsphase von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein. Spätestens nach der Promotion sollte die Entfristung aus Sicht des Netzwerks Standard sein, um eine berufliche und auch private Planung zu ermöglichen. Sie sind Postdoktorand. Resultiert Ihr Engagement aus persönlicher Betroffenheit?
Sven Jaros: Natürlich treibt mich das Thema um. Die bundesweite Debatte um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder #IchbinHanna habe ich intensiv verfolgt. Ich selbst werde vermutlich auch mit Anfang 40 noch nicht wissen, ob ich die Chance dazu bekomme, dauerhaft in der Wissenschaft bleiben zu können. Ein massives Problem ist zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Meine Frau ist Wissenschaftlerin, wir haben zwei Kinder. Und wir sehen schon, dass es schwierig ist, die Anforderungen zu erfüllen, um dauerhaft in der Wissenschaft zu bleiben: Auslandsaufenthalt, Publikationen, Drittmitteleinwerbung, Netzwerken – und das, wenn gerade im Winter viel Zeit nötig ist, um ein krankes Kind mal wieder von der Kita zum Arzt zu bringen.

Was war der konkrete Anlass, sich genau jetzt zu engagieren?
Im vergangenen Sommer wurde schon gemunkelt, dass eine Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes kommen wird. Als das Eckpunktepapier dafür im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht wurde, hat sich spontan eine kleine Arbeitsgruppe zusammengefunden, um Halle im Rahmen der bundesweiten Aktionswoche sichtbar zu machen. Sie besteht vor allem aus dem Mittelbau des Instituts für Geschichte. Wir haben aber auch den Kontakt zu Gewerkschaften, dem Personalrat, oder Initiativen wie „MLUnterfinanziert“ und der Promovierendenvertretung gesucht.

Der Gesetzentwurf war heftig umstritten und wurde zunächst zurückgezogen. Wie ist er bei Ihnen angekommen?
Mich hat vor allem enttäuscht, dass vom Bundesministerium für Bildung und Forschung kein Impuls für ein Gespräch zwischen Bund, Ländern und Hochschulen ausgegangen ist, um über eine umfassende Reform des Wissenschaftssystems nachzudenken. Es gab im Vorfeld eine unfassbar große Zahl von Studien und Positionspapieren dazu. Davon wurde kaum etwas zur Kenntnis genommen, stattdessen hat der Entwurf im Hinblick auf die PostDoc-Phase wieder nur an der Höchstbefristungsdauer für Verträge von Forschenden angesetzt. Für die Aktionswoche haben wir uns deshalb das Motto gegeben: informieren, diskutieren, vernetzen. Vor allem der erste Punkt ist mir wichtig, nicht nur, weil in dieser Woche der neue Gesetzentwurf vorgelegt wurde. Mit diesem hat das Ministerium nun noch einmal deutlich gemacht, dass von dort kein Vorstoß für neue Personalstrukturen zu erwarten ist. Die Aktionswoche muss also vielmehr Auftakt als Abschluss der Diskussion sein. Dafür braucht es Aufmerksamkeit. Ich habe das Gefühl, dass sehr viele im Wissenschaftsbereich gar nicht so genau wissen, was da in den vergangenen Jahren alles schon passiert ist.

Meinen Sie mit „viele im Wissenschaftsbereich“ viele Betroffene oder das Umfeld? Anders gefragt: Wen wollen Sie erreichen?
Es war uns wichtig, mit dem Personalrat zu reden, das nichtwissenschaftliche Personal dabeizuhaben, die Studierenden und natürlich die Professorinnen und Professoren. Betroffen sind meiner Meinung nach alle. Eine hohe Fluktuation im Mittelbau hat ja zum Beispiel Auswirkungen auf die Studierenden, deren Ansprechpartnerinnen und -partner ständig wechseln, oder auf die Verwaltung, die viele Verträge ausstellen muss. Uns geht es darum, wie wir insgesamt einen Wissenschaftsstandort mit Leben erfüllen wollen.

Was genau wird in der Aktionswoche in Halle stattfinden?
Ich darf ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass Halle bundesweit das vielleicht vielfältigste und dichteste Programm zu bieten hat. Zum Beginn und zum Abschluss gibt es im Löwengebäude ein Public Viewing der zentralen, bundesweiten Veranstaltung des Netzwerks. Mit zwei Aktionscafés auf dem Steintor-Campus und in Heide-Süd wollen wir im öffentlichen Raum sichtbar werden. Hier werden wir mit den Passantinnen und Passanten auch „Hanna ärger dich (nicht)“ spielen, wo wir durchaus ironisch auf manche Fallstricke des Systems aufmerksam machen wollen. Auf einer Podiumsdiskussion am Mittwochnachmittag wollen wir die Wechselwirkungen zwischen der bundesweiten Debatte und der konkreten Situation am Wissenschaftsstandort Halle diskutieren. Am Donnerstag beschäftigen wir uns dann unter anderem intensiv mit dem Forschungsstand. Wir diskutieren das Verhältnis von Mutterschaft und Wissenschaft und präsentieren Studien über die Auswirkungen befristeter Beschäftigungen sowie die Perspektive für studentische Beschäftigte.

Das komplette Programm unter: https://hisgoespub.hypotheses.org/1975

 

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