Flexible Werkzeuge für Pflanzenpathogene und Biotechnologie

20.03.2014 von Ute Olbertz in Forschung, Wissenschaft
Forscher der Universität Halle konnten zeigen, dass sogenannte TALEs, die in den vergangenen Jahren einen kometenhaften Aufstieg als vielseitiges Werkzeug der Biotechnologie verzeichneten, flexibler funktionieren können, als bisher bekannt. TALEs sind Proteine, die in bakteriellen Krankheitserregern von Pflanzen entdeckt wurden. Die Arbeiten der Forscher wurden im März 2014 in der renommierten Zeitschrift Nature Communications online veröffentlicht.
Dr. Jens Boch
Dr. Jens Boch (Foto: Maike Glöckner)

„Diese Xanthomonas-Bakterien verursachen weltweit hohe Ertragsverluste bei einer großen Zahl verschiedener Nutzpflanzen“, sagt der Pflanzengenetiker Dr. Jens Boch. „Zur Infektion bringen die Bakterien einen Cocktail bakterieller Proteine, sogenannte Effektoren, in die befallenen Pflanzenzellen ein.“ Ein Teil dieser Effektoren sei in der Lage, die Pflanzenzellen zum Nutzen des Bakteriums umzuprogrammieren, indem sie spezifisch Pflanzengene anschalten.

Die Funktionsweise der TALEs (transcription activator-like effectors) wurde im Jahr 2009 durch die Forschergruppen um Dr. Jens Boch und Prof. Dr. Ulla Bonas in einer Meilenstein-Publikation in Science aufgeklärt. Um Pflanzengene anzuschalten, müssen TALEs an die DNA der Wirtszelle binden. Diese Bindung erfolgt durch einen Abschnitt im TALE, der aus sich regelmäßig wiederholenden Aminosäuren, sogenannten Repeats besteht.

Die Auswahl der gebundenen DNA-Sequenzen hängt wiederum nur von zwei Aminosäuren innerhalb eines jeden Repeats ab. Die Entdeckung dieses Bindemechanismus revolutionierte in den folgenden Jahren die Biotechnologie. Durch die Vorhersagbarkeit der DNA-Bindung ergab sich nun die Möglichkeit, Proteine mit gewünschter Funktionalität zielgerichtet an bestimmte Bereiche der DNA zu bringen, um dort gewünschte Effekte hervorzurufen.

Forscher um Dr. Jens Boch haben nun entdeckt, dass es durchaus Abweichungen von dieser Regelmäßigkeit der Bindung geben kann. „Einige der Repeats in natürlich vorkommenden TALEs besitzen eine deutlich größere oder kleinere Anzahl von Aminosäuren als üblich“, erklärt Jens Boch, der schon seit geraumer Zeit die Vermutung hatte, dass diese anomalen Repeats einen deutlichen Einfluss auf TALEs haben: „TALEs binden in einer ganz regelmäßigen Art und Weise an die DNA Doppelhelix. Wenn ein Repeat aus der Reihe tanzt, sollte das gravierende Folgen auf die gesamte Funktion haben.“

Ein weiterer Hinweis ergab sich aus der Betrachtung computergestützter Vorhersagen möglicher Zielsequenzen von TALEs. Im vergangenen Jahr wurde an der MLU unter Beteiligung der Forschergruppen um Dr. Jens Boch, Prof. Dr. Ulla Bonas (Institut für Biologie), sowie Dr. Jan Grau und Prof. Dr.-Ing. Stefan Posch (Institut für Informatik) ein Computerprogramm zur Vorhersage von TALE-Zielen entwickelt und in der Zeitschrift PLOS Computational Biology publiziert.

„Die allermeisten unserer Vorhersagen für TALEs mit bekannten Zielgenen waren sehr gut und die korrekten Ziele fanden sich fast immer auf den ersten Plätzen. Es gab jedoch deutliche Ausnahmen, die wir uns zunächst nicht erklären konnten. Dann stellten wir fest, dass dies gerade solche TALEs mit anomalen Repeats betraf“, so Dr. Jan Grau, Hauptentwickler des Vorhersageprograms.

Motiviert von dieser Entdeckung begannen die Forscher um Dr. Jens Boch mit dem experimentellen Teil der Arbeit: der Untersuchung der Bindung anomaler Repeats an die DNA mit molekularbiologischen Methoden. In den Experimenten konnten die Doktorandinnen Annekatrin Richter und Jana Streubel, die Erstautorinnen der Publikation, sowie die Bachelor-Studentin Christina Blücher und der Doktorand Maik Reschke aus der Arbeitsgruppe zeigen, dass anomale Repeats zwei Bindemodi besitzen.

Zum einen können sie in der gleichen Art und Weise an die DNA binden, wie normale Repeats. Zum anderen besteht aber auch die Möglichkeit, dass ein anomaler Repeat aus der regelmäßigen Anordnung ausschert und alle folgenden Repeats eine Position auf der DNA nach vorne rücken. So lassen sich zwei unterschiedliche Zielsequenzen erkennen. Dr. Jens Boch meint dazu: „Dass diese Ausnahme von der regelmäßigen TALE-Struktur zu einer neuen Funktion führt ist wirklich erstaunlich und zeigt, wie wandelbar und erfinderisch die Natur ist.“

Diese Entdeckung hat große Auswirkungen auf die Züchtung und Selektion resistenter Pflanzensorten, die nicht mehr durch Xanthomonas-Bakterien befallen werden können. Ein natürlicher Resistenzmechanismus ist die Mutation der TALE-Bindesequenz. Solche Mutationen können aber durch die anomalen Repeats ausgeglichen und eine Resistenz somit verhindert werden. Auch für die vielfältigen Anwendungen von TAL-Effektoren in der Biotechnologie ist diese Entdeckung relevant, da sie erlaubt unterschiedliche Kopien eines Gens im Erbgut gleichzeitig zu erkennen.

Artikel Nature-Communications: "A TAL effector repeat architecture for frameshift binding" Mehr über die Arbeit von Jens Boch im Onlinemagazin

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