Exzellenzstrategie: „Die Enttäuschung ist groß, aber es geht weiter“
Herr Bron, wie haben Sie reagiert, als Sie die Liste der Projekte gesehen haben, die von der DFG zur Vollantragsstellung aufgerufen wurden?
Michael Bron: Wir hatten uns mit drei Projekten beworben: mit einer Initiative aus dem Bereich Materialwissenschaften, einer Skizze aus der Protein- und Pflanzenforschung und mit einem Verbundantrag zu Fragen „Dialektiken des Globalen“ im Rahmen des Universitätsbundes Halle-Jena-Leipzig. Wir haben uns in Bereichen beworben, in denen wir mit den sehr großen und forschungsstarken Universitäten in Deutschland konkurrieren und unsere Chancen unklar waren. Dass wir mit keinem unserer drei Projekte die erste Hürde genommen haben, sorgt natürlich für große Enttäuschung. Aber so ist das – am Ende gibt es immer Projekte, die nicht erfolgreich abschneiden.
Viele der erfolgreichen Projekten sind an den großen Universitäten verortet. Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?
Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben. Zu einen ist es an größeren Universitäten sicherlich leichter, eine kritische Masse an exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu einem zukunftsweisenden Thema zusammenzubringen. Ich glaube aber, dass uns das trotz unserer geringeren Größe hervorragend gelungen ist. Darüber hinaus spielt sicherlich die internationale Sichtbarkeit eine Rolle, die wir uns langfristig erarbeiten müssen – in einigen Bereichen sind wir hier aber auch schon sehr weit. Letztendlich ist so etwas nicht nur, aber auch eine Frage des Geldes. Wir müssen hier der Realität ins Auge blicken: Je nach Bundesland haben Universität sehr unterschiedliche finanzielle Spielräume bei der Ausgestaltung von Professuren, Lehrstühlen und forschungsunterstützenden Strukturen. Das Land Sachsen-Anhalt stellt uns im Rahmen seiner Möglichkeiten zusätzliche Gelder für unsere Forschungsschwerpunkte zur Verfügung. Diese Gelder sind bei uns gut angelegt und wir sind sehr dankbar dafür. In anderen Regionen sind die Universitäten aber noch wesentlich besser ausgestattet. Das spiegelt sich auch in der Liste der Projekte wider, die nun einen Vollantrag einreichen dürfen.
Wie geht es jetzt in Halle weiter?
Wir werden eine ehrliche Ursachenanalyse betreiben, warum wir das Gutachtergremium nicht überzeugen konnten. Ich bin von der wissenschaftlichen Qualität unserer Anträge nach wie vor überzeugt. Jede Universität muss aber für sich entscheiden, ob sie nur einzelne Schwerpunkte oder eine breite wissenschaftliche Basis fördern möchte. Für die Universität Halle, mit ihren vielen Kleinen Fächern, gilt es, die Balance zu halten zwischen einer breiten wissenschaftlichen Basis, die teilweise exzellente Einzelforschung hervorbringt – und der Fokussierung auf Schwerpunkte. Dies hat Auswirkungen auf die strukturelle Gestaltung der Universität. Wir werden sicherlich nicht nur einzelne Bereiche fördern. Gleichzeitig werden wir aber weiter an unserer Strategie festhalten, langfristig exzellente Forschungsschwerpunkte aufzubauen, diese durch gezielte Berufungen und mit den Landesmitteln weiter entwickeln.
Hat die Arbeit an den Antragsskizzen dabei geholfen?
Die Arbeit war zeit- und ressourcenaufwendig, aber gewiss nicht vergebens. Sie hat uns geholfen, das wissenschaftliche Profil in den Forschungsschwerpunkten noch einmal zu schärfen und weiter zu entwickeln. Damit stehen wir auf einem hervorragenden Fundament für Anträge in anderen hochkompetitiven Förderprogrammen der Verbundforschung. Unser Dank gilt allen, die sich in diesem Prozess eingebracht haben. Unsere Forscherinnen und Forscher haben aber klugerweise auch nicht alles auf die eine Karte gesetzt: In vielen Bereichen sind in den letzten Monaten mehrere größere, vielversprechende Förderanträge auf den Weg gebracht worden. Auch ist die Vernetzung in den Geisteswissenschaften im Unibund Halle-Jena-Leipzig deutlich und nachhaltig gestärkt worden. Und auch das Proteinzentrum Charles Tanford, das gerade am Weinberg-Campus fertiggestellt wird, wird künftig neue Impulse in der Forschung setzen.
Braucht die Universität Halle die Exzellenzstrategie?
Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass wir uns nicht sehr über die Förderung gefreut hätten. Wenn ich mir aber die wissenschaftlichen Erfolge unserer Forscherinnen und Forscher anschaue, bleibe ich optimistisch: Das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig ist ein von der DFG gefördertes Forschungszentrum, das finanziell wie wissenschaftliche in derselben Liga wie ein Exzellenzcluster spielt. Die Universität betreibt Sonderforschungsbereiche, Forschergruppen und ist in vielen EU-geförderten Großprojekten involviert. Für uns geht es auch ohne die Exzellenzmittel erfolgreich weiter.
Kommentare
Constanze Pinske am 09.10.2017 08:50
Sehr schöner Beitrag Herr Leonhardt und sehr diplomatisch ausgedrückt Herr Bron! Ich sehe nicht, dass unsere Uni je eine Chance hat exzellent zu werden, da zentrale Infrastruktur fehlt und Regularien vom Forschen abhalten. Wieso muss ich auf ein PC Angebot 6 Wochen warten und es ist dann noch zu teuer aber ich darf kein anderes Gerät kaufen? Wieso muss ich für jede Ausgabe über 500€ drei Angebote einholen obwohl bei uns oft die Verbrauchsmittel teurer sind? Trotzdem wünsche ich viel Erfolg bei weiteren Anträgen!
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Anonymous am 09.10.2017 08:51
Ein sehr schöner Bericht und leider eine traurige sich wiederholende Gewohnheit, dass die Universität an Exzellenzanträgen scheitert. Ich kann mich nur meiner Vorrednerin anschließen und möchte aus meiner persönlichen Sicht etwas beisteuern. Exzellenz sollte eine Auszeichnung für vorbildliche Arbeit sein, welche an der Basis - den Wissenschaftlern (Promotionsstudenten & Postdocs) beginnt, sich bei der Entwicklung und Etablierung der von Strukturen im akademischen Umfeld fortsetzt und letzendlich erst dann in bestätigte Exzellenz mündet. Leider ist es jedoch (noch) so an der Universität Halle, dass eben jene Basis, welche Impulsgeber für exzellente Ideen ist und sein sollte, sich im universitären Alltag häufig mit Problemen konfrontiert sieht. So sind 50 Stundenwochen (bei Bezahlung von 20 oder 27 Stunden) für viele Wissenschaftler Alltag. Gleiches gilt für Betreuungslasten von nicht selten mehr als 3 Monaten im Jahr verursacht durch Praktika, Vorlesungen und Seminare - welche zwar notwendig für Exzellenz sind aber nicht selten ausschließlich von Promotionsstudenten getragen werden müssen, weil Postdocs und Professoren sich den Mühlen der bürokratischen Zwänge und dem Einwerben von Drittmitteln gegenübergestellt sehen. Ähnliche Hürden wurden an Fallbeispielen auch im Post zuvor geäußert. Ich möchte es aus meiner Sicht noch um den erschwerenden Punkt erweitern, nämlich das es Halle eine schlecht aufgestellte bis nicht vorhandene Postdoc-Kultur existiert. Hierdurch werden in letzter Instanz Promotionszeiten bis zum Maximum ausgereizt um Wissen, Techniken und Ideen im akadamischen Umfeld der Arbeitsgruppen zu wahren. Dies führt dazu, dass lediglich Idealisten der akademischen Sparte in ihrem späterem Karriereweg folgen und Reihe kluger Köpfe über kurz oder lang in die Wirtschaft abwandert und damit die Grundlage für Exzellenz schwindet bzw. nicht entstehen kann. Frei nach Aristoteles der einst folgende Worte äußerte: "Wir sind, was wir wiederholt tun. Exzellenz ist also nicht eine Handlung,sondern eine Gewohnheit.", sollte die Universität vielleicht darüber nachdenemken zunächst ihre Gewohnheiten zu ändern, um aus diesem Ansatz heraus wahre Exzellenz gewinnen. In diesem Sinne wünsche ich dennoch viel Glück bei folgenden Anträgen, da die MLU von ihrer akademischen Geschichte und den Beschäftigten, welche hier ein zu Hause gefunden haben und herrausragenden Forschung betreiben, sich irgendwann Exzellenz verdienen sollte.
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Stephan Feller am 09.10.2017 08:51
Frau Pinskes Punkt ist wichtig. In Oxford war mein neuer Laptop nach max. 7-10 Tagen da, in Halle hab ich über 4 Monate gewartet. Das nervt unglaublich und verhindert effektives Arbeiten.
Viele Bestellungen sind extrem bürokratisch. Erst dürfen wir Drittmittel einwerben und dann müssen wir umfangreich rechtfertigen wie/warum wir sie ausgeben.
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