Ein Gespräch über Gott und die Welt

14.05.2013 von Sarah Ludwig in Studium und Lehre, Campus
Religionen: Man glaubt über sie Bescheid zu wissen, aber wer genauer darüber nachdenkt, entdeckt viele Fragenzeichen. So erging es mir, als ich mich auf mein Gespräch mit Sara Ziane vorbereitete. Die 26-jährige Zahnmedizinstudentin ist eine der Initiatorinnen der Muslimischen Hochschulgemeinde (MHG), die im Juni 2012 in Halle gegründet wurde. Eine Einrichtung, die ich für selbstverständlich hielt. Sollte nicht jede Hochschule eine Hochschulgemeinde für Muslime haben? Weit gefehlt: Die MHG ist die erste in den neuen Bundesländern.

„Eines unserer Ziele ist es, Klischees und Vorurteile gegenüber dem Islam abzubauen“, erklärt Sara gleich am Anfang unseres Gesprächs. Ich gehe kurz in mich: Vorurteile habe ich keine, Klischees kenne ich zu genüge. Vielmehr will ich aus meinem Halbwissen Wissen machen. „Ihr müsst doch fünf Mal am Tag zu festen Zeiten beten. Wie funktioniert das im Unialltag?“, beginne ich mein Interview.

Sara Ziane (links) und zwei weitere Mitglieder der Muslimischen Hochschulgemeinde Halle, der ersten MHG in Ostdeutschland.
Sara Ziane (links) und zwei weitere Mitglieder der Muslimischen Hochschulgemeinde Halle, der ersten MHG in Ostdeutschland. (Foto: privat)

Sara lächelt und erklärt mir zunächst geduldig, wie genau das Beten funktioniert. Im Rhythmus der Sonne. Das erste Gebet zum Sonnenaufgang, das letzte zwei bis drei Stunden nach Sonnenuntergang. „Im Sommer ist das kein Problem. Wir haben auch circa eine halbe Stunde Zeit, um unser fünf bis zehnminütiges Gebet zu machen“, erzählt sie.

„Nur im Winter ist es problematisch, weil die Tage so kurz sind. Vor allem schaffen wir es kaum nach Hause, wenn wir Uni haben. Es wäre schön, wenn es einen Raum der Stille an der Uni geben würde. Einen Rückzugsort für alle Religionen.“ Auch dafür setzt sich die MHG ein und Sara erklärt mir noch einmal, wie wichtig der Austausch zwischen den Religionen für die Hochschulgemeinde ist. „Bei unserem Stammtisch und unseren Veranstaltungen ist jeder willkommen, der Interesse zeigt.“

„Zum Gebet gehört doch auch eine Art rituelle Reinigung“, führe ich das Gespräch fort und denke an das Waschen der Füße. Sara erklärt: „Ja, aber das geht schnell. Dreimal die Hände, dreimal das Gesicht, dreimal Mund und Nase ausspülen und eben auch die Füße.“ Danach folgt das Gebet, bei dessen Erklärung muss ich an eine Mischung aus Mediation und Yoga denken. Rezitieren von Gebetsversen, aufstehen, verbeugen und niederknien.

„Ich habe immer Gänsehaut, wenn ich daran denke, welche geistige Verbindung und Tiefe ich in diesem Moment spüre.“ Sara ist seit ihrer Geburt Muslime, betet seit sie sieben ist. Der Glaube ist tief in ihrer Kultur verwurzelt und hilft ihr auch bei alltäglichen Problemen weiter. Wie sie so von der Bedeutung des Glaubens in ihrem Leben und dem Miteinander unter den Muslimen erzählt, beginne ich zu verstehen, warum diese Hochschulgemeinde so wichtig ist.

Sie will ihren Mitgliedern eine Gemeinschaft und ein Zuhause schaffen. Das gilt für die internationalen Studenten und Wissenschaftler genauso, wie für die in Deutschland geborenen Muslime. Glauben kennt keine Stadt- oder Ländergrenzen, Gemeindeleben schon. Dass das für alle Religionen gilt, zeigt das Projekt „Glaube ∙ Gemeinschaft ∙ Geborgenheit“. Eine Website, die religionsübergreifend über viele Glaubensgemeinschaften in Halle informiert, Kontakte vermittelt und dabei helfen kann, Vorurteile abzubauen.

Aus dem geplanten Interview über die MHG wird schnell ein Gespräch über, ja, Gott und die Welt. Wir teilen unsere Gedanken und merken, dass Religionen zwar verschieden sein können, Glauben aber auf den gleichen Menschenwerten beruht. Sara erzählt vom Freitagsgebet, dem Ramadan und dass Jesus und Maria auch im Koran erwähnt werden. Ich bin erstaunt. Am Ende lädt sie mich zum Stammtisch der MHG ein: „Komm einfach vorbei. Wir freuen uns, wenn interessierte Menschen mit uns einen Abend verbringen.“ Warum eigentlich nicht, denke mir. Schließlich gibt es noch viel über den Islam und dessen Kultur in Erfahrung zu bringen.

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