Ein Behinderten-Sportplatz für Mansoura
Sie haben vor wenigen Jahren bereits eine Kooperation mit der Universität Mossul im Irak gestartet, um den Wiederaufbau universitärer Strukturen und sporttherapeutischer Angebote nach der Belagerung der Stadt durch den Islamischen Staat (IS) zu unterstützen. Jetzt folgt Ägypten. Wie ist dieses neue Projekt zustande gekommen?
Oliver Stoll: Das Irak-Projekt hat dazu geführt, dass wir viel im Mittleren und Nahen Osten unterwegs waren. Dabei haben wir überlegt, was wir auch in anderen Ländern der Region tun können – und es kam die Idee auf, über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) das Projekt in Ägypten zu beantragen. Dr. Saad ist gebürtiger Ägypter und dort extrem gut vernetzt. Begonnen haben wir im Wintersemester 2020/21, Projektpartner sind heute insgesamt sechs Hochschulen – neben der MLU und der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg die Universitäten in Mansoura, Alexandria und Damietta und Al-Arish.
Und warum Behindertensport?
Stoll: Wir wissen, dass das Thema dort ein Stiefkind ist. In Ägypten werden Kinder mit Behinderungen nicht auf Augenhöhe behandelt, sondern eher zu Hause versteckt. Ein Aspekt für uns ist also, sie zu integrieren. Inklusion zu ermöglichen, das heißt zum Beispiel Kinder und Jugendliche im Bereich Behindertensport zu fördern. Das ist auch bei uns in Deutschland ein Thema, wir sind nur sehr viel weiter.
Amr Saad: Ich habe vier Jahre am sportwissenschaftlichen Institut an der Mansoura-Universität gearbeitet. Über Behindertensport gab es da kaum Informationen, auch Studenten erfahren wenig darüber, wie sie später in dem Bereich lehren könnten. In einem Interview hat der Präsident des Paralympischen Komitees in Ägypten mir zudem erklärt, dass es künftig weniger Trainer in dem Bereich geben wird.
Stoll: Jetzt dagegen hat das Projekt schon so viel Aufmerksamkeit erregt, dass wir zum Minister für Jugend und Sport in Kairo eingeladen wurden, im Anschluss gab es eine große Pressekonferenz. Ich fand es sehr beachtlich, dass die Pläne bis in Regierungskreise vorgedrungen sind und das Ministerium inzwischen offensichtlich sensibilisiert ist für die Förderung von Behindertensport.
Wie sieht die Kooperation im Detail aus?
Stoll: Es gibt bilaterale Verträge – und neben der formalen Schiene auch schon eine inhaltliche: Es haben bisher sechs Workshops stattgefunden.
Die sich mit welchen Themen befassen?
Saad: Zum Beispiel mit dem Thema Ernährung, pädagogischer Arbeit mit den Eltern von behinderten Kindern, dem gemeinsamen Sport von behinderten und nichtbehinderten Menschen oder auch dem wertschätzenden Umgang miteinander.
Zusätzlich zu dem Wissenstransfer gab es auch einen ganz praktischen Ansatz, richtig?
Stoll: Ja. In dem Projekt haben wir 6.500 Euro veranschlagt, um an der Mansoura-Universität den Aufbau einer Anlage für Behindertensport zu unterstützen. Da stehen jetzt neun Geräte, ein weiteres wird noch erwartet, die über das Projekt finanziert wurden und explizit auf das Training von Behinderten zugeschnitten sind. Das sind Geräte, wie wir sie aus Fitnessstudios kennen – modifiziert zum Beispiel für Rollstuhlfahrer oder für Menschen, die nach einer Operation keine Muskelkraft haben.
Was ist jetzt noch geplant?
Saad: Im Oktober wird es eine Konferenz in Hurghada geben. Parallel findet jetzt bereits Forschung statt, die Konferenz soll die ersten Pilotprojekte und ihre Effekte zeigen.
Stoll: Es wäre toll, wenn noch ähnliche Anlagen wie die in Mansoura entstehen. Das jetzige Projekt läuft nur über zwei Jahre, wir sind aber schon im Kontakt mit dem DAAD und bleiben dran.
Lassen Sie uns noch einmal zurück zum Ausgangspunkt kommen – Ihrem Projekt im Irak. Was konnten Sie dort erreichen?
Stoll: In Mossul wurden unter anderen obdachlose Waisenkinder mit Sporttherapie und Psychotherapie unterstützt, insgesamt bestimmt 150 bis 200. Die Konzepte dafür haben wir hier erstellt und vor Ort für die Kolleginnen und Kollegen Fortbildungen durchgeführt, quasi ein „Coach the Coach“. Der Kontakt besteht nach wie vor – und auch wenn das Projekt erst einmal ausgelaufen ist, gibt es Interesse an einer Fortsetzung.