Corona, Lehrkräftemangel, Digitalisierung: MLU richtet Großkongress aus
Das übergeordnete Thema „Krisen und Transformationen“ passt sehr gut zu unserer Zeit und auch nach Halle. Aber es klingt nicht speziell nach einem Thema der Erziehungswissenschaft, oder?
Tanja Sturm: Es gibt sogar sehr viele Bezüge zur Erziehungswissenschaft! Auch in Halle wird viel zu dem Thema gearbeitet: Bildungs- und Lernprozesse reagieren auf Krisen und sie sind auch selbst krisenhaft, weil wir dabei häufig gewohntes Terrain verlassen und uns auf Neues einlassen müssen. Aber auch pädagogisches Handeln hat starke Bezüge dazu, denn es findet immer in gesellschaftlichen Kontexten statt, die in der Region, lokal und global verankert sind. Hier sind Pädagoginnen und Pädagogen massiv gefordert, diese Themen in Schule, Erwachsenenbildung und Sozialer Arbeit einzubringen und mit Lernenden zu verhandeln.
Was meinen Sie damit konkret?
Denken Sie nur an die Corona-Pandemie und die Schulen. Es herrschte eine große Verunsicherung, die auch Schülerinnen und Schüler erlebt haben. Plötzlich war alles ganz anders als bisher. Schule, die vorher ganz wichtig war, wurde auf einmal verzichtbar, fand digital oder gar nicht statt. Denken Sie auch an die Digitalisierung und die Folgen für Schulen. Alle gesellschaftlichen Veränderungen haben eine starke Bedeutung für unser Fach, die Erziehungswissenschaft, und das pädagogische Handeln. Mit dem Kongress wollen wir Krisen und Transformationen als Möglichkeit zum Innehalten und Reflektieren verstehen.
Ein weiteres Krisenthema ist der bundesweite Lehrkräftemangel. Spielt dieser während der Tagung auch eine Rolle?
Ja, das Studium und die Bildung angehender Lehrerinnen und Lehrern sind ganz zentrale Themen auf dem Kongress. Dabei geht es um alle Facetten des Themas, von unterschiedlichen bildungspolitischen Paradigmen bis hin zur Bildung für nachhaltige Entwicklung und auch zu Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern. Grundsätzlich möchten wir aber über das dezidierte Kongressthema hinaus allen erziehungswissenschaftlichen Debatten Raum bieten.
Ich habe ins Programm geschaut: Bereits jetzt gibt es mehr als 225 Veranstaltungen. Da ist es natürlich schwierig, einzelne Punkte herauszunehmen, aber ich frage Sie trotzdem: Was sind die Highlights des Kongresses?
Ich finde, diese Vielfalt ist schon ein Highlight. Außerdem freue ich mich, dass wir Prof. Dr. Fabian Kessl von der Universität Wuppertal für den Eröffnungsvortrag gewinnen konnten. Er wird das Thema Krisen und Transformationen in seiner erziehungswissenschaftlichen Breite aufrollen. Eine Neuerung ist auch, dass wir vermehrt Vortragende aus dem Ausland eingeladen haben und der Kongress dadurch internationaler wird. Besonders freue ich mich, dass wir als DGfE-Vorstand Forschende aus dem Globalen Süden, also unter anderem Lateinamerika und Afrika, für die Teilnahme finanziell unterstützen konnten.
Inwiefern wird die hallesche Stadtbevölkerung etwas von dem Kongress mitbekommen?
Es gibt zum Beispiel die Auftaktveranstaltung am Sonntag, den 10. März, die sich dezidiert an alle Interessierten richtet. Das lokale Organisationskomitee organisiert gemeinsam mit dem Zentrum für Interdisziplinäre Regionalstudien ein interdisziplinäres Panel mit dem Thema „Krisen und Transformationen im Mitteldeutschen Revier“. Da kann jeder und jede Kongressluft schnuppern. Daran schließt sich der Begrüßungsabend zum Kongress an, der gemeinsam mit der Stadt Halle organisiert wird und zu dem auch die Stadtöffentlichkeit herzlich eingeladen ist. Außerdem haben wir ein Rahmenprogramm mit Kulturangeboten in Kinos und Theatern sowie Lesungen entwickelt, das sich gleichermaßen an die Menschen vor Ort wie unsere Kongressgäste richtet.
Wie lange bereiten Sie sich schon auf den Kongress vor?
Angefangen haben wir schon, bevor ich 2019 an die MLU kam. Ich war damals im Vorstand der DGfE und wir hatten bei den Kolleginnen und Kollegen in Halle angefragt, ob sie sich vorstellen könnten, einen so großen Kongress auszutragen. Damals hieß es „Ja“ und nun organisiert den Kongress ein wirklich großes und großartiges Team von mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Philosophischen Fakultät III – und zwar aus allen vier Instituten. Prof. Dr. Michael Ritter, Prof. Dr. Daniel Wrana und ich sind die Sprecher*innen des lokalen Organisationskomitees. Sabrina Grunau und Isabel Thaler arbeiten hauptamtlich für das Projekt. Das ist ein schönes gemeinsames Projekt, mit dem wir unsere Fakultät gegenüber der Fachwelt und auch gegenüber der Stadt und der Region präsentieren können.
Diese vielen Menschen sind auch nötig, um so eine große Veranstaltung zu planen …
Wobei das weit über unsere Kapazitäten hinausreicht. Wir haben mit zahlreichen Bereichen der universitären und städtischen Verwaltung zu tun und erfahren hier sehr viel Unterstützung. Die Franckeschen Stiftungen stellen uns nahezu all ihre Räume zur Verfügung. Nicht zuletzt unterstützt uns das Wissenschaftsministerium finanziell mit einer nicht unerheblichen Summe.
Das Thema des Kongresses dürfte für viele Mitglieder der MLU von Interesse sein. Können auch Fachfremde teilnehmen?
Ja, unbedingt. Wenn sie Interesse haben, können sie sich einfach an unsere Projektkoordinatorinnen Isabel Thaler und Sabrina Grunau wenden (dgfe2024@uni-halle.de), von denen sie die Anmeldemodalitäten für MLU-Angehörige erfahren.
Weitere Informationen zur Tagung unter: www.dgfe2024.de