Der Sportler mit dem Hang zur Tragik

26.03.2013 von Corinna Bertz in Studium und Lehre, Campus
Oliver Stoll? Wissenschaftler, Sportpsycholge, gefragter Kommentator, selbst ausdauernder Sportler – ihn kennt hier jeder. Seit nunmehr zehn Jahren hat er die Professur für Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sportpsychologie und Sportpädagogik an der Martin-Luther-Universität inne. Was viele nicht wissen: Seinen Vorteil, etwas von Wille und Disziplin zu verstehen, nutzt er auch auf ganz anderem Gebiet. Auf 88 Tasten. Grund genug ihn in der Reihe der „musizierenden Professoren“ vorzustellen.

„Angefangen hat es mit einem Besuch der Wiener Oper vor etwa drei Jahren. Der weckte in mir die Begeisterung für klassische Musik“, berichtet der 49-Jährige. Wie sich allerdings bald herausstellen sollte, berühren ihn Klavierkonzerte am meisten. Der Kinofilm „Shine“ (1996), der die Geschichte des australischen Pianisten David Helfgott erzählt und in dem Rachmaninows 3. Klavierkonzert eine zentrale Rolle spielt, leistete seinen Beitrag dazu, dass der Sportwissenschaftler kurzerhand den Entschluss fasste, sich ein Klavier zu besorgen.

Chopin? „Da fließt auch schon mal eine Träne.“ Oliver Stoll beim Üben zu Hause in Leipzig.
Chopin? „Da fließt auch schon mal eine Träne.“ Oliver Stoll beim Üben zu Hause in Leipzig. (Foto: Maike Glöckner)

„Ein halbes Jahr nach dem Opernbesuch hatte ich mir ein Yamaha P2 gekauft und nahm bald darauf ein- bis zweimal wöchentlich Unterricht“, so Stoll. „Mich reizt das Erlernen eines Stückes als Projekt. Habe ich es gemeistert, trenne ich mich von den Noten und spiele auswendig. Von da an geht es um die Interpretation.“

In „idealerweise 20 bis 30 Minuten täglich, realistischerweise eher einer Stunde pro Woche“ hat er sich bislang drei Projekte ausführlicher erarbeitet: Chopins Prélude op. 28 Nr. 4, den 2. Satz von Beethovens Klaviersonate Nr. 8 “Pathétique“ und Händels Sarabande aus der Chembalo-Suite Nr. 4 (HWV 437).

„Es war ein unglaubliches Gefühl, als ich das Prélude zum ersten Mal auswendig spielte. Die Freude über das Erlernte und die Melancholie des Stückes flossen dabei zusammen. Das hat mich tief bewegt“, erinnert sich Stoll.

Neben Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow, an dessen Kompositionen er sich (noch) nicht heranwagt, hat es ihm Frédéric Chopin besonders angetan. „Mit meiner Lebensgefährtin bin ich nach Paris gereist, um einen ganzheitlichen Eindruck von seinem Leben und Werk zu gewinnen“, erzählt Stoll. Die tragischen Momente ziehen ihn an Chopins Werk besonders an. „Offenbar habe ich einen Hang zu den Stücken, in denen sich die Verzweiflung der nicht erfüllten Liebe niederschlägt. Da fließt auch schon mal eine Träne.“

Und mit welchen Projekten soll es weitergehen? „Ich möchte auf jeden Fall noch mehr von den 24 Préludes lernen, die Chopin auf Mallorca komponierte. Und von Beethovens 2. Satz habe ich bisher nur das Thema gelernt.“ Als einstmals großer Beatles-, Pink Floyd- und Deep Purple-Fan kann Stoll sich zudem vorstellen, mit modernen Klassik-Pop-Kompositionen zu experimentieren.

Zwar ist der Sportpsychologe auch schon einmal aufgetreten, er zieht es jedoch vor, das Klavierspiel im Privaten zu betreiben. Freunden spielt er mal etwas vor, aber: „Es ist eine Passion, die ich für mich selbst lebe. Das Klavierspielen befreit meine Gedanken, bestimmt jedoch nicht meinen Tag.“ Aufgetreten ist der Sportpsychologe auch schon einmal. „Beim Burgfest habe ich eine Sängerin auf einem elektronischen Klavier begleitet, ohne vorher darauf üben zu können. Das war etwas gewöhnungsbedürftig.“ Melanie Zimmermann

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