Der Begründer des modernen Medizinrechts - Trauer um Hans-Ludwig Schreiber

03.11.2021 von Prof. Dr. Henning Rosenau in Personalia
Prof. Dr. Hans-Ludwig Schreiber war Gründungsdekan der Juristischen Fakultät der Uni Halle nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Am 23. Oktober ist er im Alter von 88 Jahren verstorben. Prof. Dr. Henning Rosenau, heutiger Dekan der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, hat einen Nachruf auf ihn verfasst.
Hans-Ludwig Schreiber
Hans-Ludwig Schreiber (Foto: Stefan Jungeblodt)

Die Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät trauert um Hans-Ludwig Schreiber (10.05.1933 – 23.10.2021). Hans-Ludwig Schreiber war 1991 bis 1992 erster Gründungsdekan der damaligen Juristischen Fakultät und hat durch sein Wirken die Grundlagen gelegt, die heute den Juristischen Bereich zu einem deutschlandweit regelmäßig hoch bewerteten haben werden lassen.

Hans-Ludwig Schreiber war von außerordentlicher Vitalität. Sein heller und schneller Verstand und seine von tiefer Toleranz geprägte Menschlichkeit haben ihm gerade in der Umbruchzeit in Halle maßgeblich geholfen. Er wurde bereits als Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gehandelt, als ihn seine alte Alma Mater, die Georg-August-Universität Göttingen, 1992 zum Präsidenten wählte. Dieses Amt hatte er nach einer Wiederwahl bis zur Altersgrenze 1998 inne.

In Göttingen war Hans-Ludwig Schreiber Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Allgemeine Rechtstheorie gewesen. Rufe nach Augsburg, Kiel, Graz, Hannover, Bielefeld, Mannheim und an das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht hat er ausgeschlagen. Vielleicht hat seine Liebe für die Musik, insbesondere für die Georg Friedrich Händels – lange Jahre war er Präsident der Händelfestspiele Göttingen –, den Ausschlag gegeben, dass er in Händels Vaterstadt Halle gekommen ist.

Hans-Ludwig Schreiber stand einer strengen Dogmatik und praxisfernen Wissenschaft skeptisch gegenüber. In der Medizin hat er das Betätigungsfeld gefunden, in dem er die verschiedenen Disziplinen zusammenführen konnte und die verkrampfte Beziehung zwischen verängstigter Ärzteschaft und kühl subsumierenden Juristen auflöste. Hans-Ludwig Schreiber wurde damit der Begründer des modernen Medizinrechts. Eine Einrichtung wie die des Interdisziplinären Wissenschaftlichen Zentrums Medizin – Ethik – Recht der MLU mit seinem einmaligen Studienangebot wäre ohne Hans-Ludwig Schreiber nicht denkbar. Die Medizinischen Fakultäten der Universität Göttingen und Halle würdigten ihn für diese Verdienste mit ihrer Ehrendoktorwürde.

Hans-Ludwig Schreiber war als engagierter und kommunikativer Lehrer ein Garant für volle Hörsäle. Er war ein leidenschaftlicher akademischer Lehrer, der seine Schülerinnen und Schüler nicht nur das Straf- und Medizinrecht, sondern auch Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen und Weltbildern lehrte und deren Herzen für die Kunst, insbesondere die Musik, öffnete. Sein Vorbild erstreckte sich zudem auf das wissenschafts- und hochschulpolitische Wirken. Er füllte zahlreiche Ämter aus. Er war unter anderem Gründungsdekan der Juristischen Fakultät der Universität Osnabrück, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Kuratoriumsvorsitzender der Volkswagenstiftung und langjähriger Vorsitzender der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer.

Die Fakultät verneigt sich vor einem begnadeten Wissenschaftler – vor einem großen Menschen.

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