Delegationsreise nach Armenien: Neue Impulse für Partnerschaften

15.10.2025 von Katrin Löwe in Internationales, Hochschulpolitik
Seit vielen Jahren pflegt die Universität Halle Partnerschaften in Armenien. Ausdruck dessen sind neben der MESROP Arbeitsstelle für Armenische Studien auch Kooperationen in weiteren Fächern wie der Theologie oder der Germanistik. Auf einer Delegationsreise in das südkaukasische Land wurden jetzt mehrere Verträge erneuert und neue Kontakte hergestellt. Rektorin Prof. Dr. Claudia Becker und der Leiter des International Office Dr. Boris Wille ziehen im Interview Bilanz.
Die Delegation der MLU bei ihrem Besuch im armenischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport: Boris Wille, Stanislau Paulau, Claudia Becker, Cornelia Horn, Ani Shahnazaryan und Gerd Schmidt (von links)
Die Delegation der MLU bei ihrem Besuch im armenischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport: Boris Wille, Stanislau Paulau, Claudia Becker, Cornelia Horn, Ani Shahnazaryan und Gerd Schmidt (von links) (Foto: Ministry of Education, Science, Culture and Sports, Republic of Armenia)

Die MLU verfügt mit MESROP über eine bundesweit einzigartige Forschungseinrichtung und ist über Universitätsverträge seit 2008 beziehungsweise 2018 mit Hochschulen in Armenien verbunden. Die Beziehungen selbst sind aber schon älter, richtig?
Becker: Korrekt. Schon bei der Gründung der Jerewaner Staatlichen Universität (JSU) vor mehr als 100 Jahren spielten armenische MLU-Absolventen eine Rolle. Später ist der 2010 verstorbene Theologe Hermann Goltz eine zentrale Figur, ein in Armenien hoch angesehener und hoch dotierter Professor der MLU, der hier 1998 Gründungsdirektor der MESROP Arbeitsstelle für armenische Studien war. Er ist zum Beispiel Ehrendoktor an der JSU, nach ihm sind ein Hörsaal an der JSU und ein Mediencenter an der Staatlichen Brjussow Universität Jerewan für Sprachen und Sozialwissenschaften benannt. Auf dieser Reputation und der seiner Nachfolgerin Armenuhi Drost-Abgarjan, die MESROP von 2010 bis 2022 geleitet hat, kann man aufbauen.

Es wurden drei Verträge erneuert, Universitätsverträge an den beiden schon genannten Universitäten und ein Institutsvertrag zwischen dem Orientalischen Institut der MLU und dem Mesrop-Maschtoz-Institut für alte Manuskripte, genannt Matenadaran. Was war die Intention?
Wille: Es gibt mit gemeinsamen Forschungsprojekten, Publikationen, Summer-Schools und dem Austausch von Forschenden und Studierenden bereits eine sehr lebendige Zusammenarbeit auf einer breiten fachlichen Ebene, die sich auch in der Zusammensetzung unserer Delegation spiegelt. Neben der Rektorin und mir gehörten dazu Cornelia Horn, Professorin für den Christlichen Orient und Byzanz sowie aktuelle MESROP-Direktorin, MESROP-Mitarbeiterin Dr. Ani Shahnazaryan, Junior-Professor Stanislau Paulau aus der Theologischen Fakultät und Dr. Gerd Schmidt für die Auslandsrepräsentanz der MLU in Kasachstan. Wir haben die bestehenden Verträge erneuert und quasi an die Realität angepasst. Vor allem haben wir aber gezeigt, dass die Zusammenarbeit mit Armenien nicht nur eine Sache einzelner Professuren ist, sondern ein institutionelles Interesse besteht. Das ist uns gelungen.

Becker: Wir hatten an beiden Hochschulen auch Treffen mit Fakultätsvertretern, in einer Art Workshop. Das war atmosphärisch sehr spannend, weil der Raum sofort voll mit Gesprächen war, nachdem sich die Anfangsscheu erst einmal gelegt hatte. Die Dekanin der Philosophischen Fakultät II Prof. Dr. Susanne Voigt-Zimmermann, die leider nicht mitreisen konnte, hat während unserer Reise via Videokonferenz Kontakt aufgenommen. An der Fakultät gibt es auch in einer Reihe von Fachbereichen Interesse an Kooperationen. Lange wurden sie dort von dem Altgermanisten Hans-Joachim Solms gepflegt, aus einer germanistischen Institutspartnerschaft ist 2018 ein Universitätsvertrag mit der Brjussow Universität geworden. Jetzt gibt es einen Generationswechsel auf beiden Seiten.

Gibt es auch neue Intentionen in der Zusammenarbeit?
Wille: Eine interessante neue Perspektive hat uns die Brjussow Universität präsentiert: Armenien bietet sich für die russische Sprachausbildung unserer Studierenden an, weil man die Sprache dort auch praktizieren kann. Studentische Mobilität nach Russland wird es auf absehbare Zeit nicht geben, deswegen nicht mehr Russisch zu studieren wäre aber auch fahrlässig.

Becker: Darüber hinaus haben unsere Vorschläge für ein ganz spannendes Projekt in Armenien unglaublich eingeschlagen.

Das sich womit befasst?
Becker: Unsere Zentrale Kustodie plant 2026 eine Ausstellung mit Fotos aus ihrer „Ernst-Höltzer-Sammlung“. Höltzer hat zwischen 1867 und 1896 Fotos in Persien angefertigt, ein Teil der Bilder entstand in der armenischen Kolonie von Isfahan. Dieser Teil der Ausstellung könnte gemeinsam mit armenischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entwickelt und dann auch dort präsentiert werden. Das haben wir so angeboten – und wir hätten die Ausstellung gleich fünfmal „verkaufen“ können.

Wille: Wir haben das Projekt zum Beispiel beim Genozid-Museum, in der JSU und bei der Bildungsministerin lanciert. Sie alle sind hellhörig geworden, gerade weil diese Zeitepoche für die armenische Identitätsbildung besonders bedeutsam ist. Möglicherweise werden die Bilder auch Teil einer großen nationalen Ausstellung Armeniens. Die Kontakte habe ich inzwischen hergestellt.

Sie haben die Auslandsvertretung der MLU in Kasachstan erwähnt. Was war deren Part auf der Reise?
Wille: Unsere Gastgeber sollten wissen, dass wir mehr darstellen als einen deutschen Kooperationspartner. Wir haben sehr gute Beziehungen in Zentralasien. Unsere Erwägung ist, dass es auch trilaterale Beziehungen werden könnten zwischen Zentralasien, dem Kaukasus und uns als europäischem Part. 

Es gab auch Gespräche außerhalb der Partnerinstitutionen. Welche waren das?
Becker: Wir waren zum Beispiel bei der deutschen Botschaft, um die MLU im diplomatischen Zirkel sichtbar zu machen und dort einen kurzen Draht zu etablieren. Die armenische Bildungsministerin, die auch für Hochschulen zuständig ist, hat uns bei einem weiteren Treffen vor allem ihre Idee einer Akademischen City vorgestellt. Dort und bei einem von ihr vermittelten Termin mit dem Leiter der armenischen Forschungsförderungsorganisation ist eines klar geworden: Die armenische Regierung bekennt sich zur Stärkung der Wissenschaft. Da bestehen Möglichkeiten für die MLU, sich einzubringen. 

Sie hatten ein straffes fünftägiges Programm in Armenien. Rückblickend: Gibt es etwas, was Sie besonders beeindruckt hat?
Becker: Sicher. Zum einen ist es die Gastfreundschaft, die eine ganz andere Ausprägung annimmt, als wir sie hier gewöhnt sind. Ganz persönlich fand ich die Handschriftensammlung im Museum Matenadaran sehr faszinierend, auch die schroffe Berglandschaft außerhalb von Jerewan wird mir in Erinnerung bleiben.
 
Wille: Ich fand beeindruckend, welcher Ruck durch den armenischen Bildungssektor geht. Gerade wurde ein umfassendes neues Bildungsgesetz verabschiedet, mit dem auch der Hochschulbereich restrukturiert werden soll. Es gibt Pläne für eine akademische Stadt, aber auch zum Qualitätsmanagement der Studiengänge und zur Internationalisierung. Das könnte positive Effekte für die Mobilität unserer Studierenden haben.

Becker: Der Umbruch ähnelt dem, was ich vor zwei Jahren in Kasachstan gesehen habe. Es ist die Idee, von einer verschulten Universität wegzukommen und eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung zu generieren. Auch in der Forschung tut sich etwas, da legt man jetzt zum Beispiel mehr Wert auf internationale Peer Reviews.

Welche Schritte sind die nächsten?
Becker: Die Theologie und das Seminar Christlicher Orient und Byzanz haben Erasmus-Plus-Mittel eingeworben, die zum Austausch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Studierenden bereits eingesetzt werden. In der Theologischen Fakultät wird in diesem Wintersemester ein Gastprofessor aus der Staatlichen Universität Jerewan tätig sein, der auch schon am Orientalischen Institut zu Gast war. Und wir werden die Möglichkeit strategischer Gastprofessuren des Rektorats nutzen, um im kommenden Jahr eine Gastprofessorin oder einen Gastprofessor aus Armenien einzuladen.

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Armenien

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