Bioökonomie: Neuer Studiengang fürs Spitzen-Cluster
Der 47-Jährige konnte seine langjährigen, guten Kontakte zu Thomas Hirth, Leiter des Fraunhofer-Zentrums für Chemisch-Biotechnologische Prozesse, nutzen und hat die Universität mit ins Boot geholt. Und Pietzsch spricht von einer Sensation. Denn das Spitzencluster verbinde, ja verzahne erstmals alle relevanten Forschungs- und Industriebereiche in Mitteldeutschland, die sich mit der Bioökonomie beschäftigten – angefangen von der Holzwirtschaft, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Chemie- und Kunststoffindustrie, der Bioenergiewirtschaft und nicht zu vergessen der Wissenschaft.
Doch was ist Bioökonomie? Unter dem Begriff lassen sich alle industriellen Sektoren zusammenfassen, die nachwachsende Rohstoffe verarbeiten oder in irgendeiner Form nutzen, sagt Pietzsch. Der Anspruch des Spitzen-Clusters wiegt weitaus höher. „In der Bioökonomie geht es auch darum, nachwachsende Rohstoffe maximal auszunutzen“, so der Biotechnologe, der das an einem Beispiel verdeutlicht. „So kann man aus Holz zunächst einmal Möbel bauen.“ Doch Fakt ist: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. „Spätestens jetzt sollte man darüber nachdenken, ob man die Holzreste stofflich für die chemische Grundindustrie nutzen könne, bevor sie in der Verwertungskette nur noch energetisch von Interesse sind“, sagt Pietzsch.
Ökonomisch wirtschaften hieße, dass man Materialien nicht immer gleich wegwirft oder verbrennt, sondern versucht, sie in andere Produkte zu überführen. Es gilt also Verfahren zu entwickeln, mit denen nachwachsende Rohstoffe, etwa Holz, in Raffinerien zu Grundstoffen umgewandelt werden, die Ausgangspunkt für neue Kunststoffe sind. Erdöl als Lebenselixier der verarbeitenden Industrie werde schließlich knapper und teurer. Das sei eine der vielen Herausforderungen der Bioökonomie, die in Deutschland enorme Wachstumschancen besitze, sagt Markus Pietzsch.
Zurück zur Universität. Die wird im Cluster den Ton bei der Ausbildung angeben, speziell bei den Masterstudiengängen. „Bedingt durch die Investitionen werden sich bald Firmen- und Forschungseinrichtungen ansiedeln, die Fachkräfte benötigen. Sowohl auf dem Facharbeiterniveau als auch auf der Fachhochschul- und Universitätsebene“, prognostiziert Pietzsch. Aufbauend auf den 2008 ins Leben gerufenen Masterstudiengang „Pharmaceutical Biotechnology“, der sich vor allem mit therapeutischen Proteinen und Arzneiwirkstoffen beschäftigt, die sich biotechnologisch herstellen lassen, hat Pietzsch ein Ass im Ärmel.
„Für das Spitzencluster brauchen wir eine weitere Fachrichtung, nämlich die der industriellen Biotechnologie. Genau so wird ein neuer englischsprachiger Masterstudiengang titeln, der in den nächsten zwei Jahren aufgebaut wird“, kündigt der Professor an, der im Spitzencluster die Funktion des Teilgebietsleiters für Ausbildung innehat. Etwa 25 Studienplätze - identisch zum Pendant „Pharmaceutical Biotechnology“ - sind bereits geplant. Außerdem soll zusätzlich ein Masterstudiengang „Bioökonomie“ ins Leben gerufen werden, in dem sich neben den Natur- auch die Wirtschaftswissenschaften wiederfinden sollen.
Doch wie begünstigt ist die MLU, wenn das BMBF 40 Millionen Euro locker macht? „Ich hätte jetzt gern gesagt, dass ich drei Millionen Euro abbekomme“, sagt Pietzsch lachend. „Nein, wir werden aber Stiftungsprofessuren einwerben. Die Industriepartner stellen dafür Stiftungsmittel zur Verfügung, damit wir die neuen Studiengänge aufbauen und finanzieren können.“