Biokohle: Mit Mist gegen den Klimawandel

29.02.2012 von Corinna Bertz in Forschung, Im Fokus, Wissenschaft
Lösungen für die Zukunft liegen manchmal tief in der Vergangenheit vergraben. Einen großen Hoffnungsträger im Kampf gegen drohende Klima- und Ernährungskrisen hat Professor Bruno Glaser im Amazonasgebiet entdeckt: Terra Preta - portugiesisch für schwarze Erde - heißt der außergewöhnlich humusreiche und fruchtbare Boden, der vor etwa 2000 Jahren entstanden ist. Sein wichtigster Bestandteil, die Biokohle, hat in den vergangenen Jahren unter Forschern, Umweltpolitikern und Journalisten der BBC, des ZDF und des Spiegels regelrechte Euphorie ausgelöst.
Vieles an der Wirkungsweise und Zusammensetzung von Biokohle ist nocht ungeklärt. "Zurzeit ist sie die eierlegende Wollmichsau", sagt Bruno Glaser (hier bei Forschungsarbeiten im Amazonasbecken,
Vieles an der Wirkungsweise und Zusammensetzung von Biokohle ist nocht ungeklärt. "Zurzeit ist sie die eierlegende Wollmichsau", sagt Bruno Glaser (hier bei Forschungsarbeiten im Amazonasbecken, (Foto: privat)

Denn: „Terra Preta enthält Biokohle. Sie kann den Boden verbessern und nebenbei Kohlenstoff mehrere tausend Jahre speichern. Die Herstellung von Biokohle ist meines Wissens nach die einzige Technologie, die so der Atmosphäre aktiv Kohlenstoff entziehen kann“, erklärt Bruno Glaser. Seit 15 Jahren erforscht der Professor für Bodenbiogeochemie den südamerikanischen Bodentyp und sein zentrales Element, die Biokohle, die aus verkohlten organischen Materialen besteht.

Die schwarze Terra Preta im Vergleich zu einem typischen nährstoffarmen tropischen verwitterten Boden Ferrosol
Die schwarze Terra Preta im Vergleich zu einem typischen nährstoffarmen tropischen verwitterten Boden Ferrosol (Foto: Bruno Glaser)

In seiner Dissertation untersuchte er erstmals die Zusammensetzung der Terra Preta. „Mein damaliger Mentor an der Uni Bayreuth, Professor Wolfgang Zech, hatte das Thema vorgeschlagen.“ Damals interessierte sich kaum jemand für die schwarze Erde, die mit Humus vergleichbar ist. „Unter tropischen Bedingungen kommt es normalerweise nicht zum Humusaufbau. Terra Preta ist jedoch ungewöhnlich stabil, so dass sie auch heute noch sichtbar ist“, erläutert Glaser, der seit Oktober 2009 in Halle forscht.

Molekulare Untersuchungen des Bodens verrieten viel über die Lebensweise der damaligen Völker im Amazonasbecken: Die Terra Preta enthielt Knochenreste, Asche, menschliche Fäkalien, Pflanzenrückstände und Holzkohle. „Damals gab es oft Schwelbrände, die viel Kohle zurückließen. Auf diesem Kohleboden haben die Menschen gelebt.“ Leben heißt: Sie ließen ihre Abfälle liegen und reicherten den Boden auf diese Weise beständig mit Nährstoffen an.

"Eine Art eierlegende Wollmilchsau"

Bruno Glaser bei Forschungs- und Dreharbeiten im en Hatahara, in der Nähe von Manaus.
Bruno Glaser bei Forschungs- und Dreharbeiten im en Hatahara, in der Nähe von Manaus. (Foto: privat)

Bis aus dieser Mischung von Abfällen und organischer Kohle fruchtbare Terra Preta entstand, mussten nach Glasers Schätzung noch 100 bis 200 Jahre Zersetzungsprozesse wirken. Diese Prozesse versuchen Firmen heute zu beschleunigen. Denn das Interesse an der industriellen Herstellung von Terra Preta wächst rasant. Die schwarze Erde soll ausgelaugte oder sandige Böden wieder fruchtbar machen. Besonders attraktiv wird das Verfahren dadurch, dass bei der Herstellung der dafür notwendigen Biokohle durch die Verkohlung Kohlenstoff in fester Form gespeichert wird. Er wird in den Boden eingebracht und damit der Atmosphäre entzogen.

Aus Glasers Sicht ist Biokohle eine wesentlich effektiverer Speicher für Kohlenstoff, als etwa die unterirdische CO2-speicherung in geologischen Strukturen (CCS). „Ich verkohle Biomasse und kann diesen Prozess zugleich zur Energiegewinnung nutzen. Dann vergrabe ich die Kohle in der Erde, sie dient als CO2-Senke. Wenn ich den Boden weiter mit Biomasse anreichere, kann ich seine Qualität zudem noch erheblich verbessern“, beschreibt Bruno Glaser das Verfahren.

Ein großer Vorteil außerdem: „Die Technologie ist ready-to-go.“ Das jetzt sprunghaft steigende Interesse an Biokohle verfolgt der Geochemiker aber auch mit Skepsis. „Viele Fragen zur Wirkungsweise und Zusammensetzung der Biokohle sind noch offen. Bislang ist sie eine Art eierlegende Wollmichsau.“ Dennoch sagt er: „Wir sollten mit dem Einsatz dieser Technologie nicht warten, bis wir alles wissen. Das muss parallel zur Forschung laufen.“

Müll als klimafreundlicher Wertstoff?

Im Vordergrund steht für ihn weniger die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Konzepts als vielmehr die Idee eines regionalen Stoffstrommanagements, die darin enthalten ist. „Vom Terra-Preta-Konzept können wir lernen, dass wir unsere Ressourcen effizienter nutzen müssen.“ Weg vom Entsorgungsgedanken, hin zur Kreislaufwirtschaft müsse sich unser Gebrauch von Ressourcen entwickeln. „Heute lassen wir Stoffströme einfach verpuffen. Anstatt Abfälle im Müll und in Kläranlagen zu deponieren, sollten wir diese Stoffe nutzen und Müll zu Wertstoff machen.“ Bioabfälle und menschliche Fäkalien könnten nach Bruno Glasers Konzept zu Biokohlekompost werden.

Würde man alle kommunalen Abfälle in Europa dafür nutzen, ließe sich der CO2-Ausstoß europaweit um neun Prozent reduzieren, hat der 45-Jährige berechnet. Biokohle könne so zur Lösung globaler Probleme beitragen - davon ist er überzeugt. Seine Forschung widmet er deshalb ganz der Biokohle. Viele der internationalen Projekte werden von der Europäischen Union, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

„Die gesamte Palette“ spiegelt sich in Glasers Vorhaben wider: Von der molekularen Grundlagenforschung im Labor über die industrielle Anwendung bis hin zur Kostenplanung von Biokohle-Projekten auf EU-Ebene. Und auch Halle kommt nicht zu kurz: Neben Kooperationen mit Kollegen am Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften und Dissertationen zum Thema soll bald auch in den Boden des halleschen Klimagartens zur Hälfte Biokohle eingebracht werden.

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Geowissenschaften

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