Anschluss in Halle: Studentin koordiniert Tandemprojekt

11.03.2016 von Maria-Luise Kunze in Studium und Lehre, Campus
Seit Oktober 2015 bietet die Universität Halle kostenfreie Gasthörerschaften für Geflüchtete an. Dass es dieses Projekt gibt, ist auch der Arbeit von Mirjam Sorge zu verdanken. Die Studentin ist Teil des Arbeitskreises „Refugees Welcome“, der Flüchtlingen durch Tandempartnerschaften mit halleschen Studierenden den Einstieg in den Unialltag erleichtern möchte.
Jede Woche trifft sich Mirjam Sorge mit anderen Engagierten des Arbeitskreises „Refugees Welcome“.
Jede Woche trifft sich Mirjam Sorge mit anderen Engagierten des Arbeitskreises „Refugees Welcome“. (Foto: Markus Scholz)

Mirjam Sorge ist oft in den Räumlichkeiten des Studierendenrats (Stura) der Universität Halle zu finden. Im ersten Stock des Gebäudes, das direkt an das Juridicum grenzt, koordiniert die Politik- und Soziologiestudentin zusammen mit vier weiteren Studierenden der MLU den Arbeitskreis „Refugees Welcome“. Dieser ermöglicht es Flüchtlingen seit dem Wintersemester 2015 /2016, eine Gasthörerschaft an der Universität Halle aufzunehmen. Zudem ist die 22-Jährige Mitglied der politischen Hochschulgruppe „SDS. DieLinke“. Deren Mitglieder treffen sich wöchentlich, um über aktuelle Geschehnisse zu diskutieren und Veranstaltungen zu planen.

So seien sie auch auf die Idee mit der Gasthörerschaft gekommen, erinnert sich Sorge: „Einer von uns hat in der Zeitung einen Artikel über ein ähnliches Projekt für Flüchtlinge an der Universität in Lüneburg gelesen.“ Die Aktion sei bei der Hochschulgruppe so gut angekommen, dass sie Geflüchteten auch in Halle ein Studium ermöglichen wollten. Daneben war es den Studierenden wichtig, ein Projekt zu initiieren, das eine gewisse Kontinuität aufweist und regelmäßig stattfindet. Seit Oktober 2015 organisiert der Arbeitskreis „Refugees Welcome“, der dem Stura untersteht, das Projekt.

Für Sorge ist es selbstverständlich, sich für andere einzusetzen: Schon in ihrer Schulzeit war sie Klassensprecherin und hat sich um die Belange ihrer Mitschüler gekümmert. Doch erst mit Beginn des Studiums in Halle sei sie politisch aktiv geworden: „Ich sehe es als eine wichtige Aufgabe an, andere zum Handeln zu bewegen und aktiv am politischen Geschehen teilzunehmen“, so Sorge. Bis 2015 war sie Mitglied des Stura. Zurzeit ist sie Fachschaftsratsprecherin der Philosophischen Fakultät I.

150 Studenten wollten helfen

Mitglieder des AK "Refugees Welcome" im Stura.
Mitglieder des AK "Refugees Welcome" im Stura. (Foto: Markus Scholz)

„Im Mai 2015 sind wir das erste Mal mit unserer Idee an die Verwaltung und das Rektorat der Universität herangetreten“, sagt Sorge. Neben der Universität Halle hat der Arbeitskreis auch den Kontakt zur Beauftragten für Migration und Integration der Stadt Halle aufgenommen. „Wir wollten wissen wie die Situation der Geflüchteten ist, ob überhaupt ein Bedarf an Gasthörerschaften besteht“, erzählt Sorge. Vor Beginn des Wintersemesters erhielten dann alle Studierenden der Uni Halle eine E-Mail vom Stura, in der zur Mithilfe am Tandemprojekt aufgerufen wurde.

Beim Auftakttreffen im Oktober merkte die Organisatorin schnell, dass sich nicht nur viele Geflüchtete für eine Gasthörerschaft interessierten, sondern dass auch viele Studierende helfen wollten: Auf die bewilligten 51 Gasthörerschaftanträge von Geflüchteten kamen über 150 freiwillige Helfer, die im Rahmen des Tandemprojekts ihre neuen Kommilitonen unterstützen wollten.

Für die anfallenden Aufgaben bei „Refugees Welcome“ konnte Sorge auf ihre Kontakte im Stura zurückgreifen. Da schnell ersichtlich war, dass nicht alle Studierenden einen Tandempartner zugeteilt bekommen, schlossen sich die meisten in Gruppen zusammen. Die Studierenden halfen ihren neuen Kommilitonen bei der Anmeldung in der Universitätsbibliothek oder besuchten gemeinsam Vorlesungen und Seminare. Mirjam Sorge hatte selbst keinen Tandempartner: „Die Arbeit für den Arbeitskreis ist ziemlich zeitintensiv.“ Der AK „Refugees Welcome“ bietet eine wöchentliche Sprechstunde an, in der unter anderem die Studierenden den Geflüchteten dabei helfen, den Gasthörerantrag auszufüllen.

Deutschwerkstatt und individuelle Beratung

Neben ihrer Tätigkeit für die Hochschulgruppe „SDS. Die Linke“ und für „Refugees Welcome“ sitzt Sorge in verschiedenen studentischen Gremien. Sie engagiert sich in der Gewerkschaft Verdi und berät Studierende. Durch die politische Arbeit konnte sie nicht nur Kontakte knüpfen, sie hat auch Einblicke in finanz- und bildungspolitische Themen erhalten .Für ihr Engagement muss die Studentin anderswo aber auch Abstriche machen: „Ich studiere länger als die Regelstudienzeit“, so Sorge. Neben der Tandempartnerschaft gibt es seit Semesterbeginn auch eine Deutschwerkstatt. Dafür hat der Arbeitskreis beim Deutschen Akademischen Auslandsdienst Gelder beantragt, um zwei studentische Hilfskraftstelle einzustellen.

Die Gasthörerschaftspauschale für die Geflüchteten hat das Land Sachsen-Anhalt übernommen. Zum Semesterenende luden die Organisatoren des Tandemprojekts alle Beteiligten zur Auswertung ein. „Die meisten Gasthörer waren glücklich, Anschluss in Halle gefunden zu haben“, sagt Sorge. Freundschaften seien entstanden und viele hielten auch außerhalb des Studiums mit ihren Tandempartnern Kontakt. Einige der Gasthörer wollen noch in diesem Jahr ein Vollzeitstudium oder eine Ausbildung in Halle beginnen. Auch von Seiten der Universität gibt es positive Rückmeldungen: „Die Verwaltung und das Rektorat haben gesehen, dass das Projekt sehr gut aufgenommen wurde“, erzählt Sorge. Die Zahl der Gasthörerschaften für Geflüchtete sei auf 100 erhöht worden.

Beim Hochschulinformationstag am 9. April können sich internationale Studieninteressierte zum Studium in Halle beraten lassen. Auch Mirjam Sorge und der Arbeitskreis „Refugees Welcome“ werden dabei sein, um ihre Erfahrungen aus dem letzten Wintersemester zu teilen. Das Thema lässt sie nicht los: Zurzeit bereitet sie gemeinsam mit dem „Fachschaftsrat der Philosophischen Fakultät I“ einen Empowerment-Workshops für Frauen vor, der sich auch an weibliche Geflüchtete richtet und Maßnahmen und Strategien aufzeigen soll, wie sie ihre Selbstbestimmung fördern können.

Kontakt: Arbeitskreis Refugees Welcome
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FlüchtlingeStura

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