Zurück auf dem Campus: Sandra Petersen in der Impfstoff-Produktion
Auf dem Gelände der Wacker Biotech GmbH in Halle stehen schwere Maschinen, Baustellenlärm ist zu hören, ein Arbeiter rollt Kabel auf. Unübersehbar entsteht hier etwas Neues: Mehr als 100 Millionen Euro investiert das Unternehmen im Technologiepark Weinberg Campus in den vierstöckigen Neubau seines mRNA-Kompetenzzentrums, das im kommenden Jahr eröffnet werden soll und die Produktionskapazität am Standort Halle mehr als verdreifacht. „Das Richtfest war einen Tag, bevor ich hier angefangen habe“, sagt Dr.-Ing. Sandra Petersen, während sie in ihr Büro führt. Dann erklärt sie: „Es ergibt sich nicht jeden Tag, dass man hier in Halle so eine tolle Herausforderung mit anpacken kann. Ich habe die Gelegenheit genutzt, wieder zurückzukommen.“ Zurück nach Halle, wo sie geboren ist, aber auch zurück auf den Campus, wo sie Pharmazie studiert hat und promoviert wurde. An ihrem neuen Arbeitsort kann nun jede Mittagspause zu einer kleinen Zeitreise werden, ein „Zurück in die Vergangenheit“, wie sie selbst sagt. „Ich war neulich in der Weinbergmensa. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wenn man vor zehn Jahren das letzte Mal dort gesessen und Mittag gegessen hat. Aber es war auch ein schönes Gefühl.“ Mit dem Campus verbinde sie schließlich viele gute Erfahrungen.
In der Schule hatte Sandra Petersen Chemie und Mathematik als Leistungskurs belegt und sich nach ihrem Abitur für ein naturwissenschaftliches Studium an der Universität Halle entschieden. „Mich hat Pharmazie interessiert, weil sie viele Wissenschaften miteinander vereint und weil sie gute Karrieremöglichkeiten bietet, sei es in der Apotheke, in der Wissenschaft oder in der Wirtschaft“, sagt sie. Das Studium sei harte Arbeit gewesen. „Das Grundstudium ist sehr vollgepackt mit Laborarbeiten von acht bis 18 Uhr. Aber man hat sich durchgeboxt“, erinnert sich die 39-Jährige. Sie habe dabei auch gemerkt, dass sie viel erfolgreicher war, wenn sie in der Gruppe gelernt hat, statt sich einzuigeln. Allerdings war das Studium auch nicht nur harte Arbeit. „Wir waren damals 100 Studenten und ich habe viele Freunde hier kennengelernt“, sagt Petersen. „Wir hatten eine tolle Gemeinschaft.“ Dann erzählt sie von Feiern wie dem Pharmafasching, den sie im vierten Studienjahr mit ausgerichtet hat. Oder der Einführungsveranstaltung für Erstsemester: „Da haben wir den Hörsaal gefüllt und zusammen mit den Professoren Sketche aufgeführt.“
Biontech und Brehna
Aber zurück zur Wissenschaft: Dass ihre akademische Karriere mit dem Staatsexamen nicht beendet sein würde, war für Sandra Petersen schon vor dem Studium klar. „Ich wollte in die Forschung und Entwicklung, da ist eine Promotion Voraussetzung“, sagt sie. Nach einer sechsmonatigen Zwischenstation in der Industrie folgte die Forschung als Doktorandin in den Ingenieurwissenschaften an der MLU. „Ich habe den Einfluss von Emulgatoren, also seifen-ähnlichen Stoffen, auf Öl-in-Wasseremulsionen untersucht.“ Das eigenständige Arbeiten, die Betreuung von Studierenden, das Delegieren von Arbeit: In ihrer Promotionszeit habe sie viel gelernt, bilanziert Petersen. Auch die Internationalität habe ihren Horizont erweitert: „Mein Doktorvater Professor Joachim Ulrich hatte fünfzehn Doktoranden, davon war mindestens die Hälfte aus anderen Ländern.“ Mit zwei davon aus Thailand und der Türkei stehe sie bis heute in Kontakt.
Nach ihrer Promotion hat Sandra Petersen unter anderen beim BioEconomy e.V. in Halle gearbeitet. Im BioEconomy-Cluster, einem Verbund aus Firmen, Forschungsinstituten und Bildungseinrichtungen, die vernetzt an den Grundlagen einer biobasierten Wirtschaft arbeiten, koordinierte sie Forschungsprojekte und stellte Verbindungen zwischen verschiedenen Akteuren wie dem Fraunhofer-Institut, der Universität Halle und Unternehmen her. Ende 2020 wechselte sie zur mibe Arzneimittel GmbH nach Brehna, agierte mitten in der Corona-Pandemie in der Produktion des Impfstoffs von Biontech. Als stellvertretende Herstellungsleiterin war Petersen verantwortlich für die Qualitätskontrolle des fertig abgefüllten Impfstoffs, das Labeling und die Verpackung bis zum Einfrieren. „Ich habe ein Team von 30 bis 40 Leuten in der Produktion geleitet. Das hat sich als sehr spannend und abwechslungsreich herausgestellt, weil man Probleme lösen und Prozesse optimieren konnte“, sagt sie.
Unterstützung für das mRNA-Kompetenzzentrum
Und nun Wacker Biotech auf dem Weinberg Campus, ein Standort, den sie wie zu Studienzeiten mit dem Fahrrad erreichen kann. Vier neue Produktionslinien sollen dort im mRNA-Kompetenzzentrum entstehen, die unter anderem mRNA-Impfstoffe im Auftrag von Kunden produzieren. Ein Teil der neuen Kapazitäten steht im Bedarfsfall der Bundesregierung im Rahmen so genannter Pandemiebereitschaftsverträge zur Verfügung. Oder, wie Sandra Petersen es formuliert: „Ein Teil der Anlagen kann jederzeit freigeschaufelt werden, sobald der Anruf kommt ,Wir haben eine Pandemie‘ “. Die Pharmazeutin ist als leitende Betriebsassistentin, als rechte Hand des Produktionsleiters, bei Wacker Biotech tätig. Sie koordiniert die Produktion und damit zusammenhängende Prozesse und agiert als Stellvertretung der Produktionsleitung. Die laufende Produktion in den bereits existierenden Anlagen und daneben der Neubau mit einem ambitionierten Zeitplan: „Es ist eine spannende Situation. Alle sind fokussiert auf dieses Ziel“, sagt sie.
Dass sie diese Perspektive für sich in ihrer Heimatstadt gefunden hat, ist für Petersen von besonderem Wert. Halle liegt ihr sehr am Herzen. „Alles ist zentral erreichbar. Man kann jederzeit ins Restaurant gehen, ist aber auch in zehn Minuten auf der Peißnitz im Grünen. Grundschulen und Gymnasien sind in Wurfweite.“ Und: Eltern und Schwiegereltern leben ebenfalls in Halle – perfekt für die Familie, zu der auch zwei Kinder gehören. Mit ihnen und ihrem Mann verbringt Petersen viel Zeit in der Natur und auf Reisen – vor allem beim Campen mit dem Familien-Bully. Dieses Jahr soll es mit ihm in den Camping-Urlaub nach Slowenien gehen.