Vom wilden Parkplatz zum preisgekrönten Campus

21.04.2022 von Katrin Löwe in Campus
Vor 20 Jahren wurde die Umgestaltung des Universitätsplatzes abgeschlossen, pünktlich zum 500-jährigen Jubiläum der Universität. Zeitzeugen erinnern sich heute an prägnante Details des Baus – zum Beispiel einen unterirdischen Bunker oder spezielle Steine, die zur Pflasterung des Areals gespendet werden konnten.
Der Bau der breiten Freitreppe - sie ist bis heute eines der Highlights des Universitätsplatzes.
Der Bau der breiten Freitreppe - sie ist bis heute eines der Highlights des Universitätsplatzes. (Foto: Stadtarchiv Halle / Gudrun Hensling)

Vor den Baggern kam die Kunst – und für manchen vielleicht auch ein gewisser Gruselfaktor im Untergrund. Wie auch immer, die Menschen standen Schlange, als im Sommer 2001 ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg zum letzten Mal für die breite Öffentlichkeit geöffnet wurde: der riesige ehemalige Luftschutzbunker unter dem Universitätsplatz. Kurz vor der Umgestaltung des Platzes diente der Koloss aus Stahlbeton, in dem ursprünglich Platz für 72 Liege- und 65 Stehplätze war, noch kurzfristig als Ausstellungsfläche. In ihm präsentierten Studierende der Kunsthochschule Burg Giebichenstein ihre mit moderner Technik, aber auch mit einfachsten Lochkameras entstandenen Fotos und die Kustodie der Uni zeigte Wissenswertes zur wechselvollen Geschichte des Uniplatzes. „Das war schon eine verrückte Sache“, erinnert sich der damalige Kustos Dr. Ralf-Torsten Speler. Und erzählt von dünnen Innenwänden, die den Bunker in kleine Räume unterteilen – und massiven Außenwänden, an denen die Bauarbeiter sich später gefühlt abarbeiteten, als seien ihre Maschinen nur kleine Zahnstocher.

Zur Festwoche anlässlich der 500-Jahrfeier der Universität Ende April 2002 präsentierte sich der Universitätsplatz im neuen Look, der sowohl historische als auch moderne Bauten wie das 1998 fertiggestellte Juridicum und das gerade erst offiziell eingeweihte Audimax miteinander zu einem Ensemble verband. „Nach seiner Fertigstellung war das Juridicum durch die Bunkerwand getrennt vom Uniplatz – sowohl optisch als auch von der Erschließung her“, sagt Horst-Dieter Foerster, der damalige Leiter der Abteilung Bau, Liegenschaften und Gebäudemanagement der MLU. Zudem wurde der Platz nicht wirklich universitär genutzt. „Das war eine zum Teil unbefestigte Fläche mit Löchern, in denen im Frühjahr und Herbst das Wasser stand und auf der wild geparkt wurde.“ Etwa im Jahr 2000 sei die Überlegung entstanden, den Platz nicht im Anschluss, sondern direkt im Rahmen des Audimax-Baus mitzugestalten – zu letzterem hätten sonst nur um die sechs Meter Außenanlage um das Gebäude herum gehört, so Foerster. Für diese Erweiterung des Bauvorhabens seien mehrere Varianten mit dem Land diskutiert worden. Entscheidender Unterschied war laut Foerster der Umgang mit dem Bunker – abreißen oder nicht – und damit zusammenhängend die Größe der Freitreppe. Insbesondere Naturschützer votierten für eine deutlich kleinere Treppe und protestierten gegen die später umgesetzten Baumfällungen. Aber: „Die Bäume waren sehr alt. Wenn man anfängt, den Platz zu gestalten, kommt man in ihren Wurzelbereich, so dass die Bäume nur eine geringe Überlebenschance gehabt hätten“, sagt Foerster. Zudem seien sie in vielen Fällen bereits geschädigt gewesen.

Gebaut wurde, von einigen nachträglichen Verbesserungen abgesehen, die heute zu sehende Variante nach einem Entwurf des Architekten Gernot Schulz. „Das war die Lösung schlechthin“, sagt Foerster, die Freitreppe habe einen Aha-Effekt in sich getragen. Schulz wurde später übrigens mehrfach geehrt – unter anderen mit einer Auszeichnung beim Deutschen Architekturpreis für das gesamte Ensemble inklusive Juridicum oder mit einem internationalen Architekturpreis der Baufachmesse Deubau in Essen für Audimax und Uniplatz. Es sei ein „herausragendes Beispiel für inspirierte Stadtreparatur und die Einbindung neuer Architektur in den historischen Kontext“, hieß es damals in der Jury-Begründung zum Deubau-Preis. Der Platz erhalte durch Strukturierung und Terrassierung als große Rampen- und Treppenanlage sowohl den Charakter eines Campus als auch den eines urbanen Stadtraumes.

Größte Herausforderung sei der teilweise Rückbau des Bunkers gewesen, erinnert sich Foerster. „Man hat untersucht, ob man sprengen kann, ist aber davon abgekommen.“ Noch im Sommer 2001 wurde begonnen, die Eingänge wegzureißen, um Platz für die Treppe zu schaffen. „Ein Lärm, über Wochen!“, sagt Foerster über die Arbeiten, die nach seiner Erinnerung rund vier Monate dauerten.  Der größte Teil des Bunkers mit seinen 1,50 bis 1,80 Meter breiten Stahlbetonwänden blieb erhalten. Dessen Belüftung und Kontrolle muss seitdem von der Universität sichergestellt werden, in ihm verlaufen unter anderem Versorgungsleitungen zwischen Hauptgebäude und Audimax. Der Umbau zur Tiefgarage war damals als zu aufwändig verworfen worden.

 

Dafür wurde auf Initiative des damaligen Kanzlers Wolfgang Matschke eine andere, eine besondere Idee entwickelt: Steine für den Campus. Und zwar dort, wo Passanten natürlicherweise am ehesten auf den Boden schauen – kurz nach der obersten Stufe der langen Freitreppe. Gegen eine Spende von 300 D-Mark konnten Interessenten die Namen von bekannten Gelehrten aus der 500-jährigen Geschichte der MLU verewigen lassen, in hochfesten Glasplatten, beschriftet mit einem innovativen Laserverfahren von Existenzgründern aus dem Fachbereich Physik. Matschke entschied sich für den halleschen Gründungskanzler Veit Ludwig von Seckendorf (1626-1692). Ralf-Torsten Speler war für die Erstellung einer Liste mit in Frage kommenden Gelehrten zuständig. Er selbst wählte für „seinen“ Stein Christian Wilhelm Kindleben (1748-1785), einen Mann, der 1779 zum „Doctor der Weltweisheit und der freien Künste Magister" an der Uni Wittenberg promoviert wurde. Dessen wichtigstes Werk war die weltweit erste gedruckte Sammlung von Studentenliedern, darunter das bis heute bekannteste „Gaudeamus igitur“. Insgesamt wurden 90 solcher Glassteine verbaut. „Ich bedaure sogar, dass die Treppe nicht länger war“, sagt Speler heute mit einem Augenzwinkern. Stichwort Länge: Rund 70 Meter lang ist die Freitreppe, die heute den Uniplatz prägt und nicht nur im Sommer Studierende zum Verweilen einlädt.

Für ihn ist der Platz etwas ebenso Besonderes wie die Aula im Löwengebäude, sagt Foerster. Mit der Fertigstellung sei auch eine gewisse Erlösung verbunden gewesen. „Wir hatten damit unsere Pilotvorhaben abgeschlossen.“  Drei Projekte – Juridicum, Audimax, Uniplatz -, die unter der Regie der Universität und nicht der des Landes gebaut wurden. Dazu gehörte nicht nur die organisatorische Abwicklung. „Wenn Sie als Universität bauen, redet jeder Professor mit“, sagt Foerster. Daraus hätten viele Ideen resultiert, über die geredet werden musste. An die Schreiben mit dem Vermerk des Kanzlers „bitte prüfen!“ erinnert sich Foerster bis heute.

Doch wie viel Aufwand es auch gewesen sein mag: Am Ende gab es nicht nur aus den Fachverbänden Anerkennung für den Campus. „Alles gewagt, alles gewonnen“, titelte eine überregionale Tageszeitung damals. Entstanden sei nicht nur ein neuer Platz, sondern „wohl gar eine echte Sehenswürdigkeit“.

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