Sensibilität schaffen
„Die Diskussion um MeToo hat viele Menschen verunsichert und zum Nachdenken angeregt“, ist die Einschätzung von Sabine Wöller. Die Verunsicherung führt auch dazu, dass Angehörige der Universität aktiv an Wöller herantreten. In erster Linie sorgt sie dafür, dass die Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung, (sexueller) Belästigung und Gewalt an der Universität Halle von 2015 umgesetzt wird. Deren Ziel ist es, einen respektvollen und gleichberechtigen Umgang der Mitglieder, Angehörigen sowie Gäste der Universität zu gewährleisten und entsprechende Maßnahmen bereitzustellen, falls die Richtlinien verletzt werden.
„Mein erstes großes Projekt war die Erstellung einer umfassenden Informations-Webseite für die Präventionsstelle Diskriminierung und sexuelle Belästigung“, erzählt Wöller. Denn als sie die Stelle antrat, fand sie zwar viele Angebote seitens der Universität vor, die Hilfe und Informationen für den Umgang mit Diskriminierung und Belästigung boten. Sie waren jedoch an vielen unterschiedlichen Stellen verstreut. „Also habe ich die Informationen über die verschiedenen Angebote, etwa von der AGG-Beschwerdestelle oder der Gleichstellungsbeauftragten, zusammengefasst und an einer zentralen Stelle gebündelt“, sagt Wöller. Ihre Aufgabe ist es vor allem, die bestehenden Angebote zu optimieren und Kontakte zu den Beratungsstellen der Uni zu vermitteln, wenn jemand wegen Diskriminierungserfahrungen ihre Hilfe sucht.
Neben der Zusammenstellung der entsprechenden Informationen tritt Wöller auch aktiv mit Workshops oder Vorträgen an die Universitätsangehörigen heran. Denn für ein respektvolles Miteinander ist vor allem Prävention und Sensibilisierung wichtig. In vielen Situationen wollen Menschen gar nicht aktiv diskriminieren, sondern sind einfach nicht sensibel für die Problematik, sagt Wöller. „Um die entsprechende Aufmerksamkeit zu schaffen, arbeite ich unter anderem mit Methoden zur Perspektivübernahme“, erzählt die 31-Jährige, die selbst an der Uni Halle studiert hat. Durch den Seitenwechsel erleben die Teilnehmenden eine neue Sicht der Dinge und erkennen, dass es sich bei Diskriminierung nicht um eine Bagatelle handelt. Außerdem regt sie die Teilnehmenden dazu an, in problematischen Situationen das Gespräch zu suchen und Handlungsmuster zu erkennen, damit ein konstruktives Miteinander möglich wird.
„Wir sollten eine Kultur des Hinsehens schaffen und andere fragen, ob es ihnen gut geht und wie wir sie unterstützen können“, meint sie. Das heißt also, sich auch zu trauen, in fraglichen Situationen einzuschreiten und diskriminierendes und belästigendes Verhalten als solches zu benennen. Wer sich beispielsweise selber unsicher ist, ob er andere Menschen mit seinem Verhalten diskriminiert, sollte einfach freundlich nachfragen und offen für Kritik sein. „Ein häufiger Kommentar ist beispielsweise, ob man dann gar nicht mehr flirten dürfe“, sagt Wöller. Einen starren Regelkatalog, was erlaubt und was grenzüberschreitend ist, kann sie nicht geben, da Grenzüberschreitung ein subjektives Empfinden ist. Der oberste Grundsatz, den sie mit auf den Weg gibt, ist aber, stets respektvoll das Einverständnis des Gegenübers zu erfragen und ein „Nein“ ebenso respektvoll zu akzeptieren. „Ein Flirt beruht auf Gegenseitigkeit, eine Belästigung hingegen ist ein einseitiges Verhalten, das unerwünscht ist.“
Auch wenn die Arbeit in der Projektstelle durchaus fordernd ist, zeigt sich Wöller zufrieden damit. „Ich tüftle gerne an komplexen Problemen“, sagt sie. Auch privat engagiert sie sich schon seit längerem im Bereich der Gleichstellung und Antidiskriminierung, etwa beim Dornrosa e.V. oder der Mobilen Opferberatung. Zukünftig möchte die Medien-, Kommunikations- und Kulturwissenschaftlerin auch noch mehr auf die Studierenden zugehen und Angebote für die einzelnen Fakultäten entwickeln. „Außerdem ist es mir wichtig, die verschiedenen Angebote der Universität für Betroffene noch präsenter zu machen“, sagt Wöller.
Die Webseite der Präventionsstelle ist hier zu finden.