"Räumliche Nähe ist wichtiger Eckpfeiler"

06.07.2012 von Corinna Bertz in Im Fokus
Im Interview mit dem Unimagazin spricht MLU-Kanzler Dr. Martin Hecht über Flächenplanung, das Leitprinzip der räumlichen Nähe und den neuen Steintor Campus. Besondere Bedeutung hat für ihn das Jahr 2015. "Ich hoffe, dass wir dann die Projekte GSZ und Proteinzentrum abschließen können."
Kanzler Dr. Martin Hecht in Heide-Süd
Kanzler Dr. Martin Hecht in Heide-Süd (Foto: Maike Glöckner)

Was macht einen guten Wissenschaftsbau aus, Herr Dr. Hecht?

Um Wissenschaft möglich zu machen, brauchen wir ein inspirierendes Umfeld. Dazu gehören städtebauliche Qualitäten und Gebäudestrukturen, die Charakter und Ausstrahlung haben, kreative Prozesse unterstützen und die Kommunikation stärken. Hierbei meine ich nicht nur das Format von Räumen, sondern auch die Frage der Lichtverhältnisse, die Gestaltung von Details oder die Auswahl von Materialien. Gute Funktion und Ästhetik dürfen sich nicht ausschließen, sondern sollen sich ergänzen.

In Halle sitzen zum Beispiel die Seminare für Philosophie oder die Ethnologie in alten Villen, die nicht für Forschung und Lehre gebaut wurden. Können diese Häuser auch Wissenschaftsbauten sein?

Viele dieser Villen, die wir bislang im Bereich der Geisteswissenschaften nutzen, erfüllen die genannten Anforderungen in guter, zum Teil sehr guter Form. Nehmen sie das Beispiel der Sprechwissenschaften im Advokatenweg: Ein wunderschönes Haus in schöner Umgebung in dem sich, wie ich das gehört habe, die Wissenschaftler und Studierenden wohlfühlen. Dieses Gebäude ist - das kann man schon sagen - heruntergewirtschaftet und bildet dennoch die Grundlage für sehr gute wissenschaftliche Arbeit. In diesem Altbau gibt es Raumzuschnitte, die bei allen Beteiligten Kompromissbereitschaft erfordern. Diese wird aber auch aufgebracht,weil das Haus an sich inspirierend und attraktiv ist.

Titelseite der Ausgabe 3/2012 des Unimagazins
Titelseite der Ausgabe 3/2012 des Unimagazins

Langfristig sollen diese vereinzelten Standorte der MLU jedoch reduziert werden.

Wir werden im Wesentlichen an vier Standorten im Stadtgebiet vertreten sein. Das sind der Universitätsplatz, der Steintor Campus, die Franckeschen Stiftungen und der Weinberg Campus. Am Weinberg Campus finden wir ebenfalls mit dem Klinikum Kröllwitz einen ganz überwiegenden Anteil der Institute der Medizinischen Fakultät.

Was hat die Wissenschaft von einer solchen Zusammenführung an vier Standorten?

Es gibt zwei wesentliche Argumente für eine Zusammenführung universitär genutzter Liegenschaften. Leitend ist das Prinzip der räumlichen Nähe für erfolgreiche Forschung und Lehre. Ich denke, es ist nicht nur ein Sprichwort, dass gemeinsames Arbeiten beim Kaffee auf dem Flur beginnt. Räumliche Nähe ist ein wichtiger Eckpfeiler kooperativer Forschung und gemeinsam organisierter Lehre. Der zweite Aspekt bezieht sich auf Fragen des wirtschaftlichen Liegenschaftsmanagements. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Fragen der Verfügbarkeit von Grund und Boden oder einer wirtschaftlichen Betreuung von Flächen im Bereich Reinigungsleitungen und Hausmeisterdienste.

Bei der Zusammenführung werden universitär genutzte Flächen an das Land zurückgegeben. Will die Universität ihre Flächen gezielt reduzieren?

Wir haben mit dem Land 2004 im Kontext der damaligen Strukturdiskussion eine Flächenzielzahl vereinbart. Der Wert liegt für die Universität bei 150.000 Quadratmetern Hauptnutzfläche, ergänzt um nachgewiesene Forschungsverfügungsflächen. Wir bewirtschaften derzeit etwa 210.000 Quadratmeter Fläche und haben im letzten Jahr in Zusammenarbeit mit der HIS GmbH auf Basis einer Bedarfsberechnung festgestellt, dass für unsere Universität die Zielzahl von 150.000 Quadratmeter mit den erwähnten Ergänzungen realistisch ist.

Aber wie kann man bei steigenden Studierendenzahlen Flächen reduzieren und zugleich dafür sorgen, dass die Qualität der Forschung und Lehre erhalten bleibt bzw. steigt?

Die Studierendenzahlen sind ein wichtiger Indikator bei der Berücksichtigung des Flächenzuschnitts, sie machen sich fachspezifisch unterschiedlich bemerkbar. In den experimentellen naturwissenschaftlichen Fächern sind die derzeitigen Flächen dort ein limitierender Faktor, wo wir eine Auslastung über 100% haben. In den Geisteswissenschaften finden die Studierendenzahlen ebenfalls Berücksichtigung in der Flächenberechnung, aber nicht in dem Maße wie in den Naturwissenschaften. Hier müssen für das Schreiben der Bachelor- und Masterarbeit keine extra Laborflächen vorgehaltenwerden. Trotzdem muss die Universität gut überlegen, ob sie die Überlast, die wir derzeit besonders in den Geisteswissenschaften fahren und die wir durch die Forderungen aus dem Hochschulpakt und damit aus dem politischen Umfeld erhalten, dauerhaft so weiter tragen können. Wenn, dann müssen wir auch gebäudeseitig etwas tun.

Die Entwicklung der Uni-Flächen wird von der Abteilung Bau, Liegenschaften und Gebäudemanagement geplant und umgesetzt. Welche Aufgaben hat diese Abteilung?

Die genannte Abteilung ist sicherlich ein Herzstück der zentralen Universitätsverwaltung – neben der Personalverwaltung, der Haushaltsabteilung und den unmittelbar die Wissenschaft unterstützenden Bereichen Studium und Lehre auf der einen und Forschung auf der anderen Seite. Es gibt in der Universität nur diese eine Stelle, die sich um den Liegenschaftsbetrieb kümmert und die gesamte Bandbreite liegenschaftsbezogener Themen bearbeitet.

Wir haben vor kurzem durch eine Reorganisation der Abteilung neue Strukturen geschaffen, an denen man gut erkennen kann, welche Aufgaben da sind. Das ist einerseits das Thema Bauen mit großen und kleinen Baumaßnahmen. Auf der anderen Seite gibt es das Technikreferat, das alles organisiert, was mit Heizung, Klima, Sanitär und Energie zu tun hat. Das dritte Referat kümmert sich um das infrastrukturelle Gebäudemanagement – den tagtäglichen Betrieb und die Nutzung der Gebäude. Im Rahmen der Reorganisation haben wir auch ein Querschnittsreferat etabliert, das die Arbeitsprozesse in den anderen Referaten zu unterstützt. Dort werden die kaufmännischen Angelegenheiten abgewickelt. In diesem Referat ist auch das Flächenmanagement der Universität angesiedelt.

Die MLU hat viel alten Baubestand, seit 1990 wurde unglaublich viel saniert. Macht dieses Sanieren immer noch einen größeren Teil des universitären Gebäudemanagements aus als das Bauen?

Ich würde nicht zwischen „Sanieren“ und „Bauen“ unterscheiden. Sie können sicher sein, dass wir in unserem Liegenschaftsmanagement alles an Bauhandwerklichem haben, was man sich vorstellen kann. Beim Bauprojekt GSZ finden wir eben diese schöne Mischung. Dort gibt es Neubauten, die den Campus ergänzen, und Altbauten, die saniert werden. Oder nehmen Sie das „Proteinzentrum“ am Weinberg Campus, ein kompletter Neubau, mit dem Bestandsflächen ergänzt werden. Für mich hat das Jahr 2015 eine besondere Bedeutung. Ich hoffe, dass wir dann die Projekte GSZ und Proteinzentrum abschließen können und damit die Flächen vorfinden, die zu unserer Universität gehören. Es bleiben dann die Sanierungsprojekte Chemie, Biochemie, Pharmazie, Geobotanik und Wirtschaftswissenschaften.

Sind Chemie, Biochemie, Pharmazie, Geobotanik und Wirtschaftswissenschaften dann auch die größten Sorgenkinder der nächsten Jahre?

Wir stimmen bereits seit einigen Jahren mit dem Land die Prioritätenliste zu den Bauprojekten ab. Wenn das GSZ 2014 und das Proteinzentrum 2015 fertig gestellt sind, werden die genannten Projekte umgesetzt. Insofern würde ich nicht von Sorgenkindern sprechen.

Das größte Projekt in diesem Jahr ist der neue Steintor Campus. Wie ist dort der aktuelle Stand?

Der Steintor Campus liegt in dem Stadtviertel, das seinen Namen durch das Steintor bekommen hat. Dieses war früher in der Nähe des heutigen Joliot-Curie-Platzes zu finden. Die derzeitige Entwicklung im Steintor-Viertel ist atemberaubend. Neben den Fortschritten auf unserer Baustelle - Mitte Juli wird Grundsteinlegung sein - wird es aller Voraussicht nach zu einem grundlegenden Umbau des Steintor-Varietés kommen. Beide Areale werden dann durch eine Passage verbunden sein, durch die ein freier Zutritt zu unserem Steintor Campus von der Großen Steinstraße aus ermöglicht wird. Die Anzahl der Bauprojekte in der Adam-Kuckoff-Straße, in der Emil-Abderhalden-Straße und den weiteren Anliegerstraßen macht die Dynamik im Viertel ebenso deutlich. Ein historischer Akzent wird mit der Umgestaltung der Steintorkreuzung erfolgen. Die derzeitigen Konzepte der Stadt machen Mut.

Informationen zur räumlichen Verteilung der universitären Einrichtungen liefert das Campus-Informationssystem, entwickelt im Rahmen eines Gemeinschaftsprojektes des Instituts für Geowissenschaften mit der Stabsstelle des Rektors (Bereich Hochschulmarketing): www.campus3d.uni-halle.de

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