Helfereinsatz bei fiktivem Hochwasser

27.05.2019 von Katrin Löwe in Wissenschaft, Wissenstransfer
Nach jahrelanger Forschungsarbeit haben die Uni Halle und ihre Partner am Wochenende öffentlich das System „KUBAS“ getestet. Dessen Ziel ist, in einem Katastrophenfall wie dem Hochwasser 2013 freiwillige Helfer besser koordinieren zu können, als dies damals zum Beispiel über soziale Medien möglich war. Zum ersten Mal haben die Forscher dabei auch direkte Vergleiche zwischen Helfergruppen gezogen.
Eine Smartphone-App ist einer der zentralen Bestandteile von KUBAS - hier im Einsatz bei einer früheren Übung.
Eine Smartphone-App ist einer der zentralen Bestandteile von KUBAS - hier im Einsatz bei einer früheren Übung. (Foto: Maike Glöckner)

Es sind Facebook-Aufrufe wie diese, die am vergangenen Wochenende an die Flut von 2013 erinnert haben: „Stromausfall in Büschdorf!!! Feuerwehr braucht Hilfe bei Information und Evakuierung“, „Es werden noch 10 Leute gesucht, die frisches Trinkwasser an die Bevölkerung verteilen“, „Weitere Helfer für Dammbau benötigt!!! Am Saalestrand fehlen noch Leute!“. Gepostet wurden Aufrufe so oder so ähnlich auch vor sechs Jahren, als sich Tausende freiwillige Helfer über soziale Medien im Prinzip selbst organisiert haben – was zum Teil zu überfüllten, auf der anderen Seite aber auch zu unbesetzten Einsatzorten führte. Am vergangenen Wochenende waren die Postings Teil der großen Übung des Forschungsprojekts KUBAS. Die Koordination der Helfer über Facebook wurde dabei erstmals mit der Vermittlung über ein neues System verglichen, das im Rahmen des Projekts entstanden ist.

Ein Bestandteil des Systems ist eine Smartphone-App, über die sich potentielle Helfer mit verschiedenen Informationen über sich registrieren. So geben sie zum Beispiel an, wann genau sie einsetzbar sind und für welche Arbeiten sie sich eignen – leichte wie Schreibtätigkeiten oder schwere wie Sandsackschleppen. Im Katastrophenfall, erklärt Projektmitarbeiter Hans Betke von der MLU,  werden von der Einsatzzentrale aus dann Aufträge an exakt die notwendige Zahl von Helfern verschickt, die sowohl verfügbar als auch körperlich in der Lage für die anstehenden Aufgaben sind – und sich im besten Fall in der Nähe des Einsatzortes befinden. Lehnen Freiwillige über die App einen Einsatz ab, wird der nächste passende Helfer alarmiert. Über dieses komplexe System kann nicht nur passgenaue Hilfe organisiert, sondern auch dafür gesorgt werden, dass zwar Helfer bevorzugt zu Einsätzen von hoher Priorität geschickt werden, aber auch keine Einsatzstelle verwaist bleibt.

Am Samstag wurde KUBAS auf dem halleschen Markt vorgestellt.
Am Samstag wurde KUBAS auf dem halleschen Markt vorgestellt. (Foto: Tarek Spiegelhalter)

Hervorgegangen ist KUBAS aus der 2013 an der MLU entstandenen Initiative „Hands2Help“. Seit 2016 arbeitet der Lehrstuhl für betriebliches Informationsmanagement von Prof. Dr. Stefan Sackmann gemeinsam mit Partnern wie der Stadt Halle, der Esri Deutschland GmbH und aktuell der Universität Paderborn daran. An der Übung am Samstag haben sich 79 Freiwillige in den zwei Testgruppen – per App und per Facebook - beteiligt und anschließend an fünf über die Stadt verteilten Einsatzstellen anonymisiert einen Fragebogen zur Erfahrung als Spontanhelfer ausgefüllt. Ein erstes Ergebnis: Rund 80 Prozent der App-Nutzer beurteilten deren Koordinationsleistung für sich als gut oder sehr gut, bei Facebook waren es knapp 60 Prozent. Gesteuert wurden die Einsätze live vom Marktplatz aus, an den Einsatzorten selbst gab es statt Arbeit Informationen verschiedener Hilfsorganisationen und den Fragebogen. „Wir werden die Ergebnisse jetzt weiter auswerten“, sagt Betke nach Abschluss der Übung. Gezeigt habe sich schon, dass die Vermittlung über das neue System wie geplant funktioniert, Helfer nach Zusagen schneller und verlässlicher eintreffen als über Facebook und sowohl Helfer als auch Hilfsorganisationen gut mit dem System umgehen können. Genauer ausgewertet werden soll nun unter anderem, welche Zeiten bevorzugt wurden und welche Aufträge am ehesten abgelehnt wurden, aber auch wie die Nutzer einzelne Funktionen des Systems bewerten.

Mit der Übung ist die Arbeit an dem Projekt noch nicht beendet. So sind die Forscher bereits dabei, neben der App weitere Medien in das Gesamtsystem zu integrieren – via Chatbot sollen so künftig auch Helfer über Facebook oder Whatsapp zielgenauer gesteuert werden können. „Gemeinsam mit dem Land werden wir zudem ein Folgeprojekt beantragen“, sagt Betke. Über dieses könnte KUBAS Teil der digitalisierten Feuerwehrausbildung am Institut für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge im Norden des Landes werden. Schon jetzt sind Projektmitarbeiter regelmäßig in der Akademie des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu Gast, um KUBAS Fachleuten vorzustellen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 1,3 Millionen Euro gefördert, läuft offiziell noch bis Mitte Oktober.

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