Gefährdet zu viel Bürokratie das Ehrenamt?
Welche rechtlichen Barrieren können verhindern, dass Menschen sich ehrenamtlich engagieren?
Winfried Kluth: Wenn wir von „rechtlichen Barrieren“ sprechen, die Menschen davon abhalten, sich ehrenamtlich zu engagieren, geht es in den wenigsten Fällen darum, dass ausdrückliche Anforderungen nicht erfüllt werden können. Nur selten müssen bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten nachgewiesen werden, etwa bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft. Das ist dann auch legitim, weil nur helfen kann, wer entsprechend kompetent ist. In den neueren Untersuchungen sind es vor allem hohe Zeitaufwände für bürokratische Tätigkeiten sowie Konflikte zwischen Arbeitszeiten und Ehrenamtszeiten, die von den Befragten als Hindernis angeführt werden. Niemand, der anderen Menschen helfen will, sitzt dafür gerne die Hälfte der Zeit am Schreibtisch und füllt Formulare aus.
Wie könnte man diese bürokratischen Hindernisse abbauen?
Bürokratie ist in Deutschland oft Ausdruck von Misstrauen. Nicht jede gesetzliche Vorschrift sollte auch dokumentiert werden müssen. Vor allem dann nicht, wenn von der Tätigkeit keine Gefahr ausgeht und es so gut wie nie Kontrollen gibt. Hier sollte man gründlich „ausmisten“. Auch sind Förderanträge inzwischen viel zu kompliziert und das macht vielen Vereinen das Leben schwer.
In ihrem Bericht thematisieren sie auch Altersgrenzen für Ehrenämter. Wieso gibt es die für einige Bereiche überhaupt?
Altersgrenzen basieren auf der Vorstellung, dass man ab einem gewissen Alter für bestimmte Aufgaben nicht mehr ausreichend leistungsfähig ist. Doch viele ältere Menschen sind leistungsfähiger als früher. Hier gibt es in vielen Bereichen einen dringenden Überprüfungs- und Anpassungsbedarf, um Altersdiskriminierung abzubauen.
Warum sollte Ihrer Meinung noch mehr dafür getan werden, Menschen eine ehrenamtliche Tätigkeit zu ermöglichen?
Große Bereiche unseres Sozialsystems, der Politik, der Kultur und des Sports, funktionieren nur mit einem hohen Maß an ehrenamtlicher Tätigkeit. Der Gesetzgeber fasst sogar die Pflege in der Familie als Ehrenamt auf. Eine gute Unterstützung und Förderung des Ehrenamtes sind für unsere Gesellschaft überlebenswichtig. Die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement ist sehr groß. Diese sozial wertvolle Ressource sollte man nicht durch zu viel Bürokratie leichtsinnig gefährden.