Große Namen: Ludwig Gottfried Blanc
„Er war Preuße durch und durch“, sagt die Romanistin Dr. Annette Schiller über Ludwig Gottfried Blanc, der gleich mehrfach gegen Frankreich in den Krieg zog. Doch nicht dafür gelangte Blanc zu Ehren, sondern für die Begründung der ersten Professur für Romanistik in Deutschland. Annette Schiller hat sich ausführlich mit Leben und Werk des Mannes beschäftigt. Zwar, sagt sie, gelte die Romanistik als eine Bonner Erfindung – ihr theoretischer Begründer Friedrich Diez habe dort gelehrt. „Aber er hatte erst später eine eigene Professur, die sich jedoch nicht nur auf die romanischen Sprachen bezog.“ Die gab es ab 1822 schließlich an der Universität in Halle.
Nachfahre von Hugenotten
Blanc wurde in Berlin als Nachfahre von Hugenotten und Sohn eines Tanzmeisters geboren, besuchte dort das französische Gymnasium und studierte am angeschlossenen Priesterseminar Theologie. In Halle wurde er 1805 Prediger der französisch-reformierten Gemeinde. Er hat sich dann bald gründlich mit wissenschaftlichen Studien befasst. Zwar, sagt Annette Schiller, gebe es keine Dokumente aus dieser Zeit, sein guter Ruf aber sei überliefert. In dieser Anfangszeit entstand auch ein Universallexikon, das von seiner umfassenden Allgemeinbildung zeugte. Eine erste Bewerbung an der Universität für die Nachfolge des Lektors für französische Sprache scheiterte zwar 1805, die Sprachen aber ließen ihn nicht mehr los. Er lernte intensiv Italienisch, auch ein wenig Spanisch und Portugiesisch. „Das war viel theoretisches Wissen, sprechen mussten die Wissenschaftler die Sprachen damals kaum“, sagt Annette Schiller. Blancs Liebe galt nicht so sehr seiner französischen Muttersprache, sondern dem Italienischen. Er verfasste unter anderem eine italienische Grammatik, die bis ins 20. Jahrhundert genutzt wurde.
Und er übersetzte Dante Alighieris „Göttliche Komödie“. Zur gleichen Zeit übrigens wie der Jurist Karl Witte, sein hallescher Professorenkollege und einer der bedeutendsten Dante-Forscher. Beide wussten um die Konkurrenz, schätzten sich gegenseitig sehr und bereiteten die Gründung der Deutschen Dante-Gesellschaft vor. Während Wittes Dante-Übersetzung laut Annette Schiller heute noch gut lesbar ist und modern erscheint, blieb Blanc im Stil seiner Zeit befangen. Schiller nimmt als Beispiel die ersten Verse des berühmten großen Werkes: „Nel mezzo del cammin di nostra vita mi ritrovai per una selva oscura ché la diritta via era smarrita“ las sich bei Blanc in der Übersetzung so: „In unsres Lebensweges Mitt' erfand / In einem dunklen Wald ich mich, dieweil / Der rechte Weg abhanden mir gekommen.“ Bei Witte hingegen heißt es: „Es war in unseres Lebensweges Mitte, / Als ich mich fand in einem dunklen Walde; / Denn abgeirrt war ich vom rechten Wege,“.
Beliebte Vorlesungen
Auch die französische Literatur lehrte Blanc regelmäßig. Hier ist hervorzuheben, dass er auch zeitgenössische Autoren wie Victor Hugo, Chateaubriand und Alexandre Dumas d. Ä. besprach, was in der damaligen Zeit völlig unüblich war, sagt Annette Schiller. Überliefert ist, dass er schon vor seiner Berufung Privatvorträge zu dem Thema hielt. Blanc bewarb sich 1821 erneut an der Universität, dieses Mal jedoch um eine Professur, und mit Erfolg: 1822 wurde er zum außerordentlichen, 1833 dann zum ordentlichen Professor ernannt. Seine Vorlesungen seien sehr beliebt gewesen, erzählt Annette Schiller. „Er wird überall dafür gelobt, dass er ein guter Redner war und Hörer anzog.“ Zwischen 30 und 50 waren es regelmäßig – bei einer Gesamtzahl von 1.200 Studierenden keine schlechte Quote.
Über das Privatleben Blancs ist wenig bekannt. Mit dem Theologen Friedrich Schleiermacher war er befreundet, wovon ein umfangreicher Briefwechsel zeugt. In der halleschen Stadtgesellschaft war er ein bekannter Mann. Er heiratete 1816 Charlotte Juncker, Tochter eines halleschen Medizinprofessors. Das Paar blieb kinderlos. Auf Blancs Betreiben wurden 1809 die französische und die deutsche reformierte Gemeinde vereinigt, so wurde er 1838 Zweiter Domprediger und in dieser Funktion ein Kurator des Jenaischen Fräuleinstifts, dessen Stiftsdamen zur Domgemeinde in Halle gehörten. Außerdem war er Mitglied der halleschen Freimaurerloge „Zu den drei Degen“. 1860 ließ Blanc sich als Domprediger emeritieren, behielt aber die Professur bei. Er lehrte bis 1865 und starb knapp ein Jahr später, vermutlich an einem Schlaganfall.
Vor allem den Editionen des Briefwechsels Schleiermachers und des bekannten Historikers Leopold von Ranke ist es zu danken, dass Briefe Blancs heute zugänglich sind. Aus diesem Fundus ebenso wie aus den Archiven von Universität, Stadt und Domgemeinde schöpfte Annette Schiller bei der Vorbereitung der Ausstellung, zudem aus Blancs Vorlesungsmanuskripten, die die Universitäts- und Landesbibliothek im Nachlass verwahrt. Bis Ende März sind die Erkenntnisse zu Leben und Werk Ludwig Gottfried Blancs in der Kustodie der MLU zu sehen.
Ausstellung: "Ludwig Gottfried Blanc – Deutschlands erster Professor für Romanistik"
Die vom Institut für Romanistik und der Kustodie der Universität vorbereitete Ausstellung zeichnet den Weg von den Sprachmeistern, wie Sprachlehrer damals genannt wurden, bis zur Entstehung der ersten rein romanistischen wissenschaftlichen Professur in Deutschland nach. Die Schau berührt anhand der Tätigkeiten, Lebensumstände und Werke der Beteiligten unter anderem folgende Fragestellungen: Welche Sprachen sollen an der Universität unterrichtet werden? Wie soll Sprachunterricht gestaltet werden, was sollen die Studierenden wissen und können? Welche Anforderungen sind an die Lehrenden zu stellen? Wie soll das Verhältnis von Sprachausbildung und wissenschaftlicher Vermittlung sein?
Die Ausstellung geht auch auf Ludwig Gottfried Blanc als Prediger, als Preuße und als Romanist und Lehrender ein. Ein Schwerpunkt sind dabei seine Arbeiten zu Dante und der Divina Commedia. Abschließend gibt es noch einen kurzen Ausblick auf die Nachfolger in Halle.
25. November 2022 bis 31. März 2023
Zentrale Kustodie
Universitätsplatz 11 (Löwengebäude), Historischer Sessionssaal
06108 Halle (Saale)
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag, 13 bis 18 Uhr
Eintritt frei