Dr. Usus Zeitgeist: Legastheniker sucht Lustobjekt

12.04.2013 von Dr. Usus Zeitgeist in Varia
Ein neuer Trend greift in diesem Ding namens Internet um sich: Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Bildungsbürger während des Studiums soll sich weniger auf Kneipentouren oder im Café beobachten lassen, genauso wenig ist die Bibliothek Baggerbude; denn es gibt ja das sogenannte „Spotting“.
Dr. Usus Zeitgeist
Dr. Usus Zeitgeist (Foto: Oliver Weiss)

Unter dem Titel „Spotted: Martin Luther Universität Halle Wittenberg“ wird eine Seite auf Facebook geführt, da soll einen Eintrag machen, wer ein potentielles Objekt der Begierde (OdB) im Rahmen des Studentenlebens gesichtet, sich jedoch nicht getraut hat, es anzusprechen. Namenlos, beinahe anonym.

Die Logik dieses Verfahrens ist auch schier bestechend: Denn wem im hinteren oberen Teil des Beinkleides die Substanz abgeht, eine Absage von Angesicht zu Angesicht in Kauf zu nehmen, dem bietet sich hier die Chance, das OdB gewissermaßen dazu zu bringen, den ersten Schritt zu übernehmen. Interessant ist die Botschaft, die diese Paarungswilligen ihrem potentiellen Gegenüber auf diesem Wege mit senden, denn besser könnte man „Ich finde dich toll und habe Angst vor dir“ kaum zum Ausdruck bringen. Sehr anziehend!

Immerhin, so könnte man meinen, findet der gemeine Feigling hier zumindest Raum und Zeit, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen und sich den Eintrag reiflich zu überlegen. Weit gefehlt: Ernstzunehmende, wohl formulierte Einträge nehmen sich aus wie etwas Verirrtes unter diesen Herzens- und Hosengesuchen, von denen ein nicht unerheblicher Teil dem Typ „Legastheniker sucht Lustobjekt“ zuzuordnen ist. Da liest man „Wenn sich zumindestens eine von euch [acht hübschen Mädels!] meldet- wäre es der Hammer“ oder „ach Scheiß egal, ich find dich einfach geil!“.

Nach einiger Zeit der Lektüre weiß man schließlich nicht mehr zu sagen, ob man sich auf der „Spotted“-Seite oder einer missglückten Version des „Hohlspiegels“ befindet. Einer scheint sich in einer bislang unentdeckten Nische des Zoos verirrt zu haben und gibt unter diesen nicht minder animalischen Beiträgen zum Besten, er habe sein OdB „in der Pantherei“ gesehen.

Könnte Heraklit das paarungswillige Raubtier von heute beobachten, würden ihm zwar sicherlich die Tränen in Bächen rinnen; dennoch müsste er spätestens an dieser Stelle einsehen, dass nicht nur seine Sprache überholt ist, sondern auch nicht alles fließt – am wenigsten hier das Gebalze von Gebildeten.

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