Die Gen-Schere CRISPR/Cas9

13.10.2016 von Tom Leonhardt in Wissenschaft, Kontext
Die Gen-Schere „CRISPR/Cas9“ gilt als revolutionäre Entdeckung für die Biowissenschaften. Noch nie war es so einfach, das Erbgut von Pflanzen, Tieren oder Menschen zu verändern. Dr. Johannes Stuttmann vom Institut für Biologie ordnet die Technik sowie ihre Vor- und Nachteile ein.
Das Erbgut, die DNA, lässt sich mit Gen-Scheren gezielt verändern.
Das Erbgut, die DNA, lässt sich mit Gen-Scheren gezielt verändern. (Foto: Colourbox.com)

Bei der biotechnologischen Anwendung besteht ein CRISPR/Cas9-System aus wenigen Komponenten. Da ist zum einen das Protein Cas9, das stets vorhanden sein muss. Dieses fungiert als Schere, welche DNA an einer bestimmten Stelle schneidet. Hinzu kommt als variable Komponente die Guide-RNA, welche das Cas9-Protein an eine bestimmte Stelle im Genom dirigiert, um dort zu schneiden. Die Guide-RNA kann ich verändern und damit Cas9 auf neue Zielsequenzen umprogrammieren. Dabei folgt die Ansteuerung von Zielsequenzen den gleichen Regeln, welche auch in der doppelsträngigen DNA Anwendung finden: Diese besteht aus den Bausteinen A, G, C und T, wobei sich in einem Doppelstrang stets A-T bzw. G-C gegenüberliegen und kontaktieren. Um ein bestimmtes Gen anzusteuern, muss man nur die Sequenz kennen. Je nach verwendetem System lassen sich Gene aber nicht nur kaputtschneiden, sondern auch aktivieren oder deaktivieren, ohne dabei eine tatsächliche Veränderung am Erbgut vorzunehmen.

Nach dem Schnitt kommt die Reparatur

Wurde in der DNA ein Schnitt gesetzt, so kommt es in der Zelle anschließend zur Reparatur. Dafür existieren zwei konkurrierende Mechanismen: Im einfachsten Falle werden die freien Enden wieder zusammengeklebt. Dabei passieren meist kleine Fehler, wodurch ein Gen zerstört werden kann. Alternativ kann eine Matrize, also ein DNA-Fragment mit gleicher oder ähnlicher Sequenz, zur Reparatur herangezogen werden. Diesen Mechanismus kann man sich zu Nutze machen, um „neues“ Erbgut an einer bestimmten Stelle einzufügen, oder ein defektes Gen zu korrigieren.

Die Herstellung einer mit CRISPR/Cas gezielt veränderten Pflanze ist prinzipiell relativ einfach. Zunächst muss  ich das angepasste CRISPR/Cas-System in die Pflanze bringen. Zu diesem Zweck kann man das Agrobacterium einsetzen, welches von Natur aus Teile seines Erbmaterials in Pflanzenzellen übertragen kann. An Stelle dieses Erbmaterials setzt man nun das CRISPR/Cas-System. Bei Pflanzen sind alle Zellen totipotent, das heißt theoretisch kann jede einzelne Zelle wieder einen kompletten Organismus bilden. Tatsächlich schneide ich also von meiner Pflanze ein paar Blatt- oder Sprossstückchen ab, behandle diese mit meinen Bakterien und versuche dann, aus den Stückchen wieder komplette Pflanzen mit Spross und Wurzel zu züchten. Die CRISPR-Komponenten werden dann von der Pflanzenzelle selbst hergestellt und so kann es zur Modifikation der Zielsequenz im Erbgut der Pflanze kommen. Unter diesen Pflanzen suche ich dann nach Individuen, in welchen die gewünschte Veränderung stattgefunden hat.

Extrem präzise System notwendig

Johannes Stuttmann
Johannes Stuttmann (Foto: Ralph Stuttmann)

Zur Nutzung der CRISPR-Technologie in der Medizin müssen natürlich ganz andere Wege begangen werden. Doch häufen sich vielversprechende Berichte: Zahlreiche Krankheiten lassen sich mit CRISPR vielleicht besser therapieren oder gar heilen. Die Duchenne-Muskeldystrophie ist zum Beispiel eine unheilbare und final tödiche Muskelkrankheit. In Versuchen mit Mäusen hat man die Tiere mit einem CRISPR-Konstrukt behandelt. Dadurch hat man den Defekt in einem gewissen Anteil der Zellen korrigieren können. Das hat schon ausgereicht, dass die Mäuse wesentlich länger lebten. Vergleichbare Ansätze bei Menschen werden aktuell durch Zulassungsbehörden geprüft und mit großer Hoffnung von Betroffenen erwartet.

Durch CRISPR können aber auch sogenannte „off-target“ Effekte auftreten. Das sind weitere, unerwünschte Veränderungen des Erbguts in Bereichen, welche der eigentlichen Zielsequenz sehr ähnlich sind. Wenn wir in der Grundlagenforschung einen Organismus modifizieren, ist das weitestgehend egal. Wir überprüfen das Genom der veränderten Pflanzen nicht vollständig. Würde tatsächlich ein Produkt beispielsweise zur Nutzung in der Landwirtschaft hergestellt, was aktuell ohnehin verboten bleibt, müsste dieses natürlich weitere Prüfungen durchlaufen. Unterm Strich können jedoch zusätzliche, unbeabsichtigte Veränderungen nie vollständig ausgeschlossen werden.

Andererseits: Was passiert bei der klassischen Züchtung? Durch Kreuzungen werden tausende von Genen aus verschiedenen Genomen gemischt. Die Konsequenzen kann man unmöglich voraussagen. Wenn man an einer bestimmten Stelle eine gezielte Modifikation vornimmt und es dabei mit geringer Wahrscheinlichkeit zu ein, zwei weiteren Modifikationen kommt – dann ist das meiner Meinung nach wesentlich kontrollierter und auch kontrollierbarer als jegliche Kreuzung, aber das ist eine Glaubensfrage.

Der Text ist in der Print-Ausgabe in der Rubrik „Kontext“ erschienen. Darin setzen sich Wissenschaftler der Martin- Luther-Universität mit einem aktuellen Thema aus ihrem Fach auseinander, erklären die Hintergründe und ordnen es in einen größeren Zusammenhang ein.

Zur Person

Dr. Johannes Stuttmann ist seit August 2012 Forschungsgruppenleiter in der Abteilung für Pflanzengenetik bei Prof. Dr. Ulla Bonas. In seiner Arbeit beschäftigt er sich unter anderem mit der Herstellung genetisch veränderter Pflanzen.

Kontakt:
Institut für Biologie / Genetik
Telefon: +49 345 55-26345
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Schlagwörter

BiologieGenetik

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