Seriengründer hautnah
Niemand musste ihn lange überzeugen. Schon immer wollte sich Florian Thürkow mit seiner eigenen Firma selbständig machen. „Schon als Schüler hat mich das gereizt“, sagt der 33-jährige gestern Abend, während er auf einem Ledersofa in Haus 1 der Franckeschen Stiftungen sitzt und dem vorwiegend studentischen Publikum von seinem Werdegang als Unternehmer berichtet: Vier Firmen hat er bereits gegründet. Bei der ersten war er gerade einmal 18 Jahre alt und noch Student der Informatik an der Universität Leipzig. Damals war es ein kleines Software-Unternehmen, das eine Art Minijob-Center für die Stadt Moers in Nordrhein-Westfalen entwickelte. Es folgte unter anderem eine Softwarefirma, die eine App für den Transport von sperrigen Gegenständen, also zum Beispiel den bei E-Bay ersteigerten Kinderwagen, anbot. Darüber hinaus übernahm er die Geschäftsführung einer bereits bestehenden Firma.
Zwischendurch hat er außerdem noch eine Familie gegründet, vor wenigen Tagen ist er zum zweiten Mal Vater geworden. Geschäftlich ist sein jüngster Coup der Unverpackt-Laden, der vor vier Monaten am August-Bebel-Platz in Halle an den Start ging. Die Idee dafür hatte er schon länger und er wollte sie auch aus Gründen der Nachhaltigkeit unbedingt realisieren. „Das war eine super-Entscheidung, denn das Angebot wird sehr gut angenommen“, sagt Thürkow. Insgesamt 15 Arbeitsplätze hat er inzwischen geschaffen. Generell, so meint er, verfolge er keine Exit-Strategie, das bedeutet: „Ich möchte langfristig und nachhaltig an diesem Firmen festhalten. Dabei lege ich Wert darauf, dass sie unabhängig von Investoren sind und bleiben.“
Ehrlich und geduldig antwortet Thürkow auf die Fragen aus dem Auditorium. Zum Beispiel, ob seine Firmen auch wirklich profitabel arbeiten. „Ja“, sagt er und verweist auf eine Crowdfunding-Aktion, mit der er das Kapital für den Unverpackt-Laden generiert hat. „Das hat gut funktioniert.“ Positiv auf die drei anderen Firmen wirke sich zudem die Tatsache aus, dass man bei derartigen Software-Firmen keine größeren Investitionen tätigen müsse und somit natürlich auch schneller Geld verdienen könne.
Kein Zweifel: Der Reiz dieser Auftaktveranstaltung der diesjährigen Gründerwoche an der MLU liegt in ihrer Offenheit. „Wir wollen die Gründer mit ihren ureigenen Erfahrungen in den Mittelpunkt stellen“, sagt Dr. Susanne Hübner vom Transfer- und Gründerservice. „Es geht nicht darum, irgendwelche glattgebügelten Erfolgsgeschichten herunterzubeten, sondern zu zeigen, dass Gründung immer auch ein Auf- und Ab ist.“ Nicht zuletzt deshalb ist der Abend auch mit dem Motto „Sometimes you win, sometimes you learn“ überschrieben.
Neben Florian Thürkow sind noch drei weitere Gründerinnen und Gründer gekommen, um von ihren Erfahrungen zu berichten: Stefanie Oeft-Geffarth, Lucius Bobikiewicz und Klaus Mochalski kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und haben ganz verschiedene Hintergründe, aber als so genannte „Seriengründer“ haben sie alle bereits mehrere Firmen an den Start gebracht. Sie haben nicht alle einen komplett geradlinigen Weg hinter sich. So bekennt der mit 55 Jahren wohl älteste der vier Gründer, Lucius Bobikiewicz, dass er die erste seiner inzwischen sechs Firmen ziemlich „gegen die Wand gefahren hat.“ Allerdings sei das in einer Zeit gewesen, als das Thema Gründung noch wesentlich weniger im Fokus der Gesellschaft verankert war.
Sein Beispiel zeigt auch: Gründer mussten den Umgang mit Risiken und Unsicherheiten erlernen. Was das konkret bedeutet, erklärte zu Beginn der Veranstaltung die Psychologin Dr. Odette Wegwarth vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, wo sie zu menschlichen Entscheidungen forscht. Die Quintessenz ihres Vortrags: Viele Entscheidungswelten, nicht nur die Gründung einer Firma, sind von Unsicherheiten geprägt. Und: Eine einfache, intuitive Strategie funktioniert bei bestehenden Unsicherheiten oft besser. Oder - wie Florian Thürkow es formuliert: Irgendwann müsse man es einfach wagen. Auch bei ihm habe es immer bessere und schlechtere Zeiten gegeben. Wichtig sei vor allem, die richtigen Leute zu finden. „Man braucht ein gutes Team, denn wenn man mehrere Firmen hat, kann man nicht immer und überall vor Ort sein. „Es muss auch ohne mich laufen“, sagt der Hallenser, der dennoch voll und ganz hinter seinen Gründungserfahrungen steht. „Ich würde es jederzeit wieder tun.“
Das Programm
Unter dem Hashtag #waswagen stehen an den nächsten Tagen Gespräche, Infotalks, Workshops, Präsentationen und die FuckUp Night Halle auf dem Programm der Gründerwoche. Eine Auswahl:
Mittwoch, 20.11.2019, 18 Uhr: Fünf mal fünf: Rasant zum Ruhm, Startups aus dem Designhaus stellen sich vor
Fünf Büros – jeweils fünf Minuten Zeit. An diesem Abend gehört die Bühne im Designhaus wieder den kreativen Mieter*innen des Gründerzentrums. Dann präsentieren sich fünf der derzeit ansässigen Büros in jeweils fünf Minuten ihrem Publikum. Im Anschluss gibt es Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen, Produkte auszuprobieren.
Ort: Designhaus Halle, Ernst-König-Str. 1
Donnerstag, 21. November 2019, 20 Uhr: FuckUp Night Halle
Was ein Schlamassel - Gründer*innen reden übers Scheitern. Bei der FuckUp Night Halle erzählen Entrepreneure ihre ganz persönlichen Scheitergeschichten und was daraus wurde. Denn davon profitieren angehende Gründerinnen und Gründer mehr als von glänzenden Erfolgsgeschichten. FuckUp Night ist ein international bekanntes Format, bei dem Menschen von ihren größten Fehlern und Tiefschlägen berichten. Die Absicht: Fehler als das nehmen, was sie sind - ganz normal, wenn Menschen etwas Neues beginnen und eine großartige Gelegenheit, zu wachsen und zu lernen.
Ort: Goldene Rose, Rannische Str. 19, 06108 Halle (Saale)
Anmeldung nicht erforderlich, die Teilnahme ist kostenfrei.
Das komplette Programm findet sich unter www.gründung.uni-halle.de