Podiumsdiskussion zum Thema Lehrer: 800 Erstsemester und 5 Millionen Euro

26.02.2018 von Manuela Bank-Zillmann in
„Quo vadis Lehramtsausbildung an der MLU?“ – unter diesem Titel diskutierten am Freitag, 23. Februar, auch zwei Minister engagiert in der Aula des Löwengebäudes. Ziel des Gesprächs: Lösungen für den eklatanten Lehrermangel an Sachsen-Anhalts Schulen finden, indem für mehrere Jahre deutlich mehr Lehrerinnen und Lehrer an der Universität Halle ausgebildet werden. Zentral war dabei auch, welche Ressourcen es dafür braucht.
Rege Diskussion zum Thema Lehrerbildung (von links): Thomas Bremer, Marco Tullner, Nico Elste, Eva Gerth, Armin Willingmann, Christin Engel und Moderator Sven Kochale.
Rege Diskussion zum Thema Lehrerbildung (von links): Thomas Bremer, Marco Tullner, Nico Elste, Eva Gerth, Armin Willingmann, Christin Engel und Moderator Sven Kochale. (Foto: Maike Glöckner)

„Es muss schon etwas Wichtiges sein, wenn die Aula früh um 9 Uhr fast voll ist.“ – Mit diesen Worten begrüßte Rektor Prof. Dr. Udo Sträter Publikum und Podiumsteilnehmer. Eingeladen zu der Veranstaltung hatte das Rektorat gemeinsam mit der Hochschulgruppe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die die Runde auch initiiert hatte. Dass das Interesse trotz der ungewöhnlichen Zeit so hoch war, lag zum einen am Thema, zum anderen wohl auch daran, dass mit Marco Tullner (CDU) und Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD) gleich zwei Landesminister sich der Diskussion stellten. Neben Bildungsminister Tullner und Wissenschaftsminister Willingmann hatten zudem die Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt Eva Gerth, der Direktor des Lehrerbildungszentrums der Universität Prof. Dr. Thomas Bremer, Dozent Dr. Nico Elste vom Germanistischen Institut und Christin Engel, Studentin Lehramt Grundschule, auf dem Podium Platz genommen.

Moderator Sven Kochale, Journalist, der auch für den MDR tätig ist, begann mit einer Schilderung aus den Schulen, indem er aus zwei offenen Briefen, unter anderem des Grundschullehrerverbandes, vorlas. Von hohem Krankenstand, alten Lehrern und dem frühzeitigen Ausscheiden aus dem Dienst war dort die Rede, von hohem Stundenausfall, wenigen Perspektiven und einem Zunehmen der ohnehin in Sachsen-Anhalt sehr hohen Schulabbrecherquote. „An den Schulen brennt‘s“, fasste Eva Gerth das später noch einmal zusammen, wenig später ergänzt um die Aussage des Bildungsministers Tullner: „In den Schulen brennt es.“ Und nun?

Schwierige Befristungen, Wechsel im Personal

Das erste Wort erhielt aber die Studentin Christin Engel, selbst Mutter von drei Kindern. Sie sagte, die Probleme seien überall zu sehen– auch etwa in der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer an der Universität: „Unter den Umständen, die herrschen, muss man sagen, dass das alle ganz toll machen.“ In Ordnung sei es aber eigentlich nicht, dass in Strukturen, die für jährlich viel weniger Studierende ausgelegt seien, plötzlich 700 Erstsemester passen sollen – diese Zahl hatte die MLU zum Wintersemester 2017/18 auf Wunsch des Landes aufgenommen. Zum nächsten Studienjahr sollen es noch 100 mehr werden, dann also 800 Neue. Kein Pappenstiel.

Nico Elste, direkt in der Lehramtsausbildung tätig, ergänzte, dass allein die nötige Abnahme der Prüfungsleistungen eine Herausforderung sei. „800 Studierende haben wir insgesamt im Bereich Grundschule.“ Hilfreich sei es da nicht, dass vielfach mit befristeten Verträgen gearbeitet werden müsste und demnach immer wieder wechselndem Personal. Auch Thomas Bremer räumte „gewisse Strukturprobleme“ ein, aber man fahre eben auch doppelte Last. „Das Land muss sagen, wie viele Lehramtsstudierende wir für wie lange brauchen und wie das finanziert wird.“

Leichter könnte das zumindest nun fallen, da eine Expertenkommission zum Lehrerbedarf bis 2030 im Januar nun Zahlen vorgelegt hat und auch Fächer und Regionen benennt, in denen es besonders eng ist. Was Minister Tullner daran besonders Sorgen machte: „Dass nur 37 Prozent der Lehrer, die heute in den Schulen stehen, 2030 noch im Dienst sind. Da müssen wir ein bisschen an Drive zulegen.“ Prognosen seinen allerdings schwierig, er gehe von 700 Lehrern pro Jahr aus, die eingestellt werden müssten. Minister Willingmann indes sprach von einer verfehlten Sparpolitik der letzten Jahre: „Die Perspektiven, die wir jungen Leuten gegeben haben, die waren nicht gut. Es wurde ausgebildet und nicht eingestellt.“ Diese Fehler seien innerhalb von fünf Jahren nicht wieder gut zu machen, aber man könne jetzt verlässliche Perspektiven schaffen und Fehler nicht einfach wiederholen.

Mehr Geld fließt in Grundfinanzierung

Verlässliche Perspektiven forderte Eva Gerth auch für die Uni-Angestellten in der Lehramtsausbildung: „Man muss mal klar sagen, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis das normale Arbeitsverhältnis ist. Aber das trifft nicht auf die Hochschulen zu.“ Dafür, verstärkte Bremer, brauche man eben verlässliche politische Entscheidungen. Und Mut, so Gerth, auch noch mehr möglich zu machen, als 800 Erstsemester für die Ausbildung im Bereich der allgemeinbildenden Schulen in Halle und 200 für die Berufsschullehrerausbildung in Magdeburg. Minister Willingmann mahnte, hier seriös zu bleiben, nicht konzeptlos zu werden. Am Ende benannte er die Zahl von jährlich 5 Millionen Euro, die in den kommenden fünf Jahren zusätzlich in die Grundfinanzierung der MLU fließen sollen – auch um wichtige Stellen entfristen zu können.  

Auch die sich nach anderthalb Stunden anschließende Diskussion mit dem Publikum ging engagiert und lebhaft weiter: Der Dekan der Philosophischen Fakultät II Prof. Dr. Georg Maas sagte, dass es eben auch um fehlende Räume und wenig Platz ginge, nicht nur um fehlendes Personal. Es gebe massive Probleme, eine Lösung brauche es hier wirklich schnell. Der Personalratsvorsitzende der MLU Berthold Marquardt formulierte den Satz, dass er sich entgegen mancher Stimmen auf dem Podium langfristig keine Sorgen mache, dass zu viele Lehrer ausgebildet werden würden, sondern weiterhin zu wenige. Ein Schulleiter berichtete von dem Spagat, den er leisten müsste, um die Referendare zu integrieren, die am Anfang oft völlig hilflos ins seiner Schule stehen würden und natürlich auch die Ressourcen der Lehrer benötigten. Das sei für ihn immer wieder ein Spagat zwischen Unterricht und Ausbildung. Das möge mal mitgedacht werden. Eine Lehramtsstudentin im fünften Semester berichtete, dass sie ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit schaffen könne, weil die Kapazitäten für die schulpraktischen Übungen nicht ausreichten. „Wie soll das denn dann erst mit 800 Erstsemestern werden?“

Ja, wie? Für das Fazit war Rektor Sträter zuständig, der die Diskussion launig zusammenfasste, aber scharf bilanzierte: „Ich habe Klagen vernommen, dass es Probleme gibt, aber mit der Unterstützung der Politik können wir Besserung geloben.“ Dabei solle es bei aller Kritik auch bei der weithin gelobten Qualität der Lehramtsausbildung in Halle bleiben. „Zugunsten der Quantität dürfen wir keine Abstriche machen. 800 geht, aber das kostet eine Kleinigkeit.“ Die Universität brauche Flächen und Personal und – Dauerstellen. Es müsse jetzt viel Arbeit geleistet werden und diese schnell. Auch ein Programm für Quer- und Seiteneinsteiger habe die Universität erarbeitet. „Wir sehen uns hier in der Verantwortung. Wir sind die maßgebliche Bildungsstätte. Wir brauchen keine Pädagogische Hochschule im Land.“ 

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