Zwischen Hörsaal und Landtag

01.02.2012 von Tom Leonhardt in Studium und Lehre, Personalia, Campus
Viele Studenten arbeiten in ihrer Freizeit zum Beispiel im Café oder im Call-Center. Vier MLU-Studenten haben einen etwas ausgefalleneren Arbeitsplatz: Den Landtag von Sachsen-Anhalt. Henriette Quade und Franziska Latta haben mit scientia halensis darüber gesprochen, wie sich Studium und Politik miteinander vereinbaren lassen.
Die Studenten Patrick Wanzek (SPD), Franziska Latta (Die Grünen) und Jan Wagner (Die Linke) vor ihrem Arbeitsort – dem Magdeburger Landtag
Die Studenten Patrick Wanzek (SPD), Franziska Latta (Die Grünen) und Jan Wagner (Die Linke) vor ihrem Arbeitsort – dem Magdeburger Landtag (Foto: Jens Schlüter)

„Ich suche noch nach dem richtigen Wort“, antwortet Henriette Quade lachend auf die Frage, wie sie ihren ersten Tag als Berufspolitikerin beschreiben würde. „Natürlich war das alles aufregend“, allerdings hatte sie schon vorher die Möglichkeit, politische Luft zu schnuppern. Sie ist seit 2000 Mitglied der PDS und seit der Umstrukturierung Mitglied der Partei „Die Linke“. 2009 übernahm die gebürtige Hallenserin das Amt der stellvertretenden Landesvorsitzenden.

Henriette studiert an der Uni Halle Germanistik und ist seit März vergangenen Jahres Mitglied des Landtags. Die Nachricht, dass sie in den Landtag einziehen wird, kam für sie trotz eines aussichtsreichen Listenplatzes überraschend: „Bis zum Wahlabend war mir nicht klar, ob es klappt.“ Um die nötige Zeit für den Wahlkampf zu finden, hat die 27-Jährige ein Semester lang keine Univeranstaltung besucht – für Bachelorstundenten fast unmöglich.

Ähnlich geht es Franziska Latta, ebenfalls MLU-Studentin und Mitglied der Partei „Bündis 90 / Die Grünen“. Sie studiert ebenfalls noch im alten Studiensystem: „Ich bin scheinfrei und habe meine Magistraprüfungen in den beiden Nebenfächern bereits abgelegt und deshalb mehr Zeit gehabt, mich auf den Wahlkampf zu konzentrieren.“ Dass sie als eine von nur neun Abgeordneten für ihre Partei in den Landtag einziehen konnte, kam für sie sehr überraschend.

Henriette Quade im Landtag
Henriette Quade im Landtag (Foto: privat)

„Wir haben gehofft, dass wir in den Landtag einziehen können“, erinnert sich die gebürtige Potsdamerin, „aber dass ich selbst reinkomme, daran habe ich nicht gedacht.“ Ihre ersten Tage in Madgeburg waren sehr ereignisreich – schließlich mussten sich die Grünen im Landtag nach 13 Jahren erst wieder zurecht finden. „Dabei haben wir aber viel Unterstützung bekommen und das ganz gut gemeistert“, findet die 27-Jährige.

Obwohl Henriette Quade studiert, beschäftigt sie sich im Landtag mit ganz anderen Themen. Bei der Linken ist sie für Migrations-, Asyl- und Flüchtlingspolitik zuständig. Diese Themen beschäftigen sie schon seit ihrer Jugend. 1998 war die Germanistik-Studentin mit 14 Jahren zum ersten Mal auf einer Demo. „Damals hatte ich vom Kosovo-Krieg und den Folgen für die Bevölkerung gehört“, erinnert sie sich, „Ich wollte mich mehr mit politischen Themen beschäftigen.“ Da sie noch zu jung war, um einer Partei beizutreten, kam sie vorerst bei der „AG Junge GenossInnen in und bei der PDS“ unter. Zwei Jahre später folgte dann der Partei-Beitritt. „Es war schon damals für mich selbstverständlich, dass ich mich politisch engagiere.“

Franziska Latta interessierte sich auch schon als Kind für politische Themen. Die Lust, selbst politisch aktiv zu werden, wurde bei ihr in einem Schulprojekt in der gymnasialen Oberstufe geweckt. Nach dem Abitur absolvierte sie in der Stiftung Naturschutz Berlin ein Freiwilliges Ökologisches Jahr und machte dort ihre ersten Erfahrungen auf dem politischen Terrain. „Über die verschiedenen Themen, die ich damals bearbeitet habe, bin ich dann zu den Grünen gekommen.“ Im Landtag beschäftigt sie sich vor allem mit Fragen der Bundes- und Europapolitik. Außerdem ist sie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales. „Für mich ist es jetzt erst einmal wichtig, mich in diesen unglaublich großen Themenkomplex einzuarbeiten“, kommentiert sie ihre Arbeit.Auf ihrer To-Do-Liste steht ganz oben die EU-Strukturreform. Ihrer Meinung nach müssten dafür in Sachsen-Anhalt einige Punkte neustrukturiert werden, damit sie sinnvoll genutzt werden können.

Neben den beiden MLU-Studentinnen sitzen noch etwa 100 weitere „Kollegen“ im Landtag. Die meisten davon können auf eine langjährige Karriere in der Politik zurückblicken. Obwohl sie erst seit kurzem dabei sind, fühlen sich die beiden ernstgenommen. „Je nach der Qualität unserer Argumente werden wir auch wahrgenommen“, stellt Franziska Latta fest. „Wir werden also nicht mit völliger Ignoranz gestraft.“

Häufig wurde im Landtag die Frage gestellt, ob die Studentinnen ihren Pflichten nachkommen könnten, obwohl sie noch im Studium stecken. „Ich finde die Frage nachvollziehbar“, sagt Henriette Quade, „aber ansonsten herrscht im Landtag ein freundliches Klima.“ Beide sind sich in dem Punkt einig, dass sie sich in den ersten Monaten und Jahren einen Ruf als Politikerin erarbeiten wollen. Eine gute Politikerin zeichne vor allem aus, dass sie nicht nur von einer Landtagswahl zur nächsten denkt und auch über ihren eigenen Tellerrand hinausschaut.

Beide haben sich noch nicht weiter mit der Frage beschäftigt, ob sie nach den fünf Jahren im Landtag weiterhin als Berufspolitiker tätig sein wollen. Henriette Quade gibt sich diplomatisch: „Das sollen die Bürger in Sachsen-Anhalt entscheiden. Wenn sie finden, dass ich meine Arbeit gut gemacht habe, wäre das eine Option.“ Sie wird im Landtag aber erst einmal eine Pause einlegen müssen. Im Dezember ist sie Mutter geworden und wird sich für einige Monate ihrem Kind widmen.

Franziska Latta hat für sich keinen Fünf-Jahresplan aufgestellt: „Erstmal möchte ich die Zeit im Landtag überstehen.“ Zu ihren großen Zielen gehört natürlich auch der Uni-Abschluss. Darüber hinaus will sie weiter auf den offenen Kontakt zu den Bürgern setzen: „Ganz wichtig ist für mich, mehr gelebte Demokratie zu vermitteln und das Ohr an den Bürgerinnen und Bürgern zu haben.“ 

Interviews mit studierenden Landtagsabgeordneten:
Jan Wagner Patrick Wanzek

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