Studierende bloggen zu Johann Friedrich Reichardt

26.06.2014 von Katharina Deparade in Studium und Lehre, Campus
Am 27. Juni vor 200 Jahren starb der Komponist Johann Friedrich Reichardt. Mit einem Wandelkonzert wird heute Abend in Reichardts Garten seiner gedacht. Auch in der Lehre kommt ihm in diesem Sommersemester besondere Bedeutung zu: Zur Langen Nacht der Wissenschaften am 4. Juli stellen Studierende das Leben und Wirken des Komponisten virtuell aus. Denn ihr Dozent Sebastian Biesold experimentiert als erster in der Abteilung Musikwissenschaft mit Blogs als Lehrmittel. Im Interview berichten er und die beiden Seminarteilnehmer Friederike Schmid und Maximilian Amadeus Hottelmann von ihrem Arbeitsprozess.
Eine Voransicht des Blogs „Reichardt Netz Werk 2.0“, der unter http://rnw2punkt0.hypotheses.org zum 4. Juli in seiner endgültigen Fassung abgerufen werden kann.
Eine Voransicht des Blogs „Reichardt Netz Werk 2.0“, der unter http://rnw2punkt0.hypotheses.org zum 4. Juli in seiner endgültigen Fassung abgerufen werden kann.

Warum gerade ein Blog in der Musikwissenschaft?
Sebastian Biesold: Die ursprüngliche Idee war eine Ausstellung im Rahmen der Übung „Anwendungsbereiche der historischen Musikwissenschaft“ zu gestalten. Da eine Ausstellung innerhalb einer einsemestrigen Lehrveranstaltung nicht so zu realisieren ist, kam dann die Idee das Thema in einem Blog umzusetzen. Auch weil ich mich seit Längerem mit diesem Format beschäftige, und sich so das Thema des Wissenschaftsjahres 2014 – „Die digitale Gesellschaft“ – sinnvoll in die Lehre einbinden ließ. Den inhaltlichen Zugriff bot der 200ste Todestag von Reichardt, womit wir einen lokalen Bezug haben.

Was ist der Vorteil eines Blogs gegenüber einer klassischen Ausstellung?
Biesold: Online zu arbeiten, bietet grundsätzlich die Möglichkeit auch Zwischenergebnisse zu präsentieren. Das ist ein großer Vorteil, den ich im Übrigen in diesem Format allgemein sehe. Wissenschaftliches Arbeiten ist immer ein vorläufiges Ergebnis, es ist nie abgeschlossen. Ich finde, dass kann man in solchen Webformaten gut widerspiegeln. Der Arbeitsprozess wird transparenter. In unserem Fall bietet eine virtuelle Ausstellung zusätzliche Möglichkeiten der interaktiven Präsentation durch Verlinkung von Inhalten innerhalb des Blogs. Außerdem können problemlos Audio-und Videodateien, die von den Studenten gefertigt wurden, eingeblendet werden. Wir nähern uns der Person Reichardt und seinem vielfältigen Schaffen über das unglaubliche Netzwerk, das er zu Lebzeiten um sich versammelt hat. Gerade dieses Netzwerk und die Verbindungen von Inhalten kann man online wunderbar umsetzten, was bei einer physischen Ausstellung weniger der Fall ist.

Wie kann man sich so eine Blogproduktion vorstellen?
Friederike Schmid: Wir Studenten sind in acht Inhaltsgruppen aufgeteilt. Es gibt zum Beispiel eine Gruppe, die sich mit der Person Reichardt selbst beschäftigt, eine andere mit dem familiären Hintergrund, eine andere mit den Reisen und seinen Schriften. Zusätzlich realisiert eine Gruppe die Konzipierung und technische Umsetzung der Homepage. Max und ich sind die PR-Gruppe. Wir berichten über die Exkursionen und beschäftigen uns mit allem, was nach außen präsentiert werden soll.

Heute wird viel getwittert und in sozialen Netzwerken gepostet. Ist bloggen für Studenten da nicht schon wieder veraltet?
Friederike Schmid: Ich finde das spannend, weil wir mit der kurzen Aufmerksamkeitsspanne des Lesers konfrontiert sind. Was nicht interessant ist, wird sofort wieder weggeklickt, so dass man ganz kleine Texte produzieren muss. Das bedeutet für die einzelnen Inhaltsgruppen eine sehr intensive Auseinandersetzung mit ihrem Thema, um das dann auch entsprechend kurz und knapp widergeben zu können. Für mich stellt das nochmal eine ganz andere Herausforderung dar, als wenn man einfach Texte schreiben oder eine klassische Ausstellung konzipieren würde.


Max Hottelmann: Zumal wir auch eine bestimmte Lesergruppe ansprechen wollen. Wir machen das nicht nur, damit wir sagen können "Jetzt haben wir unsere Leistungspunkte und dann hat sich die Sache", sondern auch um Menschen anzusprechen, die Reichardt zum Beispiel nicht kennen. Ich habe mich bis zum Anfang des Semesters auch dazu gezählt. Ich kannte ihn einfach nicht. Der Blog ist online zu finden, jeder kann darauf zugreifen und sich weiterbilden. Ich find das zeitentsprechend.

Wie soll das Projekt bei der Langen Nacht der Wissenschaften vorgestellt werden?
Schmid: Es war uns auch nicht ganz klar, wie man ein Online-Format einem größeren Publikum präsentiert. Der Konsens ging eher dahin, eine Person aus den Gruppen auszuwählen, die das Ganze in einer Präsentation vorstellt. Allerdings soll nicht alles, was auf der Homepage steht, vorgestellt werden, weil dass dann ja auch langweilig für die Leute wäre, die sich das eventuell ansehen wollen.


Biesold: Da wir nicht die Möglichkeit haben, den Besuchern Notebooks oder Tablets zur Verfügung zu stellen, war eine Überlegung, ausgewählte Inhalte tatsächlich physisch auf Ausstellungstafeln zu zeigen. Dadurch würde aber die Intention des virtuellen Gestaltens mit den damit verbundenen Möglichkeiten komplett aufgehoben. Zudem werden wir über das Online-Arbeiten generell berichten; auch über die Grenzen, die uns gesetzt waren. Im Übrigen werden – und zwar nicht digital – einige Lieder von Reichardt durch das Vokalensemble Sequenz Halle erklingen.

Würdet ihr empfehlen, dieses Format z.B. im nächsten Semester mit neuen Studenten weiterzuführen?
Schmid: Durchaus, weil es eine völlig andere Struktur ist, als es sie in anderen Lehrveranstaltungen gibt. Nicht dieser klassische Frontalunterricht, wie man ihn aus Vorlesungen kennt. Nicht dieses Arbeiten im Seminar, und ich bereite zu jeder Stunde etwas vor. Sondern man muss sich tatsächlich auf ein Endergebnis vorbereiten. Gesagt wird: Wir haben die Lange Nacht, bis dahin muss der Vortrag stehen, drei Wochen vorher muss dieser Blog fertig werden. Für mich zumindest setzt das ganz neue Anforderungen an das selbständige Arbeiten und genau das sollte Studieren ja auch sein und nicht dieses trockene tröpfchenweise Einflößen von Information.


Biesold: Ich glaube das ist eine Herausforderung für alle. Auch für mich, weil das erste Mal in der Musikwissenschaft der MLU überhaupt gebloggt wird. Ich finde die Projektarbeit gut, weil sie im Gegensatz zum klassischen Seminarbetrieb steht, wo Inhalte häufig Vortrag für Vortrag abgehakt werden. Bei diesem Blog laufen die einzelnen Inhalte auf eine gemeinsame Sache hinaus.


Hottelmann: Immer anders arbeiten, immer Neues empfehlen, was eben nicht nur Hausarbeiten und Bücher betrifft, das ist eine gute Sache.

„Reichardt Netz Werk 2.0“

Der Blog „Reichardt Netz Werk 2.0“ kann ab dem 4. Juli 2014 unter http://rnw2punkt0.hypotheses.org aufgerufen werden. Bis dahin ist eine noch im Aufbau befindliche Betaversion online. Die virtuelle Ausstellung wird auf der Langen Nacht der Wissenschaften am 4. Juli 2014, von 21.30 bis 22.15 Uhr im Händelhaus-Karree, Haus 1, Konzertsaal (2. OG), Kleine Marktstraße 7, präsentiert.

Johann-Friedrich-Reichardt-Ehrung

Heute um 19 Uhr findet in Reichardts Garten ein Wandelkonzert zu Ehren von Johann Friedrich Reichardt statt. Das Studententheater Halle, den Universitätschor "Johann Friedrich Reichardt" Halle, das Akademische Orchester Halle und Studierende des Instituts für Musik der Universität sind zu erleben. Bei schlechtem Wetter findet die Veranstaltung in der Bartholomäus-Kirche statt. Der Eintritt ist frei.

Kontakt: Sebastian Biesold
Musikwissenschaft
Tel.: 0345 5524558
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