Neue Ausstellung: Eine Wohngemeinschaft des 18. Jahrhunderts

26.03.2019 von Laura Krauel in Studium und Lehre, Varia
Wie zeigt man Literatur oder andere Texte in einer Ausstellung? Und mit welcher Idee schafft man es dabei, einen Dichter, eine Ärztin und einen Pädagogen gleichzeitig vorzustellen? Studierende des Germanistischen Instituts haben mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Christiane Holm eine neue Dauerausstellung für das Klopstockhaus in Quedlinburg entwickelt. Sie wird am 31. März eröffnet.
Anja Pönisch, Dr. Christiane Holm, Richard Carius, Marlene Milla Woschni und Hannah Uhlen (v. l.) mit Taschentüchern, auf denen literarische Szenen des Weinens zu lesen sind
Anja Pönisch, Dr. Christiane Holm, Richard Carius, Marlene Milla Woschni und Hannah Uhlen (v. l.) mit Taschentüchern, auf denen literarische Szenen des Weinens zu lesen sind (Foto: Laura Krauel)

Man könnte sie eine Wohngemeinschaft des 18. Jahrhunderts nennen: den berühmten Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, die erste promovierte deutsche Ärztin Dorothea Christiana Erxleben und den Begründer des Sportunterrichts Johann Christoph Friedrich GutsMuths. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die drei zu Lebzeiten ein Haus geteilt haben. Und trotzdem trifft man unter einem Dach auf die Gelehrten, denn sie verbindet nicht nur die Epoche der Aufklärung, sondern auch ihre gemeinsame Heimatstadt Quedlinburg. Gedacht wird ihrer in der Dauerausstellung des Klopstockhauses, deren Neugestaltung sich Studierende des Germanistischen Instituts an der Universität Halle seit zwei Jahren im Rahmen eines umfangreichen Projekts widmen.

Angefangen hatte alles mit einem Seminar über Klopstock im Wintersemester 2016/17, das in Kooperation mit dem Klopstockverein Quedlinburg veranstaltet wurde. „Der Verein hatte das Anliegen, das Klopstockhaus, das in der Stadt ein wenig in Vergessenheit geraten war, zurück in den Gesprächsfokus zu rücken“, sagt Hannah Uhlen, Masterstudentin der Literatur- und Kulturwissenschaft. „Wir haben Kurzvorträge vorbereitet, die den Besuchern des Museums präsentiert werden können. Das haben wir im Dezember 2016 zum Beispiel zur Veranstaltung ‚Advent in den Höfen‘ gemacht“, erinnert sich Anja Pönisch, Bachelorstudentin der Deutschen Sprache und Literatur. Vom Familienmensch über den Kulturpolitiker bis zum Eisläufer: In Sieben-Minuten-Vorträgen haben die Studierenden unterschiedliche Facetten aus dem Leben des Dichters beleuchtet. „Das hat in den Medien riesige Wellen geschlagen. Wir sind dann regelmäßig ins Klopstockhaus gefahren und haben die Sieben-Minüter zu verschiedenen Anlässen vorgeführt“, erzählt Uhlen. „Es hat sich dann wieder so eine Begeisterung für den Dichter eingestellt, dass die Idee entstand, die alte Ausstellung neu einzurichten.“

In Kooperation mit der Stadt Quedlinburg und dem Klopstockverein haben die Studierenden der MLU ein modernes Ausstellungskonzept entwickelt. Bei der Gestaltung wurden sie von Marlene Milla Woschni, Studentin der Buchkunst an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, und Richard Carius, Student der Medienpädagogik an der Hochschule Merseburg, unterstützt. Am 31. März wird die Ausstellung unter dem Titel „Wie der Körper zur Sprache kommt – Klopstock, Erxleben und GutsMuths im papiernen Zeitalter“ eröffnet. „Auffällig ist im 18. Jahrhundert, welches sich selbst papiernes Zeitalter genannt hat, dass sich der Umgang mit dem Papier verändert hat“, erklärt die Literaturwissenschaftlerin Dr. Christiane Holm vom Institut für Germanistik, die das Projekt leitet. Papier wurde nicht mehr nur beschrieben, sondern beküsst und am Körper getragen und rückte auch als Tapete oder Pappmaché in die alltägliche Wahrnehmung. Neben diesem leiblichen Umgang mit dem Papier ist die sprachliche Umsetzung von Körperlichkeit Gegenstand der Ausstellung. „Erxleben und GutsMuths haben sich als Ärztin und Gymnastiklehrer beruflich mit dem menschlichen Körper beschäftigt. Und Klopstock war es wichtig, dass die Sprache selbst tanzt und Körperlichkeit vermittelt. Das ist die Klammer, mit der wir die drei Quedlinburger in der Ausstellung verbinden.“

Papiere, die in historischen Techniken aus Flachs, Baumwolle und Hanf angefertigt wurden, aber auch moderne Produkte wie Papiertaschentücher und großformatige Vliespapiere bilden das Hauptelement der Ausstellung. Sie ergänzen Exponate wie Klopstocks Schlittschuhe oder eine Locke des Dichters auf kreative Weise, indem sie den Betrachter selbst aktiv werden lassen. So kann man zum Beispiel aus Boxen Taschentücher ziehen, auf denen verschiedene Szenen des Weinens aus Briefen und literarischen Werken des 18. Jahrhunderts zu finden sind. Ein sogenanntes „Archiv der Redensarten“ versammelt Wendungen zum Körper wie „Hand und Fuß haben“. „An Literaturausstellungen interessiert mich immer am meisten die Frage, wie man die Literatur spannend zeigen kann“, so Christiane Holm. „Dafür gibt es kein Rezept, weil man sie anders als ein Ölgemälde nicht einfach an die Wand hängt. Stelle ich einen Text aus, muss ich auch die Präsentationsform komplett neu erfinden.“

Für die Ausstellung haben die acht Studierenden eine Begleitpublikation und einen audiovisuellen Medienguide entwickelt. Teile der Ausstellung haben sie außerdem gemeinsam mit Bürgern der Stadt Quedlinburg erarbeitet. In Workshops haben sie sich mit Schülern eines Gymnasiums mit GutsMuths‘ „Spielen zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes“ auseinandergesetzt. Bewohner eines Seniorenzentrums tragen mit Texten in Sütterlinschrift zum Projekt bei. In die Ausstellung eingebunden sind auch einzelne Elemente in Braille-Schrift und Gebärdensprache. Nicht zuletzt hat sich das Team um Werbung wie Plakate und Postkarten gekümmert. Hinter einer solchen Konzeption steckt jedoch noch viel mehr: Die Studierenden haben zum Beispiel auch einen Fördermittelantrag geschrieben und sämtliche Rechnungen bearbeitet. „Diese vielen Gänge und kommunikativen Wege, von denen man gar nicht ahnt, dass sie da sind: Das muss man einfach mal gemacht haben“, erzählt Hannah Uhlen von ihren Erfahrungen. „Das Studium ist sehr theoretisch. Dass wir dir Möglichkeit bekommen, bei einer Ausstellung von den Kinderschuhen bis zur fertigen Umsetzung mitzumachen, bringt uns allen wirklich viel.“

Einige der Studierenden, die am Projekt mitwirken, haben ihr Studium inzwischen abgeschlossen, andere arbeiten derzeit an ihrer Abschlussarbeit. Das Projekt Klopstockhaus ist mit der Eröffnung der neuen Dauerausstellung für alle Beteiligten erst einmal abgeschlossen. Was nicht bedeutet, dass es Projekte dieser Art am Germanistischen Institut nicht mehr geben wird. „Ich habe während meines Magisterstudiums auch eine Ausstellung kuratiert, das war sozusagen mein Gesellenstück“, verrät Christiane Holm. Mittlerweile war die Wissenschaftlerin für mehrere Ausstellungen, unter anderem im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt oder im Schiller-Museum der Klassik Stiftung Weimar, verantwortlich. „Aus persönlicher Erfahrung ist es mir deshalb wichtig, auch unseren Studierenden diese Möglichkeit zu geben.“

Die Ausstellung

„Wie der Körper zur Sprache kommt – Klopstock, Erxleben und GutsMuths im papiernen Zeitalter“
Klopstockhaus
Eröffnung am 31. März 2019 (mit Anmeldung)
von April bis September mittwochs bis sonntags 10-17 Uhr
Schlossberg 12, 06484 Quedlinburg

Die Ausstellung wird von der Universität Halle, vom Land Sachsen-Anhalt, von der Stiftung für Romantikforschung, von der Stiftung der Kreissparkasse Quedlinburg und von der Welterbestadt Quedlinburg gefördert.

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