„Die Welt wird kleiner mit IAESTE“

03.12.2012 von Maria Preussmann in Studium und Lehre, Campus
Praktika im Ausland vermitteln nicht nur wichtige Einblicke in die Berufsleben. Sie erweitern den Blick auf die Welt. Um Studierenden einen internationalen Austausch zu erleichtern, vermittelt die Organisation IAESTE weltweit Fachpraktika. Studierende aller naturwissenschaftlichen und technischen Fächer können sich bewerben. Neben „Outgoern“ wie Dorit Bennmann, die in Ghana gearbeitet hat, werden auch „Incomern“ wie Michael Ainoo, der aus Ghana nach Halle gekommen ist, Praktika in Deutschland vermittelt.
Neun Wochen hat Dorit Bennmann in einem Labor in Effiduase gearbeitet. Mit einer Trommel als Souvenir ist sie inzwischen nach Halle zurückgekehrt.
Neun Wochen hat Dorit Bennmann in einem Labor in Effiduase gearbeitet. Mit einer Trommel als Souvenir ist sie inzwischen nach Halle zurückgekehrt. (Foto: Michael Deutsch)

Hinter einer grauen Stahltür in der Ludwig-Wucherer-Straße versteckt sich der Eingang zum Büro des IAESTE-Lokalkomitees Halle. Hinter der Abkürzung steckt die „International Association for the Exchange of Students for Technical Experience“. Um einen großen Tisch versammeln sich Betreuer der Organisation sowie junge Leute aus Ghana, Tschechien und Finnland. Der Raum füllt sich mit lauten Gesprächen in englischer Sprache. Einmal wöchentlich treffen sie sich hier, um sich vertraut zu machen oder um Organisatorisches und Probleme zu besprechen. Wer ein Fahrrad oder Haushaltsgeräte braucht, kann sich diese hier ausleihen.

Michael Ainoo sitzt auf einer eingesunkenen Couch und unterhält sich angeregt mit einem Freund. Der Geographiestudent aus Ghana wohnt seit Mitte Juni in Halle. „Ich bin froh, dass die Bewerbung für mein Wunschpraktikum am Weinberg Campus erfolgreich war“, sagt er. Bei IAESTE bewerben sich die Studierenden nämlich nicht auf ein ganz bestimmtes Praktikum. Stattdessen geben sie eine Vorbewerbung ab, die in den Bewerberpool aufgenommen wird. Da die Praktika in der Regel in den Sommermonaten absolviert werden, muss die Vorbewerbung bis zum 30. November abgeschickt werden. Im Januar bekommen die Studierenden eine Liste mit Praktikumsangeboten, aus denen sie fünf Plätze wählen können. Diese sind abhängig von Länderwünschen, angegebenem Zeitraum oder Qualifikationen des Interessenten. Welches der Praktika dann vermittelt wird, kann der Bewerber nicht beeinflussen.

Michael Ainoo arbeitet während seines Praktikums bei Prof. Dr. Cornelia Gläßer im Fachgebiet Geofernerkundung und thematische Kartographie. Mit der speziellen Software ArcGis wertet er verschiedene Daten aus, um Gold in Ghana zu lokalisieren. Die Daten werden auf einer Karte zusammengefügt, um zu zeigen, wo in Ghana nach Gold gegraben wird und wie sich die Minen fortbewegen. „Mit der Software zu arbeiten, ist wirklich eine gute Erfahrung. Nach meinem Studium möchte ich gern für eine Bergbaufirma arbeiten. Das Praktikum hilft mir jetzt sehr, meine Fähigkeiten zu verbessern“, sagt er.

Dorit Bennmann beim Praktikum in Ghana
Dorit Bennmann beim Praktikum in Ghana (Foto: privat)

Während Michael Ainoo sich in Deutschland einlebt, erkundet Dorit Bennmann aus Halle das Heimatland von Michael Ainoo. „Ghana war mein Wunschland, ich wollte unbedingt Afrika kennenlernen“, schwärmt die Diplombiochemikerin aus Halle. Neun Wochen arbeitet sie in einem Labor im „Medical Diagnostic Center“ in Effiduase. Nach nur drei Tagen Einarbeitungszeit wurde sie als vollwertige Arbeitskraft eingesetzt. „Zu meinen täglichen Aufgaben gehören Patientenaufnahme, Probenentnahme verschiedenster Körperflüssigkeiten und Probenuntersuchungen auf Erkrankungen, die typisch für tropische Länder sind.“

Um den Patienten anschließend die Ergebnisse mitzuteilen und Behandlungen vorzuschlagen, hat sich Dorit auch mit der lokalen Muttersprache auseinandergesetzt. Amtssprache in Ghana ist eigentlich Englisch, „aber das braucht man den alten Dorfbewohnern nicht erzählen. Da muss man sich schon anpassen. Gerade wenn man Patienten nach ihren Problemen fragen möchte.“

Wenn Dorit Bennmann nicht in Effiduase oder den umliegenden Dörfern arbeitet, ist sie im ganzen Land unterwegs. „Ein Tipp, den ich jedem geben kann: reisen, reisen, reisen! Die Natur ist unglaublich.“ Obwohl Wasser oder Strom mehrmals wöchentlich ausfallen, bleibt Dorit gelassen. „Das gehört zum täglichen Leben. Wenn man plötzlich im Dunkeln sitzt, wird einfach weitergeredet.“ Untergebracht ist die Hallenserin in einem Wohnheim in Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas. Neben anderen IAESTE-Praktikanten wohnen dort vorrangig einheimische Studenten. „Das war genau das Richtige, um nicht nur einen Einblick in den ghanaischen Alltag zu bekommen, sondern auch um sich zu integrieren.“

Um eine Unterkunft musste sie sich nicht selbst kümmern. Denn das übernimmt das jeweilige Lokalkomitee. Als Michael Ainoo in Halle ankam, wurde er wie üblich bei IAESTE von zwei Betreuern abgeholt und in seine Unterkunft gebracht. Ein Zimmer in der Sportlervereinigung in der Nähe der Universitäts- und Landesbibliothek wurde sein neues Zuhause. „Gleich am ersten Tag wurde ich von den Deutschen eingeladen, im Hof die Fußball-Europameisterschaft zu verfolgen. Ich wurde gut aufgenommen und habe mich sehr wohl gefühlt.“ Trotz der vielen Kontakte zu Deutschen nimmt der Ghanaer auch an organisierten Fahrten von IAESTE teil. So kam er nach Jena, Erfurt, Weimar oder München. „Als ich am Hauptbahnhof in München ankam, wurde ich gleich von Polizisten nach meinen Papieren gefragt.“ Er nahm es gelassen. „Ich finde es gut, dass kontrolliert wird, ob sich jemand illegal in einem Land aufhält.“

Nicht nur um den Studierenden das fremde Land näher zu bringen, sondern auch gegen mögliche Langeweile bieten die Lokalkomitees Verschiedenes an. „Ich war bereits in Edinburgh und Stirling. Und in der Woche sind besondere Abende geplant, wie Kneipentouren oder Besuche im Comedyclub“, erzählt Nicole Schwarzer, die in Halle „International Area Studies“ am Institut für Geowissenschaften studiert. Während ihres sechswöchigen Praktikums an der schottischen University of Glasgow untersucht sie zurzeit den Zerfall von historischen Sandsteinfassaden in Glasgow und Umgebung. „Mein Arbeitgeber ist darauf bedacht, das Praktikum so anschaulich wie möglich zu machen“, sagt Nicole Schwarzer. „Es ist ein unvergessliches Erlebnis.“

Vorteil eines IAESTE-Praktikums ist nicht nur die intensive Betreuung bei der Vorbereitung und Durchführung des Praktikums, sondern auch, dass die Praktika in der Regel bezahlt werden. Der Verdienst richtet sich dabei nach den landestypischen Lebenshaltungskosten. Eine Fahrtkostenpauschale für Reisen in außereuropäische Länder kann beantragt werden. „Die Praktikumsplätze werden regelmäßig von IAESTE eingeworben“, sagt Anne Finck, ehrenamtliche Mitarbeiterin des Lokalkomitees Halle. Die meisten Stellen werden von den Universitäten angeboten, aber einige Praktika werden auch von Firmen vergeben. Im Idealfall finanziert die jeweilige Firma das Praktikum. Wird es von der Universität angeboten, werden die Kosten vom DAAD, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, getragen.

Da Nicole Schwarzer selbst seit Mai 2011 bei IAESTE arbeitet, hat sie bereits in Deutschland viel über andere Kulturen gelernt. „Der Austausch mit den internationalen Studierenden ist eine große Bereicherung für mich. Man knüpft Kontakte auf der ganzen Welt. Die Welt wird kleiner mit IAESTE.“ Um den ausländischen Studierenden weiterhin die intensive Betreuung zu gewährleisten, sucht das Lokalkommitee Halle weitere engagierte Mitarbeiter. „Ich bin seit drei Jahren dabei. Schön ist, dass man viele englische Dialekte kennenlernt“, so Anne Finck. „Wer Lust auf interessante Menschen hat, ist bei uns gern gesehen.“

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