Die geheimen Weltmeister

03.05.2021 von Tom Leonhardt in Varia, Schlussstück
Medaillen, Trophäen, Pokale – nichts davon findet sich im Büro von Biochemiker Prof. Dr. Frank Bordusa. Dabei ist seine Arbeitsgruppe seit 2017 Weltmeister – im Bauen künstlicher Enzyme.
Das Weltmeister-Enzym D-DP04-3C
Das Weltmeister-Enzym D-DP04-3C (Foto: Pech A. et al.)

Der Name ist deutlich unspektakulärer als das, was sich dahinter verbirgt: D-DP04-3C heißt das Meisterstück, das das Team um Bordusa gemeinsam mit der Firma Noxxon Pharma AG hergestellt hat. Es besteht aus 352 Aminosäuren, den Bausteinen des Lebens. In unserem Körper setzt die Natur diese Bausteine zu Proteinen oder Enzymen zusammen, die in den Zellen alle möglichen Aufgaben übernehmen: von der Zellteilung bis zum Zelltod.

Was die Natur elegant und mühelos erledigt, ist Frank Bordusa und seinen Mitstreitern im Labor nur durch zahlreiche komplizierte chemische Tricks gelungen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Forschenden nicht direkt die Bausteine aus unseren Zellen genommen haben. Stattdessen haben sie deren Spiegelbilder verwendet, ein Kuriosum der Forschung: In der Natur gibt es diese Spiegel-Aminosäuren fast gar nicht. „Warum nur eine der beiden Formen dominant ist, ist bis heute nicht geklärt. Es scheint zufällig zu sein“, sagt Bordusa. Seitdem die Spiegelbild-Form aber bekannt ist, wollen Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt ihrem Ursprung auf die Schliche kommen. Die Vision: einen ganzen gespiegelten Organismus zu erzeugen. Künstlich hergestellte Spiegel-Enzyme wären dafür ein erster Schritt.

Für die Pharmaindustrie sind diese Spiegelbilder noch aus anderen Gründen von Bedeutung – sie sind zum Beispiel Teil verschiedener Antibiotika. Deshalb interessierte sich auch Noxxon Pharma dafür. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Bordusa wollte das Unternehmen wissen, wie lang sich eine Kette von gespiegelten Aminosäuren zusammensetzen lässt und ob sich so ein gespiegeltes Enzym bauen lässt. 
 
Kein leichtes Unterfangen: Das ist ein wenig so, als würde man versuchen, ein 3D-Puzzle aufzubauen; aber nicht direkt, sondern durch einen Spiegel. Und als wäre das nicht kompliziert genug: Selbst die Teile haben eine andere Größe als die im Original. Bauanleitung? Fehlanzeige. „Das Problem ist, dass Sie erst wissen, ob ein Teil auf das andere passt, wenn Sie es ausprobiert haben“, sagt Bordusa. Nach vielen langwierigen Versuchen stand dann also die bisher längste Spiegelbildkopie der Welt. „Das Enzym war sogar komplett funktionsfähig“, so der Biochemiker.

Auch wenn es keinen Pokal gab: 2017 konnten Bordusa und Kollegen ihre Studie im renommierten Fachjournal „Nucleic Acids Research“ veröffentlichen. Das ist doch auch etwas!

 

Zur Studie: Pech A. et al. A thermostable D-polymerase for mirror-image PCR. Nucleic Acids Research (2017). doi: 10.1093/nar/gkx079

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