„Unser ureigenes Interesse“ – Interview zur Open-Access-Policy der Universität

08.06.2017 von Tom Leonhardt in Wissenschaft, Forschung
Wissenschaftliche Erkenntnis für jeden frei verfügbar machen – das ist ein zentrales Anliegen von Open Access. Der Senat hat vor kurzem eine Open-Access-Policy verabschiedet, in der sich die Uni Halle zu Open Access bekennt und neue Fördermöglichkeiten einrichten will. Prof. Dr. Michael Bron, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, und Anke Berghaus-Sprengel, Leiterin der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Sachsen-Anhalt, sprechen im Interview über die Inhalte der Leitlinie.
Das geöffnete Schloss ist das Symbol für "Open Access".
Das geöffnete Schloss ist das Symbol für "Open Access". (Foto: Johannes Kretzschmar)

Wo steht die Uni Halle in Bezug auf Open-Access-Publikationen?

Berghaus-Sprengel: Die Universität selbst hat derzeit mehrere Open-Access-Journale. Für einzelne Publikationen haben wir nur grobe Schätzwerte: Pro Jahr werden bis zu 300 Artikel in Open–Access-Journalen publiziert. Bei jährlich rund 2.300 publizierten Artikeln ist die Quote noch ausbaufähig.

… und deshalb hat sich die Universität eine Open-Access-Policy gegeben?

Michael Bron: Ja, wir wollen uns als Universität stärker auf diesem Feld positionieren. Außerdem ist die Policy eine Voraussetzung dafür, um bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) Fördermittel für Open-Access-Publikationen beantragen zu können, die wir dann an unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weitergeben können. Für uns geht es aber um mehr: Wir wollen ein breites Bewusstsein für das Thema schaffen und letztlich auch einen universitären Konsens darüber herstellen, dass wir hier aktiv werden müssen.

Müssen Wissenschaftler also künftig immer im Open-Access-Verfahren publizieren?

Bron: Nein, die Wissenschaftsfreiheit wird durch die Policy in keiner Weise eingeschränkt. Dazu gehört auch die Publikationsfreiheit – von der Wahl der Publikationsform bis hin zu der Frage, ob ich als Forscher überhaupt publiziere. Selbst dazu besteht kein Zwang. Wir wollen die bestehenden alternativen Publikationsformen aber stärker in den Fokus rücken und unterstützen.

Die Entscheidung bleibt also eine individuelle und soll laut der Policy auch in Bezug auf die eigene Karrieresituation abgewogen werden. Was heißt das?

Anke Berghaus-Sprengel ist die Direktorin der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt.
Anke Berghaus-Sprengel ist die Direktorin der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt. (Foto: Markus Scholz)

Berghaus-Sprengel: Es gibt Fachbereiche, in denen Open Access noch nicht so ausgeprägt ist wie beispielsweise in der Medizin. Hier müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst abwägen, welche Journale in ihren Fächern bereits anerkannt sind und welche vielleicht noch nicht.

Bron: Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler auf dem Weg zur Professur müssen zusätzlich darauf achten, dass sie in Berufungsverfahren auch an rein quantitativen Indikatoren gemessen werden – diese sind je nach Fachkultur sehr unterschiedlich. Oft zählt dazu, wie oft die Arbeiten zitiert werden und auch der Impact Factor der Journale, in denen die Arbeiten veröffentlicht wurden. Wenn ich als Nachwuchswissenschaftler eine Studie in einem Journal mit einem hohen Impact Factor publizieren kann, ist das vielleicht auch geboten – auch wenn es kein Open Access-Journal ist.

Berghaus-Sprengel: Gleichzeitig ist es in einigen Förderlinien aber gar nicht mehr möglich, Gelder zu beantragen und die Ergebnisse nicht Open Access zu publizieren. Natürlich ist der Uni daran gelegen, weiter viele Drittmittel einzuwerben. Deswegen haben wir auch die Pflicht, umfassend über die verschiedenen Möglichkeiten zu informieren. Es geht aber nicht darum, alles auf einmal umzuändern – wir wollen den Transformationsprozess langsam einleiten.

Welchen Prozess meinen Sie damit?

Berghaus-Sprengel: Dass das Publikationssystem sukzessive auf Open Access umgestellt wird. Anstelle von Subskriptionsgebühren für den Bezug von Zeitschriften zahlen wir dann Publikationsgebühren für das Veröffentlichen der Artikel. Es gibt auch heute schon Übergangslösungen mit Open-Access-Klauseln: Im Lizenzvertrag mit einem Verlag wird eine bestimmte Anzahl von Artikeln unserer Forscherinnen und Forscher festgelegt, die dann automatisch als Open-Access-Publikation  veröffentlicht werden. Die dafür fälligen Gebühren werden mit den Subskriptionsgebühren verrechnet, sodass diese Kosten sinken. Die Summe bleibt daher letztendlich gleich, nur werden mit einem Teil der Gelder  Open-Access-Veröffentlichungen bezahlt, deren freie Nutzung dann allen Wissenschaftlern zugutekommt. Diese Transformation ist in unserem ureigenen Interesse. Jede einzelne Open-Access-Publikation hilft uns deshalb, die Vertragsmodelle umzugestalten.

Bron: Das ist ein ganz wichtiger Punkt – es ist unser eigenes Interesse. Das ist auch der Grund, warum wir als Hochschulleitung sehr aufgeschlossen waren, als die Initiative an uns herangetragen wurde und warum wir dieses Thema aktiv, auch finanziell, unterstützen wollen und es intensiv weiter begleiten werden.

Wonach soll künftig entschieden werden, welche Open-Access-Publikationen gefördert werden?

Michael Bron ist Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs.
Michael Bron ist Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs. (Foto: Markus Scholz)

Bron: Es gibt noch keine endgültigen Kriterien. Es soll aber nicht so sein, dass der, der zuerst kommt, zuerst am Zuge ist – und dann ist der Fördertopf irgendwann alle. Wir werden die Instrumente dafür im Prozess entwickeln und anpassen, um die Gelder möglichst sinnvoll zu verteilen. Bisher ist aber davon auszugehen, dass wir die meisten Anfragen bedienen können.

Berghaus-Sprengel: Die DFG bezahlt nur für Veröffentlichungen in reinen Open-Access-Zeitschriften und pro Artikel maximal 2.000 Euro. Hierfür gibt es eine Liste mit förderbaren Zeitschriften. Veröffentlichungen in hybriden Journalen mit Open-Access-Option, sind auf anderen Wegen zu unterstützen, zum Beispiel mit den bereits erwähnten Open-Access-Klauseln. Bron: Auch dafür werden wir als Universität Mittel zur Verfügung stellen.

Nicht jeder Wissenschaftler ist mit den rechtlichen Rahmenbedingungen von Open Access vertraut, nicht jeder kennt etwa das Recht auf Zweitveröffentlichung von Publikationen. Wie versucht die ULB hier Forschern zu helfen?

Berghaus-Sprengel: Wir bauen eine Veranstaltungsreihe zur Beratung auf und haben gerade eine Website veröffentlicht, auf der die wesentlichen Informationen zu Open Access versammelt werden. Dort findet man auch die Open-Access-Policy der Universität. Und natürlich bauen wir auch bei uns intern die nötige Expertise auf, so dass jeder Fachreferent auf dem aktuellen Stand ist.

Gibt es weitere Angebote?

Berghaus-Sprengel: Der Server, auf dem unsere jetzigen Open-Access-Journale liegen, wird gerade aktualisiert. Künftig werden wir in Kooperation mit dem Zentrum für multimediales Lehren und Lernen (LLZ) Veranstaltungen zum Gründen eigener Open- Access-Journale anbieten.

Wo steht die Universität Halle in zehn Jahren in Bezug auf Open Access?

Bron: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Universität werden sich in zehn Jahren ganz automatisch die Frage stellen, ob sie ihre Arbeiten als Open-Access-Publikation publizieren oder nicht. Das Thema wird in der Breite verankert sein. Gleichzeitig sollen Uni-Angehörigen wissen, dass sie selbstverständlich dabei unterstützt werden – finanziell und durch eine angemessene Beratung.

Berghaus-Sprengel: Im Idealfall geben wir genauso viel Geld für Publikationen aus wie heute. Aber anstelle der Subskriptionsgebühren zahlen wir vor allem Publikationsgebühren. Einige Verlage arbeiten bereits an dieser Umstellung. Letztlich kann die Universität hier aber nicht alleine tätig werden, sondern nur das gesamte Wissenschaftssystem in Deutschland und Europa. Wir benötigen gemeinsame, ganzheitliche Lösungen – auch für die Forschungsrohdaten.

Zur Informations-Website der ULB zum Thema Open Access

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