Eine Verbindung mit Geschichte

12.10.2017 von Corinna Bertz in Internationales, Campus
Bereits seit zehn Jahren besteht die Partnerschaft zwischen der Universität Halle und der Staatlichen Universität Eriwan (YSU). Im Juni haben die beiden Hochschulen ihren Kooperationsvertrag verlängert. Jetzt sollen auch Studierende und Doktoranden noch stärker in den wissenschaftlichen Austausch mit Armenien einbezogen werden – zum Beispiel an der Theologischen Fakultät.
Bei seinem Besuch im Juni überreichte Rektor Aram Simonyan (links) Rektor Udo Sträter eine traditionelle armenische Holzvase.
Bei seinem Besuch im Juni überreichte Rektor Aram Simonyan (links) Rektor Udo Sträter eine traditionelle armenische Holzvase. (Foto: Michael Deutsch)

Zu dritt waren sie zur Jubiläumswoche anlässlich des 200. Jahrestags der Vereinigung der Universitäten Halle und Wittenberg aus dem Kaukasus nach Halle gereist: der Rektor Prof. Dr. Aram Simonyan mit seinem Büroleiter und dem Dekan der Theologischen Fakultät. Gemeinsam mit weiteren Universitätspartnern aus den USA, China und Russland überbrachten sie im Juni ihre Glückwünsche. Nicht nur eine handgeschnitzte traditionelle Holzvase hatten die Armenier als Gastgeschenk im Gepäck: „Wir haben mehr als 40 Bücher für die MESROP-Arbeitsstelle für Armenische Studien mitgebracht“, sagte Rektor Simonyan nach dem Jubiläums-Festakt. „Viele unserer Wissenschaftler haben eine sehr enge und persönliche Verbindung zur Martin-Luther-Universität, denn sie haben in Halle studiert“, erklärt er. Auch eine Alumna der YSU lehrt und forscht seit Jahrzehnten in Halle: Prof. Dr. Armenuhi Drost-Abgarjan hat an der YSU studiert, kam 1985 an die Universität Halle, wo sie heute die MESROP-Arbeitsstelle leitet, an der Wissenschaftler beider Länder Kultur und Geschichte Armeniens erforschen.

Drei Millionen Menschen leben in Armenien, 20.000 von ihnen studieren an der YSU. „Wir sind ein kleines Land, in dem unsere Universität die größte und älteste ist“, so Rektor Simonyan. Im Rahmen der Festveranstaltung vereinbarten er und Rektor Udo Sträter, die intensive Zusammenarbeit weitere zehn Jahre fortzusetzen. Viele Forscher aus Halle und Eriwan waren bereits zu Konferenzen und Forschungsaufenthalten an der jeweiligen Partneruniversität zu Gast. Eine gemeinsame internationale Sommerschule, eine deutsch-armenische Konferenz sowie eine akademische Gedenkstunde für die Opfer des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich zählen zu den prägenden Ereignissen der zehnjährigen Kooperation.

„In Zukunft wollen wir insbesondere den Austausch von Doktoranden und Studierenden noch stärker fördern“, kündigte Simonyan in Halle an. Halle könnte noch stärker von Eriwan profitieren: „Wir pflegen sehr gute Beziehungen und Kontakte zu den Hochschulen unserer Nachbarländer, etwa in den Iran. Die könnten auch den halleschen Orientwissenschaftlern von Nutzen sein.“

Kleines Land mit großer Tradition

17 Professorinnen und Professoren aus drei verschiedenen Fakultäten der Universität Halle sind bislang in die Partnerschaft eingebunden. Vor allem Theologen, Germanisten, Archäologen, Kunsthistoriker und Orientwissenschaftler erforschen die reiche Geschichte und Kultur des kleinen Landes. Sie haben vor Ort etwa prähistorische Steinformationen und Goldfunde untersucht oder die Transformation des politischen Systems nach dem Ende der Sowjetunion analysiert.

Auch ein gemeinsames deutsch-armenisches Handbuch der Theologie gehört zu den aktuellen Kooperationsprojekten. Alle Vertreter der theologischen Fachgebiete beschreiben darin in beiden Sprachen kurz ihre Bereiche. Was sich zunächst unspektakulär anhört, ist unverzichtbar für den Austausch, sagt der hallesche Ostkirchenkundler PD Dr. Martin Illert: „Diese Selbstbeschreibung ist der erste Schritt eines Dialogs, bevor man dann mit der eigenen Deutung an den Partner herantreten kann.“

Für Theologen ist das Land im Kaukasus von besonderer Bedeutung: Armenien ist die älteste christliche Nation der Welt. Bereits im vierten Jahrhundert erklärte der armenische König Trdat III. das Christentum zur Staatsreligion. Kurz darauf – zu Beginn des 5. Jahrhunderts – entwickelte der Mönch Mesrop Maschtoz die armenische Schriftsprache. „Die Sprache war für die Bewahrung der Identität und Kultur Armeniens stets sehr wichtig und die Kirche war der Ort, an dem diese Tradition gepflegt wurde. Deshalb spielt die Theologie in der armenischen Kultur bis heute eine sehr große Rolle“, erklärt Illert, der im April an der Theologischen Fakultät der YSU zu Gast war.

Interkultureller Crashkurs in der Theologie

Ein Ergebnis seines Besuchs ist ein neues Stipendienprogramm, das Theologie-Studierenden aus Eriwan ab 2018 einen Studienaufenthalt in Halle ermöglichen soll. Langfristig möchte der Theologe auch halleschen Studierenden Exkursionen oder Blockseminare in dem 2.800 Kilometer entfernten Land anbieten. „Armenien ist für uns ein wichtiges Brückenland, weil es uns mit Regionen verbindet, die uns sonst sehr fern sind. Die Theologie braucht diese Art der Begegnung“, sagt er. Und ergänzt: „Der Austausch ist auch ein interkultureller Crashkurs, denn mit den Unterschieden umzugehen, erfordert interkulturelle Kompetenz.“

Die Unterschiede zwischen den beiden Fakultäten sind beträchtlich: Die Theologische Fakultät in Eriwan ist der Armenischen Apostolischen Kirche unterstellt, fast alle Studierenden sind orthodoxe Christen. „An unserer Partner-Fakultät gibt es ein viel stärkeres Bewusstsein dafür, ein Teil der Kirche zu sein. Für sie ist das Theologische nicht vom Kirchlichen zu trennen“, erklärt Illert. Aus genau diesem Grund sei der Austausch für beide Seiten so bereichernd. „Bei uns können die armenischen Theologen einen aus den gottesdienstlich kirchlichen Zusammenhängen gelösten Zugang und damit eine gewisse Selbstdistanz wahrnehmen. Wir können wiederum nachvollziehen, was eine gottesdienstlich geprägte Frömmigkeit für die direkte theologische Auseinandersetzung bedeutet.“

Im Austausch komme es deshalb auf die Zwischentöne an: „Wir können ein Referat über die Kirche im 4. Jahrhundert halten und an diesem Beispiel zugleich über die unterschiedlichen Vorstellungen und Methoden diskutieren, die da aufeinanderprallen“, erklärt der Dozent. Es gehe darum, nicht einfach nur die eigenen Standards an die Partner heranzutragen, sondern einen konfessionsübergreifenden Diskurs zu führen. „Ein solcher Diskurs kann beide Fakultäten prägen und verändern“, davon ist Illert überzeugt.

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